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Wenig Gegenwind aus anderen Ländern

Regierungschefs gratulieren Erdogan zu Stichwahlsieg

Unter den ersten Gratulanten befand sich auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) (links).

Unter den ersten Gratulanten befand sich auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) (links).

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Ankara. Staats- und Regierungschefs aus aller Welt haben Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan zum Sieg bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei gratuliert. Erdogan sicherte sich in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl etwa 52 Prozent der Stimmen, wie die Wahlbehörde am späten Sonntagabend mitteilte. Auf seinen Herausforderer, den Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, entfielen etwa 48 Prozent der Stimmen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz twitterte: „Deutschland und die Türkei sind enge Partner und Alliierte – auch gesellschaftlich und wirtschaftlich sind wir stark miteinander verbunden. Gratulation an Präsident Erdogan zur Wiederwahl. Nun wollen wir unsere gemeinsamen Themen mit frischem Elan vorantreiben.“

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Erdogan zu dessen Wiederwahl als Präsident der Türkei gratuliert. „Angesichts der besonders engen menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen unseren Ländern kommt dem deutsch-türkischen Verhältnis ganz besondere Bedeutung zu“, schrieb Steinmeier in einer Mitteilung am Montag. Er würde sich freuen, mit Erdogan zu einer Festigung guter Beziehungen zwischen den beiden Ländern beitragen zu können. „Für die neue Amtsperiode wünsche ich Ihrem Land Frieden, Freiheit und Wohlstand und Ihnen bei Ihrer Amtsführung eine glückliche Hand“, schrieb Steinmeier demnach weiter.

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Auch Selenskyj, Macron und Biden gratulieren

Und auch der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerten sich. Putin, der einen Angriffskrieg gegen die Ukraine entfesselt hat, sagte, Erdogans Sieg sei der „klare Beweis“, dass das türkische Volk dessen Anstrengungen unterstütze, „die staatliche Souveränität zu stärken und eine unabhängige Außenpolitik zu verfolgen“. Selenskyj sagte, er setze darauf, die Partnerschaft zwischen seinem Land und der Türkei „für die Sicherheit und Stabilität Europas“ zu festigen. Die Türkei hatte in dem Krieg zusammen mit den Vereinten Nationen ein Abkommen vermittelt, das die Wiederaufnahme ukrainischer Getreidelieferungen über das Schwarze Meer ermöglichte.

US-Präsident Joe Biden, der am Sonntagabend (Ortszeit) die finale Einigung im Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze des Landes verkündete, der das Land seit Wochen in Atem gehalten hatte, schrieb bei Twitter: „Herzlichen Glückwunsch an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu seiner Wiederwahl“. Er freue sich auf die weitere Zusammenarbeit als Nato-Verbündete in bilateralen Fragen und bei gemeinsamen globalen Herausforderungen.

Auch der britische Premierminister Rishi Sunak hat Erdogan zu dessen Sieg bei der Präsidentenwahl in der Türkei gratuliert. „Ich freue mich darauf, die starke Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern fortzusetzen, vom Ausbau des Handels bis zur Bewältigung von Bedrohungen der Sicherheit als Nato-Verbündete“, schrieb Sunak am späten Sonntagabend auf Twitter.

Ähnliche Worte findet Polens Präsident Andrzej Duda. In diesem Jahr feiere man den 100. Jahrestag der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags zwischen Polen und der Türkei, schrieb Duda am Montag auf Twitter. „Wir sind bereit, zusammenzuarbeiten, um die regionale Sicherheit, die Entwicklung der Nato und den Frieden in Europa zu gewährleisten“, schrieb er mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begab sich via Twitter ebenfalls in die Reihe der Gratulanten. Man werde den Weg mit Präsident Erdogan fortsetzen, schrieb er und verwies auf gemeinsam zu bewältigende Herausforderungen wie den Frieden in Europa. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban gratulierte ebenfalls, weitere Glückwünsche kamen unter anderen von Staats- und Regierungschefs in Katar, Venezuela, Aserbaidschan, Pakistan, Libyen, Algerien, Serbien und Usbekistan.

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Özdemir nach Autokorsos: „Übersehen gibt es nicht mehr“

Nach dem Sieg von Recep Tayyip Erdogan bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei hat Bundesagrarminister Cem Özdemir das Wahlverhalten von Türken in Deutschland scharf kritisiert. Ihn interessiere, was in Deutschland los sei, wo die Anhänger von Erdogan feierten, „ohne für die Folgen ihrer Wahl einstehen zu müssen“, schrieb der Grünen-Politiker in der Nacht zu Montag auf Twitter. Das müssten viele Menschen in der Türkei durch Armut und Unfreiheit. „Sie sind zu Recht wütend. Darüber wird zu reden sein!“ Özdemir selbst ist türkischer Herkunft, hat aber eigenen Angaben zufolge keinen türkischen Pass.

Özdemir schrieb weiter, die Autokorsos in Deutschland seien keine Feiern harmloser Anhänger eines etwas autoritären Politikers. „Sie sind eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie und Zeugnis unseres Scheiterns unter ihnen. Übersehen geht nicht mehr.“ Es tue ihm um die vielen, vor allem jungen und gut ausgebildeten Menschen in der Türkei leid, die jede Hoffnung verlören. Er fürchte, dass Ultranationalismus und Fundamentalismus sich nun noch stärker durch neue Imame aus Ankara hierzulande verbreiten würden.

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Lucks sorgt sich um türkische LGBT-Personen

Der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe Max Lucks sorgt sich nach dem Wahlsieg von Präsident Recep Tayyip Erdogan um die Rechte queerer Menschen in der Türkei. „Erdogan hetzt bereits in seinen ersten Reden gegen LGBT und missbraucht sie damit grausam als Spielball für seine menschenfeindliche Propaganda“, sagte der Grünen-Politiker am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Er mahnte, dass sich jede politische Maßnahme gegen LGBT-Personen „wie ein Brandbeschleuniger“ auf das Vertragsverletzungsverfahren beim Europarat auswirken werde.

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Lucks, der auch als Wahlbeobachter in der Türkei im Einsatz war, forderte zudem eine Neudefinition deutscher Interessen. Knapp die Hälfte der Menschen in der Türkei hätten für eine Annäherung an Europa, Visafreiheit, die Rückkehr zur Istanbul Konvention zum Schutz von Frauen und für die Freilassung politischer Gefangener gestimmt. Man müsse Völkerrechtsbrüche und Verletzungen von Konventionen in Zukunft anders beantworten, so Lucks. Das Abschneiden der Opposition finde er beeindruckend angesichts des unfairen Wahlkampfs mit „massiver Medienkontrolle und politischer Repressionen.“

Kilicdaroglu: „Ungerechteste“ Wahl, die es je gegeben habe

Kilicdaroglu sprach in Ankara von der „ungerechtesten“ Wahl, die es je gegeben habe. Erdogan hätten sämtliche staatlichen Ressourcen zur Verfügung gestanden, klagte er. Zugleich deutete er an, dass er seine Niederlage anerkennt – und gab sich weiter kämpferisch: „Wir werden weiterhin an vorderster Front dieses Kampfes stehen, bis echte Demokratie in unser Land kommt.“ Kilicdaroglu dankte zudem den mehr als 25 Millionen Menschen, die ihn gewählt hätten. Er rufe seine Anhänger auf, „aufrichtig zu bleiben“. Das Volk habe seinen Willen bekundet, „trotz allen Drucks eine autoritäre Regierung auszutauschen“.

Erdogan war als Favorit in die Stichwahl gegangen. In der ersten Wahlrunde am 14. Mai hatte der 69‑Jährige die für eine Wiederwahl nötige Mehrheit von über 50 Prozent der Stimmen knapp verfehlt, weswegen ein zweiter Wahlgang gegen den Zweitplatzierten Kilicdaroglu nötig wurde, der Kandidat eines Sechs-Parteien-Bündnisses und Chef der größten türkischen Mitte-links-Oppositionspartei CHP ist. Mehr als 64 Millionen Menschen waren zur Stimmabgabe aufgerufen.

Nun kann Erdogan bis 2028 an der Macht bleiben. Nach drei Amtszeiten als Ministerpräsident und zwei als Staatspräsident ist der gläubige Muslim, der der islamisch-konservativen Partei AKP vorsteht, bereits der dienstälteste Regierungschef der türkischen Geschichte. Erdogan hatte die Präsidentschaft durch ein knapp gewonnenes Referendum 2017 von einer weitgehend zeremoniellen Rolle in ein mächtiges Amt verwandelt.

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Kilicdaroglu versprach Annäherung zum Westen

Kritiker machen Erdogans unkonventionelle Wirtschaftspolitik für die galoppierende Inflation in der Türkei verantwortlich, die die hohen Lebenshaltungskosten angekurbelt hat. Viele werfen seiner Regierung zudem eine schleppende Reaktion auf das verheerende Erdbeben vor, das in dem Land mehr als 50.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Zugleich ist es Erdogan gelungen, den Rückhalt vieler konservativer Wähler nicht zu verlieren. Viele blieben ihm auch treu, weil er den Status des Islams in der auf säkularen Prinzipien gegründeten Türkei gestärkt und den Einfluss der Türkei in der Weltpolitik gemehrt hat.

Kilicdaroglu hatte im Wahlkampf versprochen, demokratische Rückschritte unter Erdogan rückgängig zu machen, die Wirtschaft zu sanieren und die Beziehungen zum Westen zu verbessern.

RND/AP

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