Der Westen braucht endlich eine gemeinsame Ukraine-Strategie
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Ein Kampfpanzer Leopard 2 der Bundeswehr.
© Quelle: Getty Images
Wie sich die Bilder gleichen. Monatelang debattierte das politische Deutschland darüber, ob es der von Russland angegriffenen Ukraine Schützenpanzer liefern sollte. Als Kanzler Olaf Scholz schließlich und endlich sein Plazet dazu gab, folgte die Kampfpanzerdebatte auf dem Fuße. Der Leopard-2-Entscheidung wiederum schließt sich die Kampfjetfrage an. Die lässt ihrerseits vergessen, dass ja selbst die Marder noch längst nicht in der Ukraine angekommen sind. Die Auseinandersetzung trägt jedenfalls nicht allein deshalb absurde Züge.
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Im Konkreten gilt es festzuhalten, dass zwischen Kampfpanzern und Kampfjets ein bedeutender Unterschied besteht. Denn Jets könnten russisches Territorium angreifen, Leoparden könnten das eher nicht. Überdies verfügt Deutschland nicht über jene F 16-Jets, deren Lieferung jetzt in Rede steht. Das ist bei den Leoparden ganz anders. Sie kommen aus heimischen Rüstungsschmieden und sind ein weltweiter Exportschlager. Es geht also um ein politisches Bekenntnis für oder wider Kampfjets, ohne größere praktische Relevanz für die Bundesregierung und die Streitkräfte, die ihr unterstehen.
Die Uneinigkeit des Westens
Davon abgesehen fällt freilich zweierlei abermals unangenehm auf. Da ist die Uneinigkeit des Westens. Der Kriegsbeginn jährt sich am 24. Februar zum ersten Mal. Und doch erwecken die Debatten in der Ukraine-Allianz stets aufs Neue den Eindruck, als sei am Tag zuvor der erste Schuss gefallen. Man fragt sich, worüber bei all den Treffen von EU- und Nato-Staaten eigentlich geredet wird und warum es in elf Monaten noch immer nicht gelungen ist, die Kluft zwischen Polen und den baltischen Staaten einerseits sowie einem Teil der westeuropäischen Staaten und den USA andererseits zu schließen. Ganz zu schweigen davon, dass die Achse Berlin-Paris nicht funktioniert und sich der Kanzler gegenüber dem US-Präsidenten Joe Biden zu klein macht. Die Würfel müssen in Europa fallen. In erster Linie Europas Freiheit ist bedroht, weniger die Amerikas.
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Das führt zum zweiten Missvergnügen. Denn im Zentrum des Meinungsstreits stehen unverändert Waffensysteme – sprich: Technik. Klar, das ist wichtig. Die Waffen sind schließlich knapp und teuer. Auch müssen die Ukrainer jeweils ausgebildet werden, um damit kämpfen zu können. Das kostet Zeit – Zeit, die die Ukraine angesichts einer womöglich neuen russischen Offensive im Frühjahr wieder mal nicht hat.
Die gleichen Debatten drehen sich wie in einem Mühlrad
Viel wichtiger als die Mittel sind aber die politischen Ziele, die der Westen in der Ukraine erreichen will. Hier ist zwischen „Russland darf nicht gewinnen“ und „Russland muss verlieren“ nach wie vor viel Luft. Abgesehen davon, dass der Satz „Russland muss verlieren“ dann trotzdem noch mit einem konkreten Inhalt gefüllt werden müsste. Dabei sollte das Ziel klar sein: Russland darf aus dem brutalen Krieg keinen territorialen Nutzen ziehen. Die Truppen seines Präsidenten Wladimir Putin müssen hinter die bis zum 24. Februar 2022 existierenden Linien zurück. Dann lässt sich eventuell verhandeln.
Würde darüber im Westen Konsens herrschen, ließen sich die Mittel daraus relativ leicht ableiten – also die Waffensysteme, die man der Ukraine geben will. Dass dies nicht geschieht, ist fatal. Nicht bloß, weil sich die gleichen Debatten wie in einem Mühlrad drehen, sondern auch, weil es ein Angstsymptom ist. Wer gegenüber Putin keine unmissverständlichen Signale der Stärke setzt, gibt damit zu erkennen, dass er – wenn der Preis zu hoch erscheint – am Ende doch zurückweicht. Der Angstmacher im Kreml wird daraus leider seine Schlüsse ziehen. Und diese Schlüsse werden weder der Ukraine noch dem Westen zum Vorteil gereichen.