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Kevin McCarthy unter Druck

Kompromiss zum Schuldenstreit: Nach der Abstimmung droht die Abrechnung

In Bedrängnis: Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, muss um seine Mehrheit zittern.

In Bedrängnis: Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, muss um seine Mehrheit zittern.

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Washington. Es war ein Zufall, dass ein Lastwagen voller mobiler Toilettenhäuschen gerade in dem Augenblick am Washingtoner Kapitol vorbeirollte, als sich die Mitglieder des ultrarechten „Freedom Caucus“ der Republikaner für eine Pressekonferenz vor dem Kongress aufbauten. Aber das Bild hatte Symbolwert. „Shit Sandwich“ war noch eine der freundlicheren Beschreibungen der erzkonservativen Hardliner für den von ihrem Parteioberen Kevin McCarthy mit Präsident Joe Biden ausgehandelten Schuldenkompromiss.

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„Dieser Deal ist komplett missraten. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, ihn zu stoppen“, sagte Scott Perry, der Chef des radikalen „Freedom Caucus“. „Kein Republikaner darf für dieses Gesetz stimmen“, pflichtete ihm sein texanischer Abgeordnetenkollege Chip Roy bei. „Wir haben ein paar Krümel für Billionen neuer Schulden bekommen“, wetterte Dan Bishop, ein Parlamentarier aus North Carolina: „Das ist völlig inakzeptabel.“

Die Schuldenobergrenze in den USA wird für zwei Jahre ausgesetzt

In der Nacht zum Donnerstag (gegen 2 Uhr Donnerstagmorgen deutscher Zeit) soll das Repräsentantenhaus über das 99-seitige Paragrafenwerk abstimmen, das den drohenden Absturz der USA in die Zahlungsunfähigkeit mit dramatischen Folgen für die Weltwirtschaft verhindern dürfte. Die nach wochenlangen, zähen Verhandlungen erzielte Übereinkunft sieht eine Aussetzung der bei 31,4 Billionen Dollar fixierten Schuldenobergrenze bis Anfang 2025 – kurz nach der nächsten Präsidentschaftswahl – vor. Im Gegenzug werden die staatlichen Ausgaben mit Ausnahme des Militärhaushalts auf heutigem Niveau eingefroren.

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Zwar erwarten die meisten Beobachter, dass das Gesetz vom Repräsentantenhaus und zum Ende der Woche auch vom Senat gebilligt wird. Doch politisch ist der Prozess für den republikanischen Parlamentschef McCarthy extrem heikel. Seine Partei verfügt im Repräsentantenhaus seit den Zwischenwahlen im vorigen Jahr nämlich über eine hauchdünne Mehrheit von fünf Stimmen. Rund 30 Fraktionsmitglieder, überwiegend vom ultrarechten Flügel, hatten aber schon Stunden vor der Abstimmung angekündigt, dass sie mit Nein votieren würden.

Mindestens 30 Republikaner wollen mit Nein stimmen

Damit steht McCarthy am Mittwochabend eine Zitterpartie bevor. Schon bei der Einbringung des Gesetzes ins Plenum dürfte der Ober-Republikaner auf Stimmen der Demokraten angewiesen sein – ein extrem seltener und ungewöhnlicher Vorgang, da normalerweise die Mehrheitspartei im US-Repräsentantenhaus aus eigener Kraft ihre Vorhaben auf den Weg bringt. Die eigentliche Abstimmung über das Gesetz könnte dann zur Schicksalsstunde für den 58-Jährigen werden, der im Januar erst nach 15 Wahlgängen ins Amt gekommen war: Dass eine parlamentarische Mehrheit nur mithilfe der Demokraten zustande kommt, gilt als sicher. Doch müsste es McCarthy nach Einschätzung von Analysten gelingen, mindestens 140 bis 150 der eigenen 222 Abgeordneten auf seine Seite zu ziehen. Sollten am Ende weniger Republikaner als Demokraten für die Vorlage stimmen, wäre sein Job akut gefährdet.

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„Wir werden das Gesetz verabschieden“, postulierte McCarthy vor der Parlamentssitzung trotzig. Fieberhaft versuchten seine Verbündeten in den letzten Stunden, Skeptiker zu einem positiven Votum zu bewegen. Tatsächlich schlug sich der einflussreiche Trump-Verbündete Jim Jordan auf McCarthys Seite. Trump selber, der die Fraktion ursprünglich aufgefordert hatte, keinem Kompromiss zuzustimmen, der ihre extremen Kürzungsforderungen nicht erfüllt, verkniff sich in den vergangenen Tagen jeden Kommentar.

Auch eine konservative Denkfabrik senkt den Daumen

Wenig hilfreich für McCarthy war freilich, dass die stramm konservative Denkfabrik Heritage kurz vor der Abstimmung den Daumen senkte: „Dieser Deal wird den Herausforderungen nicht gerecht und geht nicht die Wurzeln des Problems an.“ Weiteren politischen Gegenwind bekam der Ober-Republikaner vom überparteilichen Congressional Budget Office: Die Haushaltsexperten errechneten, dass die Änderungen der Arbeitsanforderungen für Geringverdiener, die staatliche Lebensmittelhilfen beziehen, tatsächlich den Kreis der Empfängerinnen und Empfänger um 78.000 Personen ausweitet.

„Es wird eine Abrechnung geben“, drohte der Hardliner Chip Roy schon vor der Abstimmung mit Konsequenzen für McCarthy. Sein Kollege Dan Bishop ging einen Schritt weiter: „Ich habe kein Vertrauen mehr zu ihm“, sagte er und forderte die Abwahl des Repräsentantenhaus-Chefs.

Der Finanzkollaps der USA wird mutmaßlich in dieser Woche abgewendet. Doch der Aufruhr in der Republikaner-Fraktion könnte damit erst richtig losgehen.

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