Ist BSE für Menschen gefährlich? Was Sie über Rinderwahn wissen sollten
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BSE verändert das Verhalten von Rindern und endet immer tödlich.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Über 38 Jahre ist es her, dass der erste BSE-Fall im Vereinigten Königreich entdeckt wurde. Ein südenglischer Bauer bemerkte im November 1984 zunächst, dass etwas mit einer seiner Kühe nicht stimmte. Sie wurde erst aggressiv, fing an zu torkeln und starb schließlich qualvoll. Es sollte der Auftakt einer massiven Krise für die Britinnen und Briten sein, in der Millionen Rinder notgeschlachtet werden mussten.
BSE ist landläufig auch als „Rinderwahn“ bekannt und breitete sich teilweise auch in Kontinentaleuropa aus. Es dauerte Jahre, bis der große Ausbruch eingedämmt werden konnte – und noch immer kommt es zu einzelnen Fällen. Zuletzt auch in den Niederlanden, die bis dahin zwölf Jahre lang keinen nachgewiesenen Fall hatten.
Was ist BSE?
Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) ist eine tödliche Hirnerkrankung bei Rindern. Sie verändert ihre Gehirnstruktur, macht diese so porös wie ein Schwamm. BSE gehört zur Gruppe der übertragbaren Spongiformen Enzephalopathien (TSE), zu der auch andere schwammartige Gehirnerkrankungen bei Tieren zählen. Etwa die Scrapie bei Schafen und Ziegen oder die Chronic Wasting Disease (CWD) bei Hirschen und Elchen. Auch Menschen können von einer TSE betroffen sein: der sehr seltenen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, bei der es zu einer Auflösung von Gehirngewebe kommt.
Was sind die Symptome von BSE?
Die betroffen Rinder zeigen allen voran Verhaltensänderungen. Sie sind auffällig aggressiv, nervös, schreckhaft und haben Bewegungs- und Koordinationsschwierigkeiten. Außerdem reagieren sie überempfindlich auf Licht, Lärm und Berührungen. Der Krankheitsverlauf kann teilweise Wochen bis Monate dauern, bis die Tiere schließlich sterben. Über die Inkubationszeit herrscht aber noch immer große Unsicherheit: Dem US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium zufolge kann sie zwischen zwei und acht Jahren liegen.
Was sind die Ursachen für BSE?
Bis heute ist nicht abschließend geklärt, wie die Erkrankung genau entsteht. Nach aktuellem Forschungsstand werden aber Proteine als Ursache angenommen, die Prionen. Dabei handelt es sich um „infektiöse Eiweißpartikel, die aus einer fehlgefalteten Form des wirtseigenen Prionproteins bestehen“, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erklärt. Das Besondere an Prionen ist, dass sie anders als Viren, Bakterien oder Pilze nicht über DNA oder RNA verfügen.
Wie wird BSE übertragen?
Als Hauptursache für die Übertragung wird kontaminiertes Fleisch und Knochenmehl angenommen, mit dem Rinder gefüttert werden. Im Vereinigten Königreich wurde es in den 80er-Jahren mit einem neuen Herstellungsverfahren produziert, in dem Tierüberreste mit gesenkter Temperatur wiederverwertet werden – darunter Gehirngewebe von Schafen und Rindern. Dieser Produktionsprozess konnte jedoch Scrapie- und BSE-Erreger nicht vollständig inaktiv machen. Und Untersuchungen zeigten, dass Rinder sich mit BSE infizieren können, wenn sie das kontaminierte Futter essen. Als Risikomaterial im Futter gilt vor allem der Schädel mit Hirn und Augen sowie das Rückenmark von über ein Jahr alten Rindern.
Bei den in Deutschland aufgetretenen BSE-Fällen, die erstmals im Jahr 2000 festgestellt wurden und von denen es bis zum bisher letzten Fall im Jahr 2017 415 Fälle gab, wird eine andere Ursache vermutet. So könnten die Erkrankungen laut BMEL auf Infektionen durch Milchaustauschfutter zurückzuführen sein, dem tierische Eiweiße oder Fett aus Tierkörperbeseitigungsanstalten zugemischt wurden. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass BSE vom Muttertier auf ihr Kalb übertragen werden kann. Doch auch die Übertragungswege sind noch nicht abschließend geklärt.
Wie viele Fälle von BSE gibt es bislang?
Der erste Fall der Erkrankung wurde zwar bereits 1984 entdeckt, jedoch dauerte es zwei Jahre, ehe BSE im Vereinigten Königreich 1986 erstmals beschrieben wurde. Bis zu den Mittneunzigern eskalierte die Krise, 90.000 Rinder waren bis 1993 an BSE verendet. Mehr als vier Millionen Rinder mussten notgeschlachtet, das damalige Herstellungsverfahren für Fleisch und Knochenmehl verboten werden, um die Epidemie einzudämmen. Seitdem ist die Zahl der Fälle kontinuierlich zurückgegangen, inzwischen gibt es weltweit jährlich nur noch verhältnismäßig wenige Fälle. Seit 1986 wurden insgesamt mehr als 190.000 Fälle weltweit verzeichnet.
Kann BSE auch auf Menschen übertragen werden?
Nur Rinder können an BSE erkranken. Jahrelang wurde deshalb angenommen, dass für den Menschen keine Gefahr beim Verzehr von Fleisch von BSE-Rindern oder beim Kontakt mit erkrankten Tieren besteht. Das änderte sich jedoch, als Forschende 1996 im Vereinigten Königreich erstmals eine Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) feststellten, die vorwiegend bei jüngeren Menschen auftritt. Auffällig war dabei, dass die bei Betroffenen festgestellten Prionen Ähnlichkeiten zu den Proteinen in BSE-Rindern aufwiesen.
Seitdem wird von einem Zusammenhang zwischen BSE und der Variante ausgegangen, zumal viele der Hunderten betroffenen Menschen kontaminiertes Fleisch aßen oder engen Kontakt mit erkrankten Tieren hatten. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass es sich bei BSE um eine Zoonose handelt, sprich: eine Krankheit, die zwischen Tier und Mensch hin und her wandern kann. Weltweit wurden nach Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI) insgesamt 219 Krankheitsfälle festgestellt, der Großteil davon im Vereinigten Königreich. In Frankreich wurden 25 Fälle gemeldet, in Deutschland ist bislang noch kein Mensch daran erkrankt.
Sind BSE und andere TSE heilbar?
Nein, Prionenerkrankungen können nicht behandelt werden. BSE und auch die variante Creutzfeldt-Jakob-Krankheit enden immer tödlich. Bislang gibt es nur die Möglichkeit, Übertragungen durch Schutzmaßnahmen zu verhindern. BSE-Risikomaterial wird laut BMEL bei der Schlachtung von Tieren entfernt und Wiederkäuer dürfen nicht mit Nahrung gefüttert werden, die verarbeitetes tierisches Protein beinhalten. Zudem wird in Deutschland jedes Risikotier per Schnelltest auf BSE getestet, sprich: Alle Verdachtsfälle sowie alle gestorbenen Tiere, die älter als zwei Jahre sind und wegen einer Verletzung notgeschlachtet werden mussten.
Da bekannt ist, dass Prionen etwa über kontaminierte chirurgische Instrumente oder bei Bluttransfusionen von Mensch zu Mensch übertragen werden können, gelten in Deutschland zum Beispiel beim Blutspenden bestimmte Kriterien: Menschen, die zwischen 1980 und 1996 mehr als sechs Monate lang im Vereinigten Königreich waren, dürfen nicht spenden. Denn auch wenn die Zeiten der Rinderwahnkrise vorbei sind, befürchten einige Fachleute aufgrund einiger Erkrankungsfälle, dass die Inkubationszeit der vCJK bei teils Dutzenden Jahren liegen könnte.
BSE-Fall in den Niederlanden: Ist das ein Grund zur Sorge?
Auch wenn Rinderwahn schon lange kein großes Thema mehr ist, kommt es weltweit jedes Jahr immer noch zu einigen BSE-Fällen. Angesichts der großen Krise samt der menschlichen vCJK-Todesfälle im Vereinigten Königreich bleibt die Angst vor einem erneuten größeren Ausbruch. Bislang ist das aber nicht eingetreten – weder bei BSE, noch bei der vCJK bei Menschen.
Trotzdem ist es wichtig, bei jedem neuen Fall schnell zu reagieren – und somit die Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden. Nachdem kürzlich eine Kuh in den Niederlanden positiv auf BSE getestet wurde, wurden alle Nachkommen des Rinds eingeschläfert und auch weitere Tiere gesucht, die möglicherweise dasselbe Futter bekamen.
Die niederländischen Behörden für Lebensmittelsicherheit gaben jedoch Entwarnung: Es bestehe keine Gefahr für Menschen. Tests an dem betroffenen Tier ergaben, dass es eine natürlich vorkommende Form der Krankheit namens atypische BSE hatte. Es litt also nicht an der klassischen Form von BSE, die durch kontaminiertes Futter ausgelöst wird.