EuGH kippt deutsche Regelung

Was aus dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung folgt

"Pragmatisch handeln": Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei ihrem Statement zum EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung.

"Pragmatisch handeln": Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei ihrem Statement zum EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung am Dienstag für rechtswidrig erklärt. Wir geben einen Überblick über das Urteil und die Konsequenzen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Was ist Vorratsdatenspeicherung?

Vorratsdatenspeicherung bedeutet, dass die Verbindungs- und Standortdaten von Nutzern mobiler Endgeräte wie Tablets oder Smartphones von Mobilfunkbetreibern über einen bestimmten Zeitraum gespeichert werden, damit die Sicherheitsbehörden darauf im Falle eines Verdachts auf schweres kriminelles Handeln wie sexuelle Gewalt gegen Kinder zugreifen können. So könnten sie zum Beispiel erkennen, mit wem der jeweils Verdächtige wann kommuniziert hat und daraus Rückschlüsse auf Komplizen ziehen. Ein entsprechendes Gesetz sieht diese Vorratsdatenspeicherung vor, wurde aber 2017 von der Bundesnetzagentur auf Eis gelegt, nach dem die Internetprovider SpaceNet und Telekom dagegen geklagt hatten. Von der Vorratsdatenspeicherung sind Kommunikationsinhalte von Chats oder E-Mails nicht betroffen.

Über die Vorratsdatenspeicherung wird seit fast zwei Jahrzehnten gestritten. Es gab verschiedene Urteile sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des EuGH dazu, die in der Regel ablehnend ausfielen. Meist waren und sind die zuständigen Innenminister von CDU, CSU oder SPD aus Gründen der Kriminalitätsbekämpfung dafür und die Justizminister, die meist einer anderen Partei wie der FDP angehör(t)en, aus Gründen des Datenschutzes dagegen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Was besagt das Urteil?

Der EuGH hat geurteilt, dass das 2017 auf Eis gelegte Gesetz mit europäischem Recht unvereinbar sei. Denn eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten aller Bürger sei ein zu weitgehender Eingriff in die Privatsphäre. Eine Ausnahme gilt demnach bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit. Auch eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung der IP-Adressen sei zulässig, hieß es.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf Twitter: „Ein guter Tag für die Bürgerrechte! Wir werden die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen.“ Vertreter der Grünen äußerten sich ähnlich.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die sich zuletzt für die Vorratsdatenspeicherung stark gemacht hatte, sagte: „Der Europäische Gerichtshof gibt einen klaren rechtsstaatlichen Rahmen vor.“ Er habe dabei ausdrücklich entschieden, dass IP-Adressen gespeichert werden dürften, um schwere Kriminalität zu bekämpfen, so die Sozialdemokratin. Zudem gestatte der EuGH gezielte Speicheranordnungen für Orte wie Flughäfen oder Bahnhöfe und für Gegenden mit einer hohen Kriminalitätsbelastung.

Sie wolle nun aber „keine alten Debatten führen, sondern pragmatisch handeln“, erklärte Faeser. Dabei sei ihr die entschiedene Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder besonders wichtig.

Hauptstadt-Radar

Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Wie geht es jetzt weiter?

Das geltende und auf Eis gelegte Gesetz hat nach dem EuGH-Urteil keinen Bestand mehr. Nun muss die Bundesregierung ein neues Gesetz vorlegen. Federführend ist dabei das Justizministerium.

Ein denkbarer Ausweg wäre das so genannte Quick-Freeze-Verfahren, das Buschmann bevorzugt. Dabei werden die Verbindungs- und Standortdaten eines Menschen in dem Moment eingefroren – also: gespeichert –, in dem er unter Verdacht gerät. Er hat dabei nicht nur die Bundestagsfraktionen von Grünen und FDP auf seiner Seite, sondern auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. Sie schrieb am Dienstag bei Twitter: „Ich erwarte, dass die Bundesregierung nun zeitnah ein Quick-Freeze-Gesetz vorlegt.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Im Innenministerium will man sich damit jedoch nicht zufriedengeben. Quick Freeze nutze ja nichts, wenn die Provider gar keine Daten speicherten, verlautet von dort. Man will zumindest die IP-Adressen gespeichert wissen, mit denen sich dann konkrete Personen ermitteln ließen. Es gibt mithin erneut einen Konflikt. Im Zweifel sitzt Buschmann am längeren Hebel.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken