Pro und Kontra zum Restart der Bundesliga: Volltreffer oder Chance verspielt?
Nun ist es amtlich: Die Bundesliga soll wieder starten, auch für Liga 2 wurden der Restart beschlossen. Nach der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Donnerstag stand fest: Der Termin, auf den viele Fußballfans gewartet haben, ist der 16. Mai.
Unter die Freude auf sportliche Unterhaltung am Wochenende mischt sich auch Skepsis. Ist es wirklich richtig, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen, während Wissenschaft und Politik mahnen, Deutschland befinde sich noch mitten in der Pandemie? Sollten Profisportler wirklich schon in den direkten Zweikampf gehen, während Menschen auf der Straße noch 1,5 Meter Abstand halten sollen?
Bundesliga-Restart, pro oder kontra? Die Fans sind gespalten, auch bei uns in der Redaktion. Lesen Sie hier unsere Debattenbeitrag.
Pro: Bundesliga-Fortsetzung? Ja, was denn sonst
Von Fabian Wenck
Die Sache ist beschlossen, die Bundesliga kehrt Mitte Mai zurück. Es ist eine richtige Entscheidung, eine Entscheidung für das Volk. Fußball ist generationen- und schichtübergreifend. Fußball ist DAS alternative Gesprächsthema. Fußball ist Freizeit, ein bisschen Ersatzurlaub daheim – und Wirtschaftstreiber. Sogar die Gastronomen profitieren: An Bundesligaspieltagen haben Lieferservices Hochbetrieb. Sicher, Fußball ohne Fans, das kann nur eine Notlösung sein. Doch die Geisterspiele sind ein letztes Mittel, das nun leider nötig ist – auch, um Insolvenzen von Traditionsklubs wie Schalke 04 zu vermeiden. Das würde die Stimmung in der Gesellschaft weit über die Corona-Monate hinaus trüben. Manch einem sogar einen Teil seiner Identität rauben.
Echte Fans schauen ihrem Verein lieber im Fernsehen zu, als nie wieder ein Spiel in einer der oberen Klassen mit ihm erleben zu können. Der Restart der Bundesliga vor leeren Rängen ist darüber hinaus mit Blick auf die Pandemiebekämpfung ein geringes Risiko. Auch der Aufwand ist vertretbar. Die für die gesamte Bundesliga-Restsaison eingeplanten 25.000 Corona-Tests klingen zunächst viel. Doch allein in der letzten vollen Aprilwoche wurden deutschlandweit fast 350.000 Personen getestet. Sollte die Testmenge stabil bleiben, werden – während der Bundesligabetrieb läuft – knapp 1,5 Millionen Tests durchgeführt. Der Anteil für die Profifußballer ist da verschwindend gering.
Weit mehr als 20 Millionen Menschen sind in Deutschland fußballinteressiert, knapp ein Viertel der Bevölkerung. Sie kriegen jetzt die Freude an ihrem Sport zurück. Kanzleramtsminister Helge Braun sagte im Deutschlandfunk ganz richtig: Es gehe nun darum, einen Umgang mit der Pandemie zu finden, der sich über ein Jahr lang durchhalten lässt. Diese “neue Normalität” muss auch “Brot und Spiele” enthalten. Der Fußball wird sich eine Zeit lang ändern müssen, aber er muss nicht sterben.
Contra: Die Bundesliga verspielt eine große Chance
Von Jörg Kallmeyer
In den düstersten Stunden dieser Krise gab es eine ganz besondere Hoffnung: Die Welt nach Corona könnte besser werden, als sie zuvor war. Mit mehr Menschlichkeit. Mit Maßhalten in allen Dingen und mit einer Wirtschaft, die weniger von Gier und Wachstum um jeden Preis getrieben ist. Ausgerechnet die Fußballbundesliga, die doch eigentlich so viel mit Hoffen und Bangen zu tun hat, zerstört diese Perspektive nun mit aller Macht: Es geht nicht nur weiter wie zuvor – im Wirtschaftsbetrieb Profifußball kommt es jetzt noch schlimmer: Der Ball muss Mitte Mai wieder rollen, damit versprochene TV-Gelder fließen. Und nur deshalb. Die Fans? Sie bleiben draußen. Emotionen im Stadion, Jubel? Fehlanzeige.
Ja, beim Profifußball geht es um viel Geld. Aber darf es nur noch ums Geld gehen? Eine Krise gab es schon lange vor Corona. Wie lange sollte es noch gut gehen mit Spielergehältern in astronomischen Höhen, mit einem Transfermarkt ohne Limits und mit Vereinen, die am Tropf von TV-Sendern oder Investoren ohne Interesse am Sport hängen? Das System stand längst vor dem Kollaps. Corona wäre die Chance für einen Neuanfang gewesen. Für ein Runterfahren, für einen Schrumpfkurs bei Gehältern und Etats – und für eine Rückbesinnung auf das, was im Fußball wirklich zählt. Abpfiff der Saison, also Neustart im Herbst mit neuen Trikots und neuem Selbstbewusstsein. Die Verluste für den Wirtschaftsbetrieb Bundesliga wären gewaltig gewesen, doch der Imagegewinn für die Vereine hätte das aufgewogen.
Die Deutsche Fußball-Liga hat sich in jüngster Zeit viel Mühe gegeben, die Kontakte zu den Fans wieder aufzubauen, die sich vom Kommerz abgeschreckt fühlen. Das kann man sich in Zukunft sparen. Geisterspiele sind das deutlichste Signal, das man den Fans schicken kann: Auf euch kommt es sowieso nicht an.