Ex-Audi-Chef gesteht im Dieselskandal

Stadlers einmaliges Geständnis

Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des deutschen Automobilherstellers Audi.

Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des deutschen Automobilherstellers Audi.

München. Rupert Stadler brachte die Worte nicht selbst über die Lippen. Der Ex-Chef von Audi hat gestehen lassen. Wenige Minuten lang trug Anwältin Ulrike Thole-Groll am 168. Tag des Münchner Audi-Betrugsprozesses eine Erklärung vor, die ein Gerichtssprecher später ein voll­umfängliches Geständnis nennen sollte. Auch Richter Stefan Weickert und die Staats­anwaltschaft sahen es so. Für nicht juristisch Geschulte, war dabei nicht leicht zu erkennen, dass der 60‑Jährige gerade Betrug durch Unterlassung zugegeben hatte. „Ich habe die Vorwürfe insgesamt einzuräumen“, erklärte Ulrike Thole-Groll im Namen ihres ohne erkennbare Regung neben ihr sitzenden Mandanten. Der ließ auch noch mitteilen, dass er alles sehr bedauere, wobei Reue nicht gerade in sein Gesicht geschrieben stand.

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„Es war ein bemerkenswertes Geständnis“, meinte danach Gerichtssprecher Laurent Lafleur. Denn erstmals habe ein Angeklagter in der hohen Position eines ehemaligen Vorstandschefs eingeräumt, im Dieselskandal Unrecht getan und vorsätzlich gehandelt zu haben. Man musste allerdings viel juristisches Feingespür mitbringen, um das aus den Worten heraus­zuhören, die Stadler von seiner Strafverteidigerin verlesen ließ.

Ex-Audi-Chef Stadler legt Geständnis ab: Hätte „mehr an Sorgfalt“ gebraucht

Stadler hat im Betrugsprozess um manipulierte Abgaswerte bei Dieselautos ein Geständnis abgelegt und kann damit auf eine Bewährungsstrafe hoffen.

„Ich habe nicht gewusst, aber als möglich erkannt und es billigend in Kauf genommen, dass möglicherweise die Beschaffenheit von Dieselmotoren nicht rechtlichen Zulassungs­bedingungen entspricht“, ließ der 60-jährige erklären. Um Betrug durch Unterlassung zu gestehen, sei kein genaues Wissen nötig, es reiche das Vorhandensein einer Betrugssoftware für möglich zu halten, erläuterte Lafleur. Stadler wurde im Prozess vorgeworfen, den Verkauf Hunderttausender Dieselfahrzeuge mit Betrugssoftware als damaliger Audi-Chef nicht verhin­dert zu haben. Die hatte illegalerweise dafür gesorgt, dass Autos zwar auf dem Prüf­stand, nicht aber auf der Straße saubere Abgase ausgestoßen haben.

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Auch zum Vorwurf der Unterlassung äußerte sich Stadler sehr verklausuliert. Er habe feststellen müssen, unterlassen zu haben, dafür Sorge zu tragen, dass Käufer der Fahrzeuge über eine möglicherweise in ihnen verbaute Fehlfunktion informiert wurden, ließ er mitteilen. Mit der Materie vertraute Juristen haben indessen eine Erklärung für diese Art von Geständ­nis. Denn im jetzt zu Ende gehenden Strafprozess ist es für Stadler zwar Garant dafür, nicht ins Gefängnis zu müssen. Diese Zusage hatte er vorab von Richter Weickert erhalten. Bei einem allzu freimütigen Geständnis bestünde aber die Gefahr, dass dadurch Schadens­ersatzklagen begünstigt werden, merkt ein Verbraucheranwalt an. Die relativierenden Einschränkungen, die jetzt ins Geständnis eingeflochten wurden, erschweren das.

Zahlen muss Stadler dennoch im Rahmen seines Geständnisses. Neben eineinhalb bis zwei Jahren Bewährungsstrafe hat Richter Weickert bereits eine finanzielle Bewährungsauflage über 1,1 Millionen Euro angekündigt. Daneben hat der tief gefallenen Manager, der unter anderem seinen 60. Geburtstag auf der Anklagebank des seit über zweieinhalb Jahren währenden Prozesses verbracht hat, Prozesskosten im Umfang einer weiteren Million Euro zu tragen.

Gestehen, ohne Schadensersatzklagen zu provozieren

Vor ihm und in weitaus klareren Worten gestanden hatte bereits Managementkollege Wolfgang Hatz. Der 64‑jährige Mitangeklagte war einmal für die Motorenentwicklung im gesamten VW‑Konzern zuständig und auch Vorstand bei Porsche. Hatz hat gestanden, die Betrugssoftware „veranlasst“ zu haben. Ungeachtet der unterschiedlich schwer wiegenden und nun gestandenen Taten, kann auch Hatz auf eine Bewährungsstrafe zwischen eineinhalb und zwei Jahren nebst 400.000 Euro Geldauflage hoffen. Das hat Richter Weickert in Aussicht gestellt. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft dieser Absprache im Gegensatz zu der im Fall Stadlers nicht zugestimmt. Die Strafe für Hatz falle vergleichsweise zu gering aus, argumen­tieren die Ankläger.

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Der dritte Geständige im Bunde ist der ehemalige Abgastechniker Giovanni P. Er hatte bereits wie der als Kronzeuge dienende Ingenieur Henning L. als vierter Angeklagter seine Taten früh eingeräumt. Auch P. soll mit eineinhalb bis zwei Jahren Bewährung und 50.000 Euro Geld­auflage davonkommen. Henning L. muss noch 25.000 Euro zahlen. Die beiden Techniker hatten die Betrugssoftware bei Audi entwickelt. Sie wurde auch in Motoren der Konzern­marken VW und Porsche verbaut, weshalb die Ingolstädter VW‑Tochter Audi auch als eigentliche Keimzelle des Dieselabgasbetrugs gilt. VW hat er rund 30 Milliarden Euro an Strafen und anderen Zahlungen gekostet.

Gemessen daran und noch laufenden Schadensersatzklagen erscheinen die sich jetzt abzeichnenden Urteile des Landgerichts München milde. Andererseits hat Richter Weickert durch die Aussicht auf Bewährungsstrafen nun Geständnisse zweier Topmanager erhalten, die für weitere Prozesse im Dieselskandal noch wichtig werden könnten. Das Urteil wird nun für Ende Juni erwartet.

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