Hauptversammlung der VW-Aktionäre

Anleger befürchten „Reputations- und Klagerisiko“: VW-Chef Blume kann die Aktionäre nicht begeistern

Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG und der Volkswagen AG, spricht bei der Vollversammlung der Volkswagen AG.

Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG und der Volkswagen AG, spricht bei der Vollversammlung der Volkswagen AG.

Im eigenen Haus verbreitet der neue VW-Chef Oliver Blume Aufbruchstimmung, bei den Aktionärinnen und Aktionären gelingt ihm das noch nicht. Die Hauptversammlung des Autokonzerns wurde nicht nur von Protesten von Klimaschützern und Menschenrechtlern begleitet. Auch Vertreter der großen Fondsgesellschaften und Aktionärsvereinigungen übten deutliche Kritik – vor allem an der Unternehmensführung, der sogenannten Corporate Governance.

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Schon zum Start prägten Proteste das Bild. Ein Dutzend Klimaschützer blockierten zwei Zufahrten zur Veranstaltungshalle am Berliner Messegelände. Im Saal wurde eine Torte auf den Großaktionär Wolfgang Porsche geworfen, das Motiv blieb allerdings unklar. Kurz davor war ihm zum 80. Geburtstag an diesem Tag gratuliert worden.

Tortenwurf bei VW-Hauptversammlung sollte Aufsichtsratschef Porsche treffen
10.05.2023, Berlin: Wolfgang Porsche, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Porsche Automobil Holding SE, sitzt auf dem Podium, an dem man einen Abdruck nach einem Tortenwurf sieht, bei der Vollversammlung der Volkswagen AG - Hauptversammlung 2023. Foto: Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In Berlin haben Demonstrierende Backwerk in Richtung eines VW-Managers geworfen, diesen aber verfehlt.

Das Thema Menschenrechte treibt auch Großanleger um

In der Versammlung protestierte eine Gruppe mit Rufen und Transparenten – und zum Teil nacktem Oberkörper – gegen das VW-Engagement in der chinesischen Provinz Xinjiang und „gegen uigurische Zwangsarbeit“. Dem chinesischen Staat wird die Unterdrückung der Uiguren in der Region vorgeworfen, VW hat dort zusammen mit dem chinesischen Partner Saic einen Betrieb mit rund 250 direkt Beschäftigten.

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VWs neuer China-Chef Ralf Brandstätter betonte, dass es im VW-Betrieb weder Zwangsarbeit noch Hinweise auf andere Menschenrechtsverletzungen gebe. Mehrere Aktionäre kritisierten jedoch, dass konkrete Fragen zu den Verhältnissen dort nicht beantwortet würden.

Das Thema treibt inzwischen auch die professionellen Anleger um. „Die Einhaltung von Menschenrechten ist nicht verhandelbar“, sagte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Invest und forderte ebenso wie Janne Werning vom Konkurrenten Union eine unabhängige Untersuchung der Verhältnisse in Xinjiang. Darauf ging der Vorstand in den Antworten nicht konkret ein. „Eine solche Transparenzoffensive macht sich auch auf dem Kapitalmarkt bezahlt, denn solange kein lückenloser Beweis erbracht ist, wird das Reputations- und Klagerisiko bleiben“, sagte Speich. Hendrik Schmidt von der zur Deutschen Bank gehörenden DWS verwies auf die Proteste im Saal und nahm sie als Beleg dafür, dass der Konzern mindestens seinen Ruf gefährde.

Aktionäre kritisieren VW-Chef Blume scharf

China ist VWs wichtigster Markt, der Konzern will dort nach jüngsten Rückschlägen wieder wachsen. „Der Volkswagen Konzern ist sich der veränderten geopolitischen Lage bewusst“, sagte Blume. Von einer öffentlich diskutierten Abkopplung von China hält er aber nichts. Es gehe lediglich um Streuung des Risikos, zum Beispiel durch Investitionen in Nordamerika.

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Kritik üben die Profi-Anleger auch an anderen Defiziten in der sogenannten Corporate Governance. VWs Verstöße gegen die Prinzipien guter Unternehmensführung belasteten inzwischen massiv den Aktienkurs, sagte Speich am Rande der Versammlung. „Es gibt einen sehr, sehr großen Governance-Abschlag.“

Die größte Last ist dabei nach Meinung der Aktionäre Blumes Doppelrolle an den Spitzen der beiden Dax-Konzerne Volkswagen und Porsche. „Ihre Vorstands-Doppelfunktion hat uns sprachlos gemacht“, sagte Speich zu Blume. Vorgänger Diess habe auch im Fulltime-Job „die enormen Herausforderungen nicht meistern können“. Zudem seien die Interessenkonflikte offensichtlich.

14.03.2023, Berlin: Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender (CEO) der Volkswagen AG, sitzt nach der Jahres Pressekonferenz, bei der die vollständigen Geschäftszahlen für 2022 des Autobauers vorgelegt wurden, für einen Fototermin in einem ID. BUZZ von VW. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Volkswagen-Chef Oliver Blume: der Mann für die VW-Seele

Oliver Blume ist der sechste Volkswagen-Chef in diesem Jahrtausend. Alle seine Vorgänger hat er bei der Arbeit erlebt. Sie standen für Erfolge und Skandale, für Aufbruch und Entfremdung. Sie machten den Konzern so groß, dass er irgendwann seine Mitte verlor. Der Neue muss jetzt alles neu machen und trotzdem ganz bei sich bleiben.

Blume: „Wir haben unser Haus sinnbildlich renoviert, saniert und umgebaut“

Kritisiert wurde auch die Wiederwahl des nun 80-jährigen Wolfgang Porsche in den Aufsichtsrat. „Sie täten sich selbst und uns den größten Gefallen, wenn Sie die nächste Generation mal ranlassen“, sagte Christian Strenger. Der langjährige Kämpfer für Aktionärsrechte ist noch bis Ende Mai 79 Jahre alt. Gegenstimmen haben in VW-Hauptversammlungen aber keine Chance: Die Familien Porsche und Piëch halten die Mehrheit der Stimmrechte.

Blume wies die Kritik an seiner Doppelrolle erneut zurück. Er sieht die Kombination seiner Jobs an der Konzernspitze und bei der Tochtermarke als Vorteil. So bleibe er nah am operativen Geschäft. Gut acht Monate, nachdem er Herbert Diess ersetzt hat, sieht Blume das Unternehmen wieder auf Kurs: „Wir haben unser Haus sinnbildlich renoviert, saniert und umgebaut.“ Bis zum Jahresende will er die großen Baustellen bereinigt haben.

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Blumes immer wieder angeführter Zehn-Punkte-Plan spielte in der Versammlung allerdings kaum eine Rolle. Die Richtung stimme zwar, sagte Deka-Manager Speich. Es sei aber zu früh für ein Urteil. Die großen Anleger blicken vor allem auf einen angekündigten Kapitalmarkttag im Juni, an dem der Konzern mehr zur künftigen Aufstellung sagen will.

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