Könnte Deutschland im Homeoffice Energie sparen – und wie viel würde das bringen?
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Kann durch Homeoffice Energie eingespart werden? Diese Frage ist unter Fachleuten umstritten.
© Quelle: Finn Winkler/dpa
Energiesparen dank Homeoffice – der Vorschlag einiger Ökonominnen und Ökonomen kursiert schon länger. Fachleute dämpfen allerdings die Hoffnung, wie jetzt Recherchen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) zeigen. Und die Deutsche Energieagentur (DENA) meint, dass es wichtigere Baustellen gibt: Ganze Bürotrakts runterzufahren würde demnach mehr Energie sparen als die gelegentliche Arbeit in den eigenen vier Wänden.
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„Ich halte es für sinnvoll, dass auch aufgrund von Energieeinsparungen das Homeoffice stärker genutzt wird“, sagte etwa Claudia Kemfert dem RND. Die Ökonomin und Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hofft auf deutliche Einspareffekte, bis zu 5 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland könnten ihr zufolge vermieden werden. Für eine einzelne Maßnahme ist das nicht wenig. Um gut durch den Winter zu kommen, liegt das Energiesparziel der Bundesregierung bei 20 Prozent.
Beim Heizen ist der Einspareffekt unklar
Allerdings ist das auf Gas gemünzt – und ausgerechnet bei diesem Energieträger ist der Einspareffekt weit weniger eindeutig: „Ganz sicher“ werde beim Homeoffice „fast immer“ Energie für die Mobilität eingespart, erklärte die Deutsche Energieagentur (Dena) auf Anfrage des RND. „Aber ob es auch zu einer Einsparung von Heizenergie kommt, ist nicht sicher, sondern hängt von vielen Faktoren ab“, so ein Sprecher weiter.
Mit Sicherheit gespart wird also Benzin, was dessen Preis wohl etwas drückt. Aber geheizt wird in Deutschland vor allem mit Gas – also dem Energieträger, der derzeit besonders knapp und teuer ist. Wie groß da die Ersparnis wäre, haben weder die Dena noch andere Fachleute in Deutschland im Detail durchgerechnet. Auf die Kilowattstunde genau ist deshalb unklar, um wie viel der gesamtdeutsche Gasverbrauch durch vermehrte Arbeit im Homeoffice sinken könnte.
Energie sparen im Homeoffice: Auf Dämmung und Auslastung kommt es an
Qualitative Einschätzungen haben Fachleute aber durchaus: Im Einzelfall komme es einerseits auf die Dämmung von Wohnraum und Büros an, andererseits auf die Zahl der Personen, die diese nutzen, heißt es etwa bei der Dena in einer ausdrücklich fachlichen Einordnung. „Je besser die Energieeffizienz des Homeoffice, desto energiesparender ist es“, lautet demnach ein Teil der Faustformel.
Der andere ist für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Politik pikanter: Diesen Faktor dürfe man nicht getrennt davon betrachten, dass im Einzelfall auch die „von der Person anteilig belegte beheizte Fläche am Arbeitsplatz“ eine Rolle spiele, so die Dena. Im Klartext: Je mehr Bürofläche für den einzelnen Beschäftigten beheizt wird, desto schlechter ist das für die Energieverbrauch. Und ist umgekehrt nur eine Person allein im Homeoffice, schont das die Gasspeicher ebenfalls eher nicht.
Arbeitet die Hälfte einer Bürobesetzung daheim, die andere Hälfte im voll beheizten Büro, erwartet auch Waldemar Marz keine großen gesamtgesellschaftlichen Einspareffekte. Der Ifo-Forscher bügelt Diskussionen zum Homeoffice gern gegen den Strich. Für Aufsehen sorgte im Sommer seine Studie, der zufolge Verkehrsdaten zeigen, dass Homeoffice das Klima nicht zwangsweise schont – weil gelegentliche Fahrten ins Büro von jenen, die dank Remote-Work die Stadtzentren verlassen haben, oft sehr viel CO₂-Emissionen verursachen.
Die Stilllegung von Büros wäre wirksamer
Auch bei der Frage, ob Homeoffice in der Energiekrise hilft, plädiert Marz für eine differenzierte Betrachtung: Weil Wohnungen viel Wärme speichern und spätestens nach Feierabend sowieso geheizt werden, wird ihm zufolge gesamtgesellschaftlich schon etwas Heizenergie, also oft Gas, gespart. „Aber es gibt gegenläufige Effekte“, betont er, mit ähnlichen Argumenten wie die Dena.
„Offensichtlich“ ist der Dena zufolge allerdings, dass bei komplett leeren Arbeitsplätzen in einem ganzen Bereich oder gar Gebäude die Beheizung besonders stark heruntergefahren werden kann. „Nur dann“ könne es „mit Wahrscheinlichkeit eine Einsparung in der Gesamtbetrachtung von Arbeitsstätte und Homeoffice geben“, erklärte die Behörde.
Aus der Perspektive ist für Gaseinsparungen also zweitrangig, ob zu Hause gearbeitet wird. Aber wenn ganze Gebäudeflügel, Etagen oder Trakte weitgehend unbeheizt bleiben sollen, kann es zielführend sein, die Belegschaft teilweise ins Homeoffice zu schicken – sofern nicht in den Büros zusammengerückt wird. Das dürfte in diesem Winter dadurch erschwert werden, dass die neue Arbeitsschutzverordnung wegen der Pandemie erneut 1,5 Meter Mindestabstand am Arbeitsplatz vorsieht.
Gasumlage wird offenbar wie geplant durchgeführt
Nach der beschlossenen Verstaatlichung des Importeurs Uniper wird die Gasumlage zum Streitfall innerhalb der Bundesregierung.
© Quelle: Reuters
Bislang keine Pflicht zum Homeoffice
Doch nach Hause geschickt werden können Beschäftigte derzeit ohnehin nicht: Rechtslage ist auch entlang der jüngst aktualisierten Arbeitsschutzverordnung, dass die Arbeit in den eigenen vier Wänden nicht vorgeschrieben ist. Erzwungen werden kann sie weder von Arbeitgebern noch von Arbeitnehmern – obgleich sie immer noch deutlich verbreiteter als vor der Pandemie ist, wie gerade erst das Ifo-Institut bestätigte.
Ob das bisher geltende Freiwilligkeitsprinzip für Energieeinsparungen ausreicht, bezweifelt Kemfert: „Einheitliche Regelungen und Vorgaben wären sinnvoll, damit Sparpotenziale genutzt werden können“, sagte die Klimaökonomin dem RND. Wichtig seien eindeutige, auch arbeitsrechtliche Vorgaben – nicht zuletzt zur Frage, wer mögliche Mehrkosten von im Homeoffice arbeitenden Menschen trägt, wie Kemfert betonte.
Allerdings sind strikte Vorgaben der Politik derzeit politisch kaum machbar: Als das Arbeitsministerium wegen der Pandemie jüngst eine erneute Homeofficepflicht vorschlug, gingen sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften auf die Barrikaden – prompt ruderte die Bundesregierung zurück.
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