Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst

Verdi-Chef: Niemand muss zum Streik überredet werden – „es ist einfach Druck auf dem Kessel“

Frank Werneke (links), Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi, und Martin Burkert, Vorsitzender der Gewerkschaft EVG, unterhalten sich nach einer gemeinsamen Pressekonferenz. (Archivbild)

Frank Werneke (links), Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi, und Martin Burkert, Vorsitzender der Gewerkschaft EVG, unterhalten sich nach einer gemeinsamen Pressekonferenz. (Archivbild)

Potsdam. Der öffentliche Verkehr in vielen Teilen Deutschlands steht am Montag still. Währenddessen sollen in Potsdam die Verhandlungen im Tarifkonflikt im öffentliche Dienst weitergehen. Es ist bereits die dritte Verhandlungsrunde. Im Vorfeld drohte der Chef des Beamtenbunds DBB, Ulrich Silberbach, vor einem unbefristeten Arbeitskampf, sollte auch diese Runde scheitern.

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„Ein dringendes Nachbessern der Arbeitgeber ist nötig“, sagte Silberbach am Montag in Potsdam. Es gebe zwar eine Schlichtungsvereinbarung, doch sollte das „nicht funktionieren, gibt es einen flächendeckenden und unbefristeten Arbeitskampf“, so Silberbach. „Entweder wir hauen den Knoten durch und finden eine Einigung, oder wir stehen vor einer weiteren Eskalations- und Streikwelle“, hatte der DBB-Chef bereits per Mitteilung gewarnt. Man wolle die Eskalation jedoch nicht, beschwichtigte der Gewerkschaftsvorsitzende.

Großstreik im Verkehrssektor in Deutschland begonnen

Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi ist es der größte Streik in Deutschland seit 1992.

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Am Montag werde sich zeigen, „ob die Arbeitgeber die Zeichen gehört haben“, erklärte Silberbach. Die Verluste bei den Reallöhnen müssten nachhaltig und dauerhaft ausgeglichen werden. „Die vorgeschlagenen 5 Prozent auf 27 Monate sind kein Angebot, sondern eine Unverschämtheit.“ Die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen würden sich aktuell Sofortmaßnahmen der Bundesregierungen über Einmalzahlungen als Maßnahme in der Energiekrise zu eigen machen, kritisierte Silberbach. Der Inflationsausgleich müsse aber sofort passieren, an dieser Stelle sei ein dringendes Nachbessern nötig.

Die Eisenbahngewerkschaft EVG erwartet von den Gesprächen ein „verhandlungsfähiges Angebot der Arbeitgeber“. Das sagte Gewerkschaftschef Martin Burkert am Montag in Potsdam. Es handele sich um ein „historisches Momentum“, da Verdi und EVG gemeinsam ein „Zeichen“ in der Mobilität gesetzt hätten, so Burkert. „Der Warnstreik ist notwendig und verhältnismäßig“, versicherte der EVG-Vorsitzende.

Auch Verdi-Chef Frank Werneke betonte aus der Sicht der Gewerkschaft die Verhältnismäßigkeit des Arbeitskampfs. „Alle Mitglieder, die wir aufgerufen haben, beteiligen sich an dem Streit. Niemand muss überredet werden, sondern es ist einfach Druck auf dem Kessel“, erklärte Werneke in einem gemeinsamen Pressestatement mit dem EVG-Chef. Bereits bis Ende vergangener Woche hätten sich mehr als 400.000 Verdi-Beschäftigte an Maßnahmen beteiligt. „Das ist die größte Beteiligung seit Jahrzehnten“, so Werneke.

Die Arbeitgebenden aber hätten aktuell noch kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt. Nun habe man drei Tage der Verhandlungen vor sich. Dabei wollten die Gewerkschaften „mit Ziel und Ernsthaftigkeit“ in die Gespräche gehen, so Werneke. Er erwarte, dass die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen noch vor dem dritten Verhandlungstag einen Schritt auf die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zukommen würden. Jedoch würden solche Verhandlungstage oftmals „eine eigene Dynamik“ entwickeln.

Deutsche Bahn: „Gewinner des Tages sind die Mineralölkonzerne“

„An diesem überzogenen, übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind“, sagte hingegen ein Sprecher der Deutschen Bahn am Montagmorgen in Berlin. Zudem würden sowohl Tausende Unternehmen leiden als auch Umwelt und Klimaschutz. „Gewinner des Tages sind die Mineralölkonzern“, sagte der Sprecher.

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Man habe die Gewerkschaften aufgefordert, sofort an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die nächste Verhandlungsrunde zwischen der Gewerkschaft EVG und der Deutschen Bahn ist für Ende April angesetzt. „Die Lösung gibt es nur am Verhandlungstisch“, so der Bahnsprecher.

Mit Blick auf den komplett eingestellten Fernverkehr und weitestgehend stillgelegten Regionalverkehr stellte der Sprecher eine schrittweise Wiederherstellung des Regionalverkehrs in Aussicht. „Möglicherweise können wir im Regionalverkehr je nach Streikverlauf im Laufe des Tages wieder fahren“, betonte der Konzernsprecher. „Aber das hängt sehr von der Dynamik des Streiks ab.“ Er riet Fahrgästen, sich auf der Internetseite des Konzerns sowie der Bahn-App über die Situation zu informieren.

Verkehr steht am Montag in Deutschland still

Seit Mitternacht steht der öffentliche Verkehr in Deutschland für 24 Stunden in weiten Teilen still. Vom Warnstreik der EVG und Verdi sind neben dem Bahnverkehr nahezu sämtliche Flughäfen sowie Wasserstraßen, Bundesautobahnen und der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in sieben Bundesländern betroffen. Mit den Aktionen wollen die Gewerkschaften in ihren jeweiligen Tarifverhandlungen den Druck auf die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen erhöhen.

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Das Angebot, das die Kommunen und der Bund in der zweiten Verhandlungsrunde im Februar gemacht hatten, umfasst unter anderem eine lineare Erhöhung um 5 Prozent in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Verdi und der DBB fordern jedoch vor dem Hintergrund der hohen Inflation für die 2,5 Millionen Beschäftigten 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. „Das muss klar sein: An einem Mindestbetrag kommen wir nicht vorbei“, machte Verdi-Chef Werneke deutlich.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, warnte erneut vor einer finanziellen Überlastung der Kommunen. Ein hoher Tarifabschluss werde die schwierige Lage vieler Gemeinden noch verschärfen, sagte Landsberg der „Bild“ am Montag. Kommunen könnten daher in der derzeitigen Situation gezwungen sein, Müllgebühren, Eintrittspreise für Schwimmbäder oder die Grundsteuer anzuheben.

Der Deutsche Landkreistag rechnet wegen der umfassenden Warnstreiks am Montag mit erschwerten Gesprächen. „Derartige Machtdemonstrationen bei laufenden Verhandlungen schießen deutlich über das Ziel hinaus“, sagte der Präsident des Verbands, Landrat Reinhard Sager, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Gewerkschaften haben klar überzogen.“ Den Nah- und Fernverkehr lahmzulegen sei „eine unnötige Eskalation“ in der Tarifrunde.

RND/sic/dpa

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