Ford streicht Tausende Jobs: Wie der Konzern umgebaut werden soll
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Noch baut Ford in Köln den Kleinwagen Fiesta.
© Quelle: imago images/photothek
Der Ford-Konzern wird in Europa erneut Tausende Stellen streichen. Treffen wird das vor allem Entwicklungsabteilung und Verwaltung. „Wir haben Gegenwind im Markt“, sagte Deutschland-Chef Martin Sander. Mit dem Sparprogramm will sich Ford Luft schaffen für die Umstellung auf Elektromobilität.
Nach wochenlangen Gerüchten und Verhandlungen sei die Belegschaft trotzdem erleichtert, sagte der Betriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka: Betriebsbedingte Kündigungen sind an den Standorten Köln und Aachen bis 2032 ausgeschlossen.
Kölner Werk besonders betroffen
Die europäischen Ford-Werke haben schon einige Sparrunden hinter sich. Der größte Standort in Köln, dessen Grundstein 1930 gelegt wurde, ist auf knapp 15.000 Beschäftigte geschrumpft und wird in den nächsten knapp drei Jahren weitere gut 2000 einbüßen. Gleichzeitig werden dort aber 2 Milliarden Euro in den Bau von Elektrofahrzeugen investiert.
Zusammen mit Kürzungen im kleinen Entwicklungszentrum in Aachen geht es in Deutschland um 2300 Stellen – der Betriebsrat hatte zunächst mehr befürchtet. Weitere 1300 Jobs fallen im britischen Dunton weg, europaweit summiert sich das auf 3800 Arbeitsplätze. Außerdem hatte Ford bereits angekündigt, 2025 die Fabrik in Saarlouis aufzugeben, wo aktuell noch 4600 Beschäftigte den Ford Focus bauen. Man spreche über den Verkauf der Fabrik, sagte Sander. Zu den Interessenten gehört unter anderem der chinesische Hersteller BYD.
Mehrere chinesische Marken drängen derzeit auf den europäischen Markt, das ist eins von Fords Problemen. Von „wachsender Wettbewerbsintensität“ sprach Sander, ohne Namen zu nennen. Außerdem seien die Kosten gestiegen, die Nachfrage sei schwach, und für die neuen Elektroautos werde künftig weniger Personal gebraucht. „Auf diese Dinge müssen wir reagieren, wir müssen uns schlanker aufstellen.“ Kein Kunde zahle höhere Preise, weil Fords Fahrzeugentwicklung ineffizient sei.
Eine Entwicklung von Verbrennungsmotoren wird es in sehr absehbarer Zeit nicht mehr geben.
Martin Sander,
Ford-Deutschland-Chef
Die europäische Entwicklungsabteilung wird sich nach Angaben des Betriebsrats etwa halbieren. Die Sorge, dass künftige Modelle mehr den amerikanischen als den europäischen Geschmack treffen, hat man bei Ford nicht. Fast alle Funktionen in der Entwicklung blieben erhalten, sagte Gruschka, nur die Kapazität werde reduziert.
Das dürfte vor allem für die Motorenentwicklung gelten, die für den europäischen Markt besonders aufwendig ist. Mit dem Umstieg auf Elektroantrieb hat sich das erledigt. „Eine Entwicklung von Verbrennungsmotoren wird es in sehr absehbarer Zeit nicht mehr geben“, sagte Sander.
Verbrenner werden gestrichen
Der US-Konzern befindet sich weltweit im Totalumbau. Das Muster gleicht dem vieler Konkurrenten: Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge wird beschleunigt. In Köln soll das erste E‑Modell Ende 2023 vom Band rollen, 2030 sollen alle Neuwagen elektrifiziert sein. Bei den traditionellen Verbrennern werden wenig rentable Modelle gestrichen. So lief der letzte Mondeo im vergangenen Jahr vom Band, beim Fiesta ist es bald so weit. Gleichzeitig werden die Kosten gedrückt, um das Geld für den Umbau zu verdienen.
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Noch kommt die E‑Plattform von VW
Ford hat mit der Transformation relativ spät begonnen und sich zunächst auf Partnerschaften verlassen. Man beteiligte sich am Start-up Rivian, um mit dessen Hilfe Transporter zu elektrifizieren. Die technische Basis für elektrische Pkw wird bisher bei VW eingekauft, und auch beim autonomen Fahren arbeitete Ford zunächst mit den Wolfsburgern zusammen. Beide beteiligten sich an der Softwarefirma Argo AI.
Nun will der seit Herbst 2020 amtierende Konzernchef Jim Farley mehr selbst machen: Eine eigene Elektroplattform wird entwickelt – die Folgen für die VW-Kooperation sind noch offen. Die Rivian-Beteiligung wurde über die Börse verkauft und bei Argo AI der Geldhahn zugedreht. Die Folge waren Abschreibungen in Milliardenhöhe.
Das wiegt umso schwerer, als Ford im operativen Geschäft nur zwei echte Stärken dagegensetzen kann: In den USA fahren die schweren Pick-ups Milliardengewinne ein, und in Europa sind die leichten Nutzfahrzeuge inzwischen mit Abstand Marktführer. Die Nutzfahrzeuge sind in der Sparte Ford Pro zusammengefasst, „meinem Favoriten“, wie Farley einmal sagte: „Die nicht ganz so geheime Waffe von Ford.“ Das Geschäft stehe für Wachstum und Erträge.
Der Chef findet seinen Konzern dysfunktional
Das reichte im vergangenen Jahr aber nicht, um die Abschreibungen auf Rivian und Argo AI sowie Verluste in China auszugleichen. In Europa kam Ford nur knapp aus den roten Zahlen. Entsprechend fiel Farleys Bilanz Anfang Februar aus: Mit 2 Milliarden Dollar Verlust sei Ford weit unter seinen Möglichkeiten geblieben. „Wir müssen Kosten und Qualität erheblich verbessern“, sagte Farley. Manches im Konzern sei „dysfunktional“ und schwer zu ändern.
„Das ist keine Entschuldigung“, sagte Farley. „Aber es ist unsere Wirklichkeit, und wir müssen es dringend ändern.“ Er hat den Konzern in drei Sparten organisiert: Ford Blue ist für die Verbrenner zuständig und konzentriert sich auf SUVs und Pick-ups. Ford Model e verantwortet Elektroautos samt Software, und Ford Pro steht für die Nutzfahrzeuge.