Ex-Audi-Chef will nicht ins Gefängnis

Gefeilsche im Dieselskandalprozess: Rupert Stadler braucht noch Bedenkzeit für sein Geständnis

Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler steht vor Gericht und hat (noch) nicht gestanden.

Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler steht vor Gericht und hat (noch) nicht gestanden.

München. Ein Geständnis wollte der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler auch am 166. Tag des Münchner Betrugsprozesses um den VW-Dieselskandal nicht ablegen. „Noch nicht“, merkte Rechtsanwalt Thilo Pfordte an. Dann erklärte Richter Stefan Weickert vom Landgericht München, warum das so ist. Auch das jüngste Rechtsgespräch zwischen den Anwälten der noch drei Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht am Vortag hatte im Fall Stadlers keine Einigung gebracht und damit auch noch kein Geständnis Stadlers ausgelöst. Es ist Voraussetzung dafür, dass der 60-Jährige mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, die Weickert dann verhängen will. Zudem hält die Staatsanwaltschaft eine Geldauflage von 2 Millionen Euro für angemessen.

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Das Gericht würde sich mit 1,1 Millionen Euro begnügen, erklärte Weickert. Stadler ist auch das vorerst noch zu viel. Er will Bedenkzeit. Die gewährte das Gericht bis 3. Mai. Dann muss auch Stadler entschieden haben, ob er eine siebenstellige Summe zahlt und gesteht oder alternativ das Risiko eingeht, zu Gefängnis ohne Bewährung verurteilt zu werden. Wohin die Tendenz geht, ist offenkundig. Ins Gefängnis will Stadler nicht.

Das Gericht hält ihn für schuldig, den Verkauf von Audi-Dieselmodellen nicht unterbunden zu haben, obwohl er wusste, dass sie mit Betrugssoftware ausgestattet waren, die die Abgasreinigung auf der Straße abgeschaltet hat. Betrug durch Unterlassung, heißt das im Juristenjargon. Wie auch sein mittlerweile geständiger Ex-Managementkollege Wolfgang Hatz und der von Anfang an geständige Audi-Ingenieur Giovanni P. soll Stadler bei einem eigenen Geständnis mit eineinhalb bis zwei Jahren auf Bewährung davonkommen. Trotz recht unterschiedlicher Tatvorwürfe unterscheidet sich der Strafrahmen auf dieser Ebene nicht. Erst bei der finanziellen Bewährungsauflage will das Gericht differenzieren.

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Bemerkenswert ist dabei, wie es auf die 1,1 Millionen Euro für Stadler kommt. Zugrunde liegt eine Art mathematischer Dreisatz, der auf einen Vergleich von VW mit Stadler und Hatz aus dem Jahr 2021 zurückgeht. Wegen fahrlässiger Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Dieselthematik, wie VW den Abgasbetrug hartnäckig nennt, musste Stadler an VW 4,1 Millionen Euro Schadensersatz zahlen und Hatz 1,5 Millionen Euro. Darauf hatte man sich damals geeinigt.

Transparentes Gefeilsche um Strafen und Geständnisse

Stadler zahle in diesem Vergleich knapp das Dreifache der Hatz auferlegten Summe, rechnet Richter Weickert jetzt vor. Von Hatz verlangt er im seit zweieinhalb Jahren laufenden Münchner Betrugsprozess 400.000 Euro Geldauflage. Das knapp Dreifache dieses Betrags sind exakt die 1,1 Millionen Euro, die Stadler nun prozessbedingt berappen soll. Dazu kämen für ihn noch rund eine Million Euro Verfahrenskosten.

Im Geheimen um den Strafrahmen geschachert wird damit nicht. Vielmehr ist die Transparenz einzigartig. Richter Weickert ist es mit seiner Verhandlungsführung, die tief in technische Details von Motorsteuerungen und Abgasnachbehandlung eingedrungen ist, damit gelungen, erstmals die Mauer des Schweigens in der Managerriege des VW-Konzerns aufzubrechen, wenn auch auf Kosten sich abzeichnend milder Bewährungsstrafen.

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Vor dem jüngsten Geständnis von Hatz hatten bislang alle im Dieselskandal angeklagten oder beschuldigten Automanager ihre Unschuld beteuert. Der 64-Jährige hat gestanden, die Entwicklung der bei Audi erfundenen Betrugssoftware „veranlasst“ zu haben, obwohl damit Gesetze gebrochen wurden. Das Geständnis von Hatz setzt nun nicht nur Stadler zusätzlich unter Druck.

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Auch in Braunschweig wird gegen ehemalige VW-Topmanager wegen des Dieselbetrugs prozessiert. Ein Verfahren gegen den seinerzeitigen VW-Boss Martin Winterkorn steht noch aus. Auch die in Braunschweig schon oder eventuell demnächst auf der Anklagebank sitzenden Manager beteuern ihre Unschuld. Wenig glaubhaft ist aber, dass Hatz, der einmal für die Motorenentwicklung im gesamten VW-Konzern verantwortlich und auch Porsche-Vorstand war, der einzige Topmanager gewesen sein soll, der über die Betrugssoftware Bescheid wusste. Aus der Mauer des Schweigens könnten deshalb nun noch mehr Steine herausbrechen. Erster Kandidat dafür ist Stadler. Anfang Mai muss er Farbe bekennen.


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