Warum Helden wie Harry Potter Kindern mehr bieten als nur guten Lesestoff
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Das Foto zeigt Kinderbücher in der Mayerschen Buchhandlung in Dortmund.
© Quelle: picture alliance / Katharina Heimeier
Selma und Tobi sind geschockt: Nach einem heimlichen Experiment im Chemieraum erwacht der ausgestopfte Biber aus der Schulvitrine zum Leben. Und der ist ziemlich hungrig und möchte schnell zurück nach Hause – an seinen See. Mit der Geschichte „Biber undercover“ wollen die deutschen Organisatoren des Welttags des Buches, der am 23. April gefeiert wird, Kinder für das Lesen begeistern. Deshalb verschenken sie eine Million Exemplare des Biberabenteuers von Rüdiger Bertram und Illustrator Timo Grubing an Schülerinnen und Schüler.
Spannend und lustig muss eine Geschichte sein, damit sie bei jungen Lesern ankommt. Doch um ein Buch wirklich zu lieben, um es immer und immer wieder zu lesen, braucht es vor allem eins: eine Titelfigur, die ins Herz trifft. Das verdankten Heldinnen und Helden aus Kinderbuchklassikern ganz unterschiedlichen Eigenschaften – beziehungsweise unterschiedlichen Bedürfnissen der Leserschaft, sagt Christine Kranz, Referentin für Leseförderung bei der Stiftung Lesen. „So gibt es zum Beispiel viele fast anarchische Figuren, die sich den Normen und Erwartungen der Erwachsenenwelt widersetzen – von Pumuckel über Pippi bis zum Sams.“ Hier könnten Kinder beim Lesen ganz gefahrlos rebellieren.
Gerade literarische Figuren, die in komplizierten Familiengeschichten verstrickt sind und unter ihrer eigenen Unsicherheit leiden, sind beim Lesenachwuchs beliebt. Vor allem wenn sie zur (durchaus zauberhaften) Selbstermächtigung fähig sind – siehe Harry Potter. Er oder Mio aus Astrid Lindgrens „Mio, mein Mio“ „stehen für die Möglichkeit, sich mit den eigenen – oft unbewussten – Kräften aus einer scheinbar aussichtslosen Situation zu befreien, in der sie meist ganz allein dastehen und nur auf die Hilfe anderer Kinder vertrauen können“, erklärt die Leseexpertin.
Pippi Langstrumpf: Mehr als 8,6 Kinderbücher in Deutschland verkauft
Sie ist und bleibt das stärkste Mädchen der Welt, auch wenn Astrid Lindgrens Figur schon etwas betagter ist. Im schwedischen Original erschien der erste Pippi-Band im September 1945. In Deutschland ist die Geschichte von der unerschrockenen Rothaarigen besonders beliebt, mehr als 8,6 Millionen Exemplare der Bücher wurden hier verkauft. Und die Verfilmungen mit Inger Nilsson in der Titelrolle gehören zu den Kindheitserinnerungen von Millionen.
Harry Potter: Kinder- und Jugendbücher der Extraklasse
Der weltweite Erfolg von Joanne K. Rowlings Reihe, die im britischen Original 1997 eröffnet wurde, ist überwältigend. Die Auflage der Kinder- und Jugendbücher wird auf rund 500 Millionen geschätzt. Doch hat die Geschichte von Harry im Zauberinternat Hogwarts auch andere Rekorde gebrochen: Die Verfilmungen gelten als die kommerziell erfolgreichste Filmreihe. Für Millionen von Lesern und Zuschauern ist Harry fester Bestandteil ihres Erwachsenwerdens.
Das Sams erfüllt seit 1973 Wünsche
Vor ein paar Monaten ist der zehnte Band über das kleine Wesen, das so gerne reimt, erschienen: „Das Sams und der blaue Drache“. 1973 tauchte das Sams mit den Wunschpunkten im Gesicht erstmals auf. Paul Maars Figur ist so respektlos, dass sich in die Bewunderung für so viel Frechheit auch manchmal etwas Erschöpfung darüber mischt, was das Sams sich wieder ausgedacht hat. Da kann einem Herr Taschenbier, dessen Leben das Sams aufmischt, schon mal leid tun.
Grüffelo: Ein Kinderbuch über die Macht der Fantasie
Dieses Ungetüm hat es in sich – es verspeist zum Beispiel gern Eule mit Zuckerguss. Die Maus, die sich das in Julia Donaldsons Geschichte mit den Illustrationen von Axel Scheffler ausdenkt, hat sich den Grüffelo zusammenfantasiert – trifft ihn dann aber tatsächlich. Der Bilderbuchklassiker ist eine Parabel über die Macht der Fantasie. Diese weckt zuweilen Ängste, aber sie hilft eben auch ungemein bei deren Überwindung.
Greg: Eine Mischung aus erzählendem Text und Comic
Ein strahlender Held ist Tagebuchschreiber Greg nicht unbedingt. Doch offenbar macht ihn gerade das so beliebt – und zwar vor allem bei Jungen. Sie können sich mit Greg, seinen Alltagsnöten und seinem Ärger mit Eltern, Geschwistern und Lehrern identifizieren. Autor Jeff Kinney hat mit der charakteristischen Form der Bücher, einer Mischung aus erzählendem Text und Comic, einen Nerv getroffen.
Die kleine Raupe Nimmersatt: Ein Klassiker unter den Bilderbüchern
Die kleine Raupe Nimmersatt: Sie frisst und frisst und frisst. Seit mehr als einem halben Jahrhundert futtert sich das gefräßige Tier in Eric Carles Bilderbuch durch die Welt. Eltern, die mit der Raupe aufgewachsen sind, schauen sich wie selbstverständlich das Buch gemeinsam mit ihren Kindern wieder an. Und die mögen die Geschichte laut Carle besonders, weil sich die unbedeutende Raupe irgendwann in einen wunderschönen Schmetterling verwandelt.