Diplom für Präsidentschaft nötig

Wahl in der Türkei: Hat Erdogan wirklich einen Universitätsabschluss?

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Viele akademische Ehrungen hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan im Laufe der Jahre angehäuft. An die 50 Ehrendoktortitel wurden ihm verliehen, darunter natürlich auch von der nach ihm benannten staatlichen Recep Tayyip Erdogan Üniversitesi in der Schwarzmeerstadt Rize, der Heimatstadt seiner Eltern.

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Aber wie steht es mit Erdogans Universitätsabschluss? Hat er überhaupt studiert? Die Frage ist politisch brisant. Denn Artikel 101 der türkischen Verfassung bestimmt: „Der Präsident der Republik wird aus den Reihen der türkischen Staatsbürger gewählt, welche das vierzigste Lebensjahr vollendet, eine abgeschlossene Hochschulausbildung haben und die Voraussetzungen für die Wählbarkeit zum Parlamentsabgeordneten erfüllen.“

Laut Lebenslauf hat Erdogan Wirtschaftswissenschaften studiert

Seit Erdogan sich 2014 zum Präsidenten wählen ließ, kommt das Thema immer wieder hoch. Jetzt, knapp sieben Wochen vor der Präsidentenwahl, lebt die Kontroverse wieder auf. Aytun Ciray, Abgeordneter der rechtsgerichteten Oppositionspartei IYI, hat am vergangenen Freitag beim Obersten Erziehungsrat YÖK einen Antrag eingereicht. Er verlangt von der Behörde, dass sie Erdogans Universitätsdiplom veröffentlicht.

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Seinem offiziellen Lebenslauf zufolge hat Erdogan ein Fachabitur für Imame an einer Imam-Hatip-Schule abgelegt, bevor er vier Jahre lang an der Fakultät für Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften der Marmara Universität studierte. Das klingt merkwürdig, denn der Abschluss einer Imam-Hatip-Schule berechtigte in den 1980er-Jahren nur zum Theologiestudium.

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Diplom von 1981 – Universität aber erst ein Jahr später gegründet

2016 legte die Oberste Wahlkommission eine Kopie des Erdogan-Diploms vor. Es wurde im Jahr 1981 ausgestellt und trägt die Unterschriften des Rektors und des Dekans der Hochschule. Doch mit der Veröffentlichung des Dokuments kam die Kontroverse erst richtig in Gang. Denn die Marmara-Universität, an der Erdogan 1981 seinen Abschluss gemacht haben will, wurde erst 1982 gegründet. Auch Rektor und Dekan traten erst in diesem Jahr ihre Ämter an.

Die Fakultät, an der Erdogan studiert haben will, gibt es sogar erst seit 1983. Grafiker merkten überdies an, dass die Schrifttype, mit der das Diplom von 1981 getippt war, damals noch gar nicht existierte. Merkwürdig auch: Während Erdogan 1981 seinen Uniabschluss gemacht haben will, führten ihn die Istanbuler Verkehrsbetriebe im gleichen Jahr als Vollzeitbeschäftigten.

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Im vergangenen Jahr schaltete sich Selahattin Demirtas in die Debatte ein, der seit 2016 inhaftierte frühere Vorsitzende der prokurdischen Partei HDP. Im Gefängnis verfasste Demirtas im vergangenen September einen Gastbeitrag für die Onlinezeitung „Gazete Duvar“. Unter dem Titel „Das Diplom des Präsidenten“ fragt Demirtas, warum es aus der angeblichen vierjährigen Studienzeit kein einziges Foto von Erdogan gebe und warum sich nie ein Studienfreund gemeldet habe. Demirtas schreibt: „Nehmen wir einmal an, er hatte keine Freunde. Aber hatte er keine Professoren? Warum hat sich bisher kein einziger Hochschullehrer gemeldet und erklärt: ‚Erdogan war mein Student‘?“

Falls Erdogans Diplom gefälscht ist: Sind unterzeichnete Gesetze ungültig?

Demirtas, ein studierter Jurist und Rechtsanwalt, erläutert in dem Artikel auch, welche Konsequenzen es hätte, wenn sich Erdogans Diplom als eine Fälschung herausstellt: Alle Dekrete und Gesetze, die er als Präsident seit 2014 unterschrieben hat, würden rückwirkend ungültig, alle Ernennungen ebenso wie alle von Erdogan unterzeichneten internationalen Verträge, meint Demirtas.

Yusuf Ziya Özcan, ein früherer Vorsitzender des Erziehungsrates, hat nach eigenen Angaben in seiner Amtszeit als YÖK-Chef zwischen 2007 bis 2011 Erdogans Diplom in den Archiven gesucht, aber nichts gefunden. Ob der IYI-Politiker Ciray auf seine Anfrage beim YÖK eine Antwort bekommen wird, ist deshalb fraglich. Die Marmara-Universität lehnte schon 2021 einen Antrag auf Vorlage des Erdogan-Diploms ab – unter Hinweis auf den „Schutz persönlicher Daten“.

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