Neues Hilfspaket aus Brüssel

40 Milliarden statt Preisdeckel: Wie die EU die Energiepreise bändigen will

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf einer Pressekonferenz im Europäischen Parlament, bei der sie neue Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Energiepreise vorstellt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf einer Pressekonferenz im Europäischen Parlament, bei der sie neue Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Energiepreise vorstellt.

Frankfurt am Main. Die EU‑Kommission plant ein umfängliches Hilfspaket, um die Folgen der Energiekrise einzudämmen. Die von zahlreichen Regierungen geforderte strikte Preisobergrenze für Erdgas im Großhandel gehört aber nicht dazu.

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Der Maßnahmenkatalog wurde am Dienstag vorgestellt. Als eine Art Trostpflaster soll ein „dynamischer Maximalpreis“ zeitweise möglich sein – allerdings nur als „letztes Mittel“. Er dürfe aber die Versorgungs­sicherheit und das Funktionieren des Gasmarktes nicht beeinträchtigen sowie den Gaspreis nicht in die Höhe treiben.

Günstige Konditionen durch gemeinsamen Einkauf

Eine Gruppe von 15 Staaten hatte die Obergrenze gefordert. Deutschland, die Niederlande und andere Regierungen haben davor gewarnt, da dies neue Verwerfungen am Gasmarkt auslösen könnte. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union werden die Vorschläge auf ihrem Gipfeltreffen am 20. und 21. Oktober beraten.

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Zu den Vorschlägen, die weniger umstritten sind, gehört, dass die Kommission ein Werkzeug einführen will, das den gemeinsamen Einkauf von Erdgas ermöglichen soll. Energieunternehmen sollen mindestens 15 Prozent der Einkäufe für Gas, das zum Speichern bestimmt ist, bündeln. Damit die EU‑Staaten sich nicht mehr – wie zuletzt geschehen – bei der Beschaffung gegenseitig überbieten, sondern ihre Marktmacht bündeln und günstige Preise aushandeln. Auch sollen Solidaritäts­abkommen unter den Ländern weiter gefördert werden. Dabei geht es darum, wechselseitige Hilfen bei der Gasversorgung zu vereinbaren.

Ferner hat die Kommission angekündigt, dass den 27 Staaten bis zu 40 Milliarden Euro bereitgestellt werden, um Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen mit Direkt­zahlungen zu unterstützen. Dafür soll der Kohäsionsfonds der Union angezapft werden. Eigentlich ist dieser Geldtopf für regionale Entwicklung und Investitionen in die Verkehrs­infra­struktur gedacht. Elisa Ferreira, EU‑Kommissarin für Kohäsion und Reformen, sagte, der Fonds sei kein Krisen­reaktions­instrument. Aber man könne nicht ignorieren, wie stark Familien, kleine und mittlere Unternehmen von den massiv gestiegenen Energiepreisen betroffen seien.

Von der Leyen offen für Gaspreisdeckel

An diesem Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU‑Staaten in Prag beraten, um die Gaspreise wieder auf ein erträgliches Niveau zu bringen.

Vorbild Spanien?

Die Mitgliedsstaaten selbst haben bereits beschlossen, insgesamt mehr als 500 Milliarden Euro an Hilfen bereitzustellen. Der größte Batzen mit 200 Milliarden entfällt auf den geplanten „Abwehrschirm“ der Bundesregierung, dessen wichtigstes Instrument eine Gaspreis­bremse sein soll – mit Einmal­zahlungen und subventionierten Kontingenten.

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Um einen Deckel für den Großhandelspreis wird seit Wochen gerungen. Favorisiert war die Übernahme der von Spanien und Portugal bereits umgesetzten Obergrenzen für Gas in der Stromproduktion. De facto handelt es sich dabei aber um eine Subventionierung von elektrischer Energie, die mittels des leicht flüchtigen Brennstoffs erzeugt wird. Der Effekt: Die Strompreise sind gesunken, aber der Gasverbrauch ist zugleich gestiegen. Viele Fachleute haben darauf hingewiesen, dass der Mechanismus auf der iberischen Halbinsel funktioniere, weil die dortigen Energiemärkte weitgehend abgeschottet sind. Eine Übertragung auf die gesamte EU könne im Winter zu massiven Engpässen beim Erdgas führen.

Das Paket umfasst weitere Maßnahmen, um hohe Preise durch neue Regeln zu bändigen: Handelsplätze müssten jeden Tag Ober- und Untergrenzen für Termin­geschäfte festlegen, um die Schwankungen zu begrenzen. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, sagte, die Staats- und Regierungs­chefs würden eine Reihe von möglichen Preis­beschränkungen erörtern. „Ich erwarte auch, dass wir uns mit anderen kurz- und langfristigen Markt­interventionen befassen, wie beispiels­weise einem EU‑Rahmen zur Begrenzung des Gaspreises für die Strom­erzeugung“, heißt es im Einladungs­schreiben zum Gipfel.

Regierungen haben die Preise in die Höhe getrieben

Hintergrund der Debatte sind die massiven Preissprünge an den Energiebörsen. Die für den europäischen Großhandel maßgebliche Notierung (Dutch TTF) war Ende August auf den Rekordwert von fast 350 Euro pro Mega­watt­stunde gestiegen. Was fast einer Verzehn­fachung im Vergleich zum Vorjahr entsprach. Inzwischen ist der Kurs aber deutlich nach unten gegangen. Am Mittwoch wurde der Kontrakt zur Lieferung im November mit knapp 114 Euro gehandelt.

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Experten gehen davon aus, dass die massiven Preissprünge auch mit panikartigen Käufen von Gas zum Einspeichern für den Winter zu tun haben. In der Folge wurden die Reserven schneller aufgefüllt, als es die Regierungen erwartet hatten. Hierzulande sind es mittlerweile mehr als 96 Prozent – die Marke von 95 Prozent sollte erst Anfang November erreicht werden.

Die Kommission schlägt indes eine neue Benchmark vor, da Dutch TTF sehr stark an dem preiswerten Pipelinegas aus Russland orientiert war. Da die Lieferungen mittlerweile fast komplett eingestellt wurden, will Brüssel eine neue Referenznotierung schaffen, die sich an den Preisen für verflüssigtes Erdgas (LNG) orientiert. LNG ist teurer und wird in den nächsten Jahren die Gasversorgung dominieren. Dutch TTF ist ein virtueller Handelsplatz in den Niederlanden. Er war von der EU einst eingeführt worden, um die Geschäfte mit Erdgas innerhalb der Union zu forcieren.

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