Dienstwagen und ihr Privileg: die stille Macht am Automarkt
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Dienstfahrzeuge von Politikern stehen im Regierungsviertel in einer Reihe.
© Quelle: picture alliance / Gregor Fische
Wenn es an die Firmenwagen geht, wird es für die Autoindustrie ernst. Mehr als ein Drittel aller neuen Autos in Deutschland sind nach Angaben des Branchenverbands VDA Firmenwagen – insgesamt rund 980.000 Fahrzeuge im Jahr 2021. „Wegen der starken Autoindustrie haben sie hier eine größere Bedeutung als in anderen Ländern“, sagte Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Duisburger Center Automotive Research (CAR), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Die aktuelle Diskussion um die Dienstwagenbesteuerung sieht er deshalb mit gemischten Gefühlen: „Firmenwagen und Dienstwagen sind von hoher Bedeutung für unsere Volkswirtschaft“, sagt Dudenhöffer und spricht von einer „Neiddebatte“.
Luxuskarossen als Firmenwagen versprechen hohe Gewinne
Tatsächlich reicht das Spektrum der Firmenautos vom Kleinwagen im Pflegedienst bis zur Luxuskarosse für das Topmanagement. Die erste Kategorie bringt den Herstellern hohe und vor allem stabile Stückzahlen. Die anderen versprechen hohe Gewinne – denn dort sind die Dienstwagenfahrer unterwegs.
„User-Chooser“ nennt man sie in der Branche, der englische Begriff meint „Nutzer und Auswählende“ in einer Person. Viele von ihnen achten akribisch darauf, ihr Firmenbudget auszuschöpfen – und geben in der Regel mehr aus, als sie es privat täten. Die deutschen Premiummarken haben sich darauf eingestellt wie niemand sonst. Nach VDA-Angaben haben deutsche Hersteller bei Dienstwagen einen Marktanteil von 82 Prozent, während er im Gesamtmarkt bei 68 Prozent liege. Modelle wie Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse gehen zu weit mehr als der Hälfte an Firmen. Dudenhöffer verweist darauf, dass gerade diese Autos – im Gegensatz zu günstigeren Alternativen – in Deutschland gebaut würden.
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Spritpreise im Zeitverlauf: Was hat der Tankrabatt gebracht – und wo war Tanken am günstigsten?
Nach wochenlangen Preisrückgängen sind Diesel, E10 und Super seit Mitte August wieder stetig teurer geworden. Der Preissprung zum Ende des Tankrabatts kommt nun noch obendrauf. Insbesondere der Dieselpreis geht durch die Decke.
Was passiert mit der pauschalen Besteuerung von Dienstwagen?
Möglich macht es die pauschale Besteuerung von Dienstwagen: Ein Prozent des Listenpreises muss monatlich als geldwerter Vorteil versteuert werden, wenn man das Auto auch privat nutzen darf – egal, wie viel man tatsächlich damit fährt. Für E-Autos und Hybride ist es ein halbes Prozent. Damit fährt man oft nicht einmal günstiger als im Privatwagen, aber viele Arbeitgeber zahlen außerdem den Sprit. Und das Prestige lockt. So ist die Preisklasse von 40.000 bis 60.000 Euro, die sich privat nur wenige leisten, auf deutschen Straßen stark vertreten.
Damit verbunden ist allerdings auch eine stärkere Motorisierung. Mehr als 160 PS hat der durchschnittliche Neuwagen aktuell unter der Haube. Was das mit Dienstwagen zu tun hat, zeigt das Jahr 2009: In der Finanzkrise herrschte Rezession, die Firmen verschoben ihre Käufe, aber Privatleute bekamen die Abwrackprämie und gingen zum Händler. Für ein paar Monate verschoben sich die Gewichte von den Dienst- zu den Privatwagen – und die durchschnittliche Motorleistung der Neuwagen rutschte auf 118 PS. Im Jahr darauf lag sie wieder bei gut 130 PS.
Umweltschützerinnen und Umweltschützer fordern die Abschaffung des Privilegs
So fordern Umweltschützerinnen und -schützer seit Jahren die Abschaffung des sogenannten Dienstwagenprivilegs bei der Steuer. Finanzminister Christian Lindner hält den Begriff für „linkes Framing“, also einen verfälschenden Kampfbegriff. Die Pauschalbesteuerung sei vor allem eine Vereinfachung. Das Umweltbundesamt hat dagegen für das Jahr 2018 eine Subventionierung von 3,1 Milliarden Euro ausgerechnet.
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Dudenhöffer sieht Reformmöglichkeiten, warnt aber vor einem Kahlschlag: „Wir würden den Autobauern und ihren Beschäftigten wehtun.“ Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sieht zudem einen sozialen Aspekt: „Zum Beispiel, wenn ambulante Pflegedienste ihren Mitarbeitern ermöglichen, Dienstwagen – in der Regel Kleinwagen – auch privat zu nutzen.“ Für diese Pflegekräfte besonders im ländlichen Raum sei der Dienstwagen eine große Entlastung, sagte der CDU-Politiker dem „Spiegel“.
Der VDA argumentiert auch mit der Technik. „Dienstwagen sind ein ganz wichtiger Treiber, um moderne, sichere und saubere Autos auf den Straßen zu haben“, sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller dem RND. Das sei gerade für die Umstellung auf Elektromobilität entscheidend.
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