Wegen Streik zu spät dran? Diese Regeln gelten für Beschäftigte und Schulpflichtige
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Arbeitnehmende müssen trotz Bahnstreiks dafür sorgen, dass sie pünktlich zur Arbeit kommen.
© Quelle: imago images/Arnulf Hettrich
Berlin. Wenn Gewerkschaften zu Streiks im Verkehrssektor aufrufen, hat das auch Konsequenzen für andere Beschäftigte. Viele Menschen sind auf den Bus- und Bahnverkehr angewiesen, um zur Arbeit zu kommen – Streiks stellen gerade Pendlerinnen und Pendler vor Probleme. Welche Rechte haben sie in dieser besonderen Situation? Und gilt der Streik als Entschuldigung, wenn man es nicht pünktlich ins Büro schafft? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Darf man wegen des Bahnstreiks einfach zu Hause bleiben?
Nein, ohne Absprache geht das nicht. In vielen Berufen ist Homeoffice eine gute Alternative – durch die Corona-Zeit sind viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber da auch flexibler geworden. Es ist aber wichtig, rechtzeitig mit der Chefin oder dem Chef zu sprechen und sich eine Erlaubnis einzuholen. Wenn Homeoffice nicht möglich ist, können Arbeitnehmende an den Streiktagen eventuell kurzfristig Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen.
Darf der Arbeitgeber den Lohn kürzen, wenn man wegen des Bahnstreiks zu spät kommt?
Grundsätzlich gilt erst einmal: ohne Arbeit kein Lohn. Wenn Beschäftigte nicht arbeiten und nicht krankgemeldet oder im Urlaub sind, bekommen sie kein Geld. Das gilt ohne Ausnahme, egal ob den Arbeitnehmenden beim Zuspätkommen ein Verschulden trifft oder nicht. Es handelt sich bei einem Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund eines Streiks ebenso wie bei widrigen Witterungsverhältnissen wie Glatteis oder Schnee um ein sogenanntes Wegerisiko, das der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin zu tragen hat. Das heißt, es liegt in seiner oder ihrer Verantwortung, pünktlich zur Arbeit zu kommen.
Kann man die verpasste Arbeitszeit einfach nachholen und länger bleiben?
Auf das Nachholen der verpassten Arbeitsstunden haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch. Es sei denn, das ist in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder mit mündlichen Abmachungen so geregelt.
Kann der Arbeitgeber bei einer Verspätung mit einer Abmahnung drohen?
Hier kommt es, anders als bei der Kürzung des Lohns, auf die Frage des Verschuldens an. Sprich: Kann man dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin einen Vorwurf machen? Hat er oder sie beispielsweise den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin nicht informiert oder sich nicht ausreichend darum gekümmert, pünktlich zur Arbeit zu kommen? „Wenn ich nichts für die Verspätung kann, kann mir weder eine Abmahnung noch eine Kündigung ins Haus flattern“, sagt der Berliner Arbeitsrechtler Alexander Bredereck dazu. Er empfiehlt, den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin bei einer Verspätung unverzüglich zu informieren wie bei einer Erkrankung auch. Es reiche nicht aus, darauf zu verweisen, dass der Streik in der Zeitung angekündigt wurde.
Warnstreik legt Bahn- und Luftverkehr am Montag lahm
Mit den Aktionen erhöht Verdi den Druck für die am Montag beginnende dritte Verhandlungsrunde mit Bund und Kommunen.
© Quelle: dpa
Wann ist der Arbeitnehmer bei einem Bahnstreik schuld am Zuspätkommen und wann nicht?
Das kommt immer auf die jeweilige Situation an. Wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nichts von einem geplanten Streik mitbekommen hat, weil es der erste Streik nach einer langen Zeit ist, dann kann man ihr oder ihm dafür in der Regel keinen Vorwurf machen. Es ist etwas anderes, wenn man sich im Dauerstreik befindet und die Arbeitsniederlegung nicht überraschend stattfindet.
Generell sollte man sich so verhalten, dass einem nichts vorgeworfen werden kann. Das heißt, man muss zumutbare Anstrengungen unternehmen, um pünktlich ans Ziel zu gelangen, sich also beispielsweise früher auf den Arbeitsweg machen oder aufs Auto umsteigen. Aber auch hier gibt es Grenzen: Nicht zumutbar ist es, schon einen Tag vorher zur Arbeit zu fahren oder Kosten für eine Taxifahrt zu zahlen, deren Höhe in keinem Verhältnis zum Gehalt steht.
Bin ich verpflichtet, meine Kinder zur Schule zu bringen?
Bei Bus- und Bahnstreiks haben nicht nur Pendler und Pendlerinnen ein Problem. Viele Kinder sind ebenfalls auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, um zur Schule zu kommen. Einfach Zuhause bleiben können sie aber nicht, wenn Busse und Bahnen ausfallen. „Per se entschuldigt ein Streik im öffentlichen Nahverkehr erst einmal nichts – vor allem nicht, wenn es zumutbare Alternativen wie Fahrrad, alternative Verbindungen oder das Ausweichen auf Fahrgemeinschaften gibt“, sagt Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied Schule der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Ob ein Streik ein hinreichender Entschuldigungsgrund für das Wegbleiben oder Zuspätkommen zur Schule sei, hänge Bensinger-Stolze zufolge aber von der einzelnen Schule und den Gegebenheiten vor Ort ab. Viele Schulen stellen sich demnach nämlich bei angekündigten Verbindungsausfällen im Nahverkehr oft schon im Vorfeld auf die Situation ein und befreien die Schülerinnen und Schüler von der Präsenzpflicht. „Ein Automatismus ist das aber nicht“, sagt Bensinger-Stolze. Im Zweifelsfall kann es also durchaus sein, dass die Eltern ihre Kinder zur Schule bringen müssen, damit diese ihre Präsenzpflicht einhalten können.
Am 27. März gibt es in einigen Bundesländern Ausnahmen. Der geplante Großstreik im Verkehrssektor hat am Montag auch Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler in mehreren Bundesländern. Bayern, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern heben dafür die Präsenzpflicht für Schülerinnen und Schüler auf, die wegen ausfallender Busse und Bahnen nicht zur Schule kommen können, teilten die Kultusministerien mit. Die Schule muss in diesem Fall aber umgehend informiert werden. In Nordrhein-Westfalen und Berlin dagegen müssen die Kinder trotz Warnstreiks zur Schule. In Berlin dürfen die Kinder nicht zu Hause bleiben. In Niedersachsen und Bremen starten am Montag die Osterferien.
Wir haben diesen Text am 26. März aktualisiert.