Klimaschutz im Flugverkehr: CO₂-neutrales Fliegen ist nicht gleich klimafreundlich

Die Silhouette der Boeing B737. Ist CO₂-neutrales Fliegen trotzdem umweltschädlich? (Symbolbild)

Die Silhouette der Boeing B737. Ist CO₂-neutrales Fliegen trotzdem umweltschädlich? (Symbolbild)

Viele Airlines haben es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 CO₂-neutral zu fliegen. Doch Forschende der Birmingham University kritisieren, dass CO₂-neutral nicht gleichbedeutend mit klimafreundlich ist. Sie befassten sich mit der Schadstoffbilanz der Luftfahrt und kamen zu dem Ergebnis, dass der Lufttransport dennoch weiterhin Emissionen verursacht, sogenannte Nicht-CO₂-Emissionen.

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Dabei drehen sich die Nachhaltigkeitsziele der Fluggesellschaften vorrangig um CO₂, viele Airlines wollen etappenweise CO₂-neutral werden. Oneworld-Airlines, ein Zusammenschluss aus 13 Fluggesellschaften, plant beispielsweise, bis 2030 etwa 50 Prozent weniger Emissionen als noch im Jahr 2005 zu produzieren. Und auch die Lufthansa Group möchte die Netto-CO₂-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 halbieren. Ab dem Jahr 2050 wollen alle dann komplett CO₂-neutral fliegen.

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So möchte die Lufthansa Group schrittweise CO₂-neutral werden

Zur Reduktion von CO₂-Emissionen setze Lufthansa derzeit verstärkt auf die kontinuierliche Flottenmodernisierung, da neue Flugzeuge im Vergleich zu älteren Modellen deutlich sparsamer sind. „Die krisenbedingte Kapazitätsanpassung hat das Ausflotten älterer Flugzeuge mit niedrigerer Treibstoffeffizienz bei der Lufthansa Group beschleunigt“, erklärt die Lufthansa auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). „Gleichzeitig investieren wir weiter in die Modernisierung der Konzernflotte.“ Dabei würden hochwirtschaftliche und besonders treibstoffeffiziente Flugzeuge perspektivisch weitere ältere Flugzeugtypen auf der Kurz-, Mittel- und Langstrecke ersetzen.

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Darüber hinaus engagiere sich die Lufthansa Group in zahlreichen Projekten, um die Marktentwicklung sowie auch neue Technologien zur Herstellung von nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels, SAF) voranzutreiben. Diese seien essenziell für Dekarbonisierung der Luftfahrt. Im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen reduziere heutiges SAF die CO₂-Emissionen um bis zu 80 Prozent. „Besonders vielversprechend sind jene zur Herstellung von strombasierten Kraftstoffen (Power-to-Liquid, PtL)“, so ein Sprecher der Airline. „Dabei soll aus regenerativ erzeugtem Strom, Wasser und CO₂ ein synthetisches Rohöl entstehen, das zu nachhaltigem Kerosin verarbeitet und in jedem Flugzeug zum Einsatz kommen könnte.“

Forschende aus England kritisieren: Auch Nicht-CO₂-Emissionen müssen reduziert werden

Doch das sei laut den Forschenden aus England nicht genug: „Technische Verbesserungen an Triebwerken, Flugzeugzellen und Betriebsabläufen werden nicht ausreichen, um die Auswirkungen der Luftfahrt auf den Klimawandel ausreichend zu reduzieren. Wir müssen alle Eindämmungsoptionen parallel prüfen – einschließlich des verstärkten Einsatzes nachhaltiger Kraftstoffe und marktbasierter Maßnahmen, um die Auswirkungen des Luftverkehrs auf die Umwelt zu begrenzen“, so der Co-Autor der Studie, Simon Blakey. „Bei der Bilanzierung nachhaltiger Kraftstoffe müssen außerdem die Auswirkungen der Nicht-CO₂-Emissionen bei der Nutzung sowie der CO₂-Emissionen bei der Kraftstoffherstellung berücksichtigt werden.“ Denn unzählige Nicht-CO₂-Emissionen wie beispielsweise Partikel, die auch bei nachhaltigem Kraftstoff ausgestoßen werden, würden weiterhin zu einem erhöhten Erwärmungseffekt beitragen.

Es sei zwar richtig, dass es neben dem CO₂ auch andere Nicht-CO₂-Emissionen gibt, die auch einen Beitrag zum anthropogenen Klimaeffekt des Luftverkehrs ausmachen. Doch diese haben einen wesentlichen Unterschied zum CO₂ – und zwar deren Lebensdauer, sagt Markus Rapp gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er ist Direktor des Instituts für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und forscht an Nicht-CO₂-Emissionen.

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Was sind Nicht-CO₂-Emissionen? Und warum schaden sie der Umwelt?

So habe CO₂ eine Lebensdauer von mehreren Hundert bis sogar Tausend Jahren, während die Nicht-CO₂-Emissionen extrem kurzlebig seien. Sie hielten sich in der Atmosphäre einen halben Tag oder maximal eine Woche lang. „Damit sind sie grundsätzlich anders zu behandeln“, so Rapp. „Sobald wir sie also reduzieren, ist auch ihre Wirkung sofort weg.“ Daher würde sich die Luftfahrt derzeit Vorrangig auf die Reduktion des CO2 konzentrieren.

Doch was sind überhaupt Nicht-CO2-Emissionen und warum sind sie umweltschädlich? Die meisten Nicht-CO2-Emissionen beim Fliegen sind laut Rapp Stickoxide (NOx), Wasserdampf, Rußpartikel und Kondensstreifen, die sich aus Wasserdampf und Ruß bilden können. Stickoxide entstehen immer bei einem Verbrennungsprozess. Sie führen in der Troposphäre, also in dem unteren Teil der Atmosphäre, wo das Wetter stattfindet, zu einer Bildung von Ozon einerseits und andererseits zu einer Vernichtung von Methan, erklärt Rapp. „Sowohl Ozon als auch Methan sind Treibhausgase, die zur Erderwärmung relativ stark beitragen“, sagt er. „Aber am Ende des Tages zählt der Nettoeffekt aus beiden Effekten. Der ist nicht so groß, aber dennoch positiv, trägt also zur Erwärmung bei. Das heißt, der Ozoneffekt überwiegt die Vernichtung von Methan.“ Außerdem sei es mittlerweile möglich, die Triebwerke so zu optimieren, dass eine NOx-Reduktion erreicht werden kann.

Ein weiteres emittiertes Gas ist Wasserdampf. Es ist das stärkste natürliche Treibhausgas in der Erdatmosphäre – also viel stärker als CO₂. Die Reihenfolge ist: 1. Wasserdampf, 2. Wolken, 3. CO₂ und 4. Methan, erklärt Rapp. Dadurch, dass Wasserdampf mit vergleichsweise großer Konzentration in der Atmosphäre vorkommt, seien die Emissionen und damit die direkte Wirkung des Wasserdampfs aus dem Luftverkehr relativ klein. Am Ruß, der beim Fliegen ausgestoßen wird, könne sich jedoch der Wasserdampf in Form von Tröpfchen anlagern. Daraus können kleine Eiskristalle entstehen, die dann als Kondensstreifen am Himmel zu sehen sind. „Je nachdem, wie kalt es in der Atmosphäre ist, sind diese Kondensstreifen sehr langlebig. Dadurch können sie in Gebieten, wo viel geflogen wird, zu sehr großen Flächen – bis zu Tausende von Kilometer – von Eiswolken werden, die letztlich einen großen klimaerwärmenden Effekt haben“, sagt der Experte.

Kondensstreifen können zu riesigen Eiswolken werden.

Kondensstreifen können zu riesigen Eiswolken werden.

Nicht-CO₂-Emissionen können mit gezielten Maßnahmen kurzfristig verringert werden

Forschungsergebnisse hätten bestätigt, dass der Effekt der Kondensstreifen und Kondensstreifen-Zirren auf das Klima fast doppelt so groß ist wie der der CO₂-Emissionen des Luftverkehrs. Dabei landet das CO₂ auf dem zweiten Platz und die Stickoxide landen auf dem dritten. Somit sind bei der gesamten Klimawirkung des Luftverkehrs „etwa zwei Drittel nicht CO₂-Effekte und ein Drittel macht das CO₂ aus.“ Doch aufgrund der Kurzlebigkeit von Nicht-CO₂-Emissionen seien sie schnell aus der Atmosphäre heraus und böten daher die Möglichkeit, deren Klimawirkung durch gezielte Maßnahmen auch kurzfristig zu verringern.

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Daher arbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an Möglichkeiten, diese Nicht-CO₂-Emissionen zu reduzieren. Besonders alternative Treibstoffe seien in diesem Zusammenhang sehr interessant. Flugversuche mit einem kommerziellen Großraumflugzeug, das mit 100 Prozent nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF) betankt war, gab es bereits in diesem Jahr. Dabei wurden die Emissionen vermessen. „Es zeigte sich, dass, wenn man die richtigen Treibstoffe nimmt, die Rußproduktion sehr stark verringert werden kann und damit auch die Bildung der Kondensstreifen samt deren Klimawirkung.“

DLR: Nachhaltiger Kraftstoff erzeugt kaum Emissionen

Das heißt, durch Einsatz des richtigen Treibstoffs, der entweder auf Biomasse basiert oder synthetisch hergestellt wurde, können Rußemissionen und Kondensstreifen signifikant reduziert werden. Diese Treibstoffe sind zudem CO₂ neutral. Da man bei einem Treibstoff aus Biomasse aber darauf achten müsse, dass die Produktion nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion gehe, würde parallel dazu auch das Synthetisieren von Treibstoffen untersucht. „Dabei sind PTL-Verfahren (Power-to-Liquid) besonders interessant“, sagt Rapp. „Da wird aus regenerativ erzeugtem Strom, Wasser und CO₂ Kraftstoff synthetisiert. Das benötigte CO₂ wird aus der Atmosphäre entnommen, wodurch es ebenfalls neutral ist.“ Deshalb würde die Forschung an diesen nachhaltigen Flugkraftstoffen auch von der Bundesregierung gefördert – ebenso wie durch die EU.

Schlussfolgernd scheint mit diesen Methoden eine Reduzierung der Nicht-CO₂-Emissionen gar nicht so schwer zu sein, so Rapp. Hinzu komme die Anpassung von Flugrouten, an denen das DLR mindestes seit 15 Jahren forscht. So können Gebiete, in denen Kondensstreifen entstehen, umflogen werden. Sie würden nämlich dort entstehen, wo es kalt ist. Durch Wettervorhersagedaten könnten diese Gebiete ausgemacht werden. Das zeige: Es gebe vielversprechende Ansätze, sowohl die CO₂- als auch die Nicht-CO₂-Emissionen zu reduzieren.

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