Reinhold Beckmann: „Markus Lanz hat sich ein bisschen neu erfunden“
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Der Journalist, Moderator und Musiker Reinhold Beckmann.
© Quelle: beckground
Berlin. Herr Beckmann, die früher oft unterschätzte Talkshow von Markus Lanz gilt mittlerweile als die politisch relevanteste Talkshow in Deutschland. Wie erklären Sie sich das?
Ich muss mir das gar nicht erklären, weil ich das schon vor längerer Zeit gesehen habe. Ich glaube, dass sich das pure Debattenfernsehen mit den immer gleichen Besetzungen und Mustern überholt hat. Das gilt gerade jetzt in den schwierigen Zeiten. Das Publikum wird besser abgeholt, wo Raum ist für längere Gedanken und auch Zweifel. Die wesentlichen Gespräche werden deshalb bei Markus Lanz geführt.
Warum dort?
Bei den längeren Gesprächen ist einfach mehr zu heben und zu erfahren als bei den immer gleichen Debattenformen. Da, wo es purifizierter ist, kommt am Ende auch mehr raus. In den Debattensendungen merkt man: Das Verhalten der Politiker dort ist so gelernt, dass sie genau wissen, welche Versatzstücke sie zu liefern haben. Man wird als Zuschauer nicht mehr überrascht.
Der Erfolg von Markus Lanz ist also Folge seiner professionellen Qualität, aber auch der äußeren Umstände?
Ja, er ist erst mal ein sehr geschickter Frager. Ich war ja selbst mehrmals dort. Auch deshalb weiß ich: Das ist kein neues Phänomen. Markus Lanz war immer supervorbereitet – auf den Inhalt und auf den Gast. Hinzu kommt, dass da jetzt noch mal ein anderes Selbstbewusstsein spricht.
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Inwiefern?
Man merkt, dass er den Zuschauern mehr Antworten liefert. Er ist beharrlich und bleibt auch schon mal länger in der Wade eines Gastes – gerade jetzt, wo sich eine Regierung in der Pandemie seit Monaten blamiert. Egal ob bei der Osterruhe, der Nicht-Beschaffung von Masken und Vakzinen oder diesem Egostreit zwischen Armin Laschet und Markus Söder – die Exekutive versagt. Und das in einer Zeit, in der es den Leuten draußen so schlecht geht und alle unter dieser pandemischen Situation leiden. Da ist es ein wirklicher Trost, dass Markus Lanz die dafür verantwortlichen Politiker nicht davonkommen lässt. Er stellt sie auf tolle Art und Weise. Lanz lief ja das Vorurteil hinterher, der scheinbar leichte Plauderer zu sein. Jetzt hat er sich ein bisschen neu erfunden.
Manchen ist es aber auch zu viel, weil Lanz die Gäste zuweilen ganz schön grillt – so wie Armin Laschet oder Susanne Hennig-Wellsow.
Ich habe selbst Freunde, die das übergriffig finden und sagen: Ne, da kann ich nicht zugucken, das geht mir zu weit. Aber man kann sich ja entscheiden für andere Talkshows. Ich persönlich finde Lanz jedenfalls im Moment sehr hilfreich mit seinen – man kann fast schon sagen – Lanzismen. In der Corona-Pandemie ist kein Platz für seichte Themen. Wenn die Zeiten ernster werden, dann muss auch der Talk ernster und relevanter werden. Dann muss sich auch die Dynamik des Gesprächs verändern. Das verlangt die Zeit.
Sind Sie rückblickend manchmal neidisch?
Nein, ich habe das 16 Jahre lang gemacht. Nur ab und zu kommt nochmal ein kleiner Phantomschmerz hoch, weil ich merke, wie wichtig das Einzelgespräch ist – und wie wichtig es ist, sich einem Gast länger und tiefgründiger zu widmen. Lanz kann beides: zugewandt sein – und zupackend. Man merkt, dass er auch Musiker ist und mal den Rhythmus wechseln kann.