Hoffnung auf Open-Air-Veranstaltungen: „Ein kulturell praller Sommer ist möglich“
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Wer erinnert sich noch? So sahen Musikfestivals vor Corona aus: 70.000 Raver beim Fusion-Festival. Es soll – mit ausgeklügeltem Konzept – auch dieses Jahr stattfinden.
© Quelle: imago images / Frank Brexel
Berlin. Oans, zwo, ausg’falla. Das Oktoberfest wird zum zweiten Mal in Folge nicht stattfinden können. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) überbrachten am Montag die ernüchternde Nachricht. Das größte Volksfest der Welt mit sechs Millionen Besuchern und sieben Millionen Maß Bier sprengt jede Vorsichtsmaßnahme. „A bisserl Wiesn geht nicht“, sagte Reiter.
Der Sommerdom auf dem Hamburger Heiligengeistfeld, ein auch nicht ganz kleines und nüchternes Halligalli, steht hingegen weiter im Plan für Juli und August. Ein detailliertes Hygienekonzept liegt laut Behörde vor.
Ähnlich ungleich ist der Stand bei den großen Rockfestivals: Rock am Ring und Rock am Park – seit Längerem abgesagt. Hurricane und Southside ebenso. „Eine Großveranstaltung dieses Formats hat in vielen Bereichen die Infrastruktur einer Kleinstadt, entsprechend lang sind auch die Vorbereitungs- und Planungszeiten für ihre erfolgreiche Durchführung“, sagt Jonas Rohde vom Veranstalter FKP Scorpio. „Die Schaffung sicherer Räume und die dafür benötigte Testinfrastruktur“ seien „nicht umsetzbar“.
Deutschlands größter Tickethändler Eventim teilt mit: „In diesem Sommer wird es maximal vereinzelt Open-Air-Konzerte geben. Veranstaltungen in Hallen sehen wir nicht vor dem vierten Quartal, wobei man sich da nicht auf Anfang Oktober festlegen sollte.“
Gesundheitsamt billigt Fusion-Hygienekonzept
In Wacken, dem Mekka des Schlamms und Dosenbiers, ist man hingegen „hoffnungsvoll“ – und für Ende Juli bereits ausverkauft. Ausverkauft ist auch das Fusion Festival in Mecklenburg, obwohl die Ticketpreise von 130 auf 220 Euro angehoben wurden. Statt einem Wochenende sind nun zwei geplant, jeweils mit 35.000 Partyausgehungerten. Die Veranstalter des Elektronikfestivals planen mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept mit PCR-Tests vor der Anreise, bei der Ankunft und während des Festivals, auch alle Künstlerinnen, Künstler, Helferinnen und Helfer werden getestet.
Das zuständige Gesundheitsamt des Kreises Mecklenburgische Seenplatte hat keine Einwände gegen dieses Massenexperiment. Doch ob Veranstaltungen dieser Größenordnung vom Land genehmigt werden, weiß keiner, ebenso wenig, ob die Inzidenzzahlen wirklich sinken.
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Der beginnende zweite Corona-Sommer wirkt wie ein dauerndes Déjà-vu
Andere Festivals haben ähnlich großen Aufwand betrieben, um zu beweisen, dass Ekstase und Vorsicht zusammenpassen können. Das süddeutsche Metal-Festival Summer Breeze setzt auf Bändchen mit integriertem Chip sowie Antigentests vor, auf und nach dem Festival.
Die Kreativität der Kulturszene im Sommer 2021 zeigt sich mindestens so stark im Entwickeln von Hygienekonzepten und im Jonglieren von Unwägbarkeiten wie auf und hinter der Bühne. Festivalmacher wollen ein Lebenszeichen setzen, und einige wollen mehr als das: „Aus rein wirtschaftlichen Überlegungen würden wir diese hohen Investitionen sicherlich nicht machen“, sagte Fusion-Macher Martin Eulenhaupt im Frühjahr. „Aber wirtschaftliche Interessen sind nicht unser Antrieb. Natürlich wollen wir auch ein politisches Signal senden.“
Und Summer-Breeze-Organisator Alex Härtel klagt gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Unser Problem ist, dass es seitens Politik und Behörden keinen klaren Fahrplan gibt. Wir sind Experten in unserem Arbeitsbereich und können auf vieles flexibel und professionell reagieren, jedoch bedarf eine Veranstaltung dieser Größenordnung einer gewissen Vorplanung, bei der verlässliche Aussagen hilfreich wären.“
Ich habe große Angst davor, dass es wieder reihenweise illegale Raves gibt und dadurch die Zahlen im Sommer erneut ansteigen. Wir brauchen Konzepte für sicheres Feiern.
Markus Ossevorth
Veranstalter des „Nation of Gondwana“-Festivals
Der beginnende zweite Corona-Sommer, er erinnert an ein dauerndes Déjà-vu. Auch die Polizeiberichte klingen schon wieder gleich. Berlin, vergangenes Wochenende, Treptower Park Es habe „eine größere Ansammlung“ gegeben. Dabei sei über Lautsprecher Musik abgespielt und auch getanzt worden. Die Beamten waren mit einer Hundertschaft angerückt. Die Musikanlage sei sichergestellt worden.
„Ich habe große Angst davor, dass es wieder reihenweise illegale Raves gibt und dadurch die Zahlen im Sommer erneut ansteigen. Wir brauchen Konzepte für sicheres Feiern“, sagt Markus Ossevorth, Veranstalter des „Nation of Gondwana“-Festivals in Grünefeld bei Berlin. Das Festival soll stattfinden, an zwei Wochenenden mit je 5000 Besuchern.
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Tanzen vor der Bühne – mit Abstandsregeln
Ossevorth will beweisen, dass es geht. Gleichzeitig ist er vorsichtig und kritisch. „Wir sind keine Hedonisten, wir sind Realisten“, sagt er. „Wir können das nur machen, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen in diesem Land geimpft ist und wenn getestet, getestet und noch mal getestet wird. Das geht nur mit knallharten Konzepten, an die sich auch alle halten müssen.“
Auch bei „Gondwana“ kommt nur rein, wer einen negativen Test nachweist, bei der Anreise wird nachgetestet. FFP2-Masken müssen vor den Bars getragen werden. Vor der Bühne gelten Abstandsregeln. „Wenn die missachtet werden, geht die Musik aus.“
Das Gesundheitsamt ist beeindruckt vom Konzept, ob er es umsetzen kann, weiß Ossevorth nicht. „Mir fehlt vonseiten der Politik eine konstruktive inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was wir die letzten Monate erarbeitet haben“, kritisiert er.
Ein Kultursenator macht Hoffnung
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) ist voller vorsichtiger Hoffnung: „Jetzt bloß nicht den Kopf in den Sand stecken! Ein kulturell praller Sommer ist möglich“, sagt er dem RND. „Die ganze angestaute Kreativität kann sich dann entladen und große Momente ermöglichen.“
Der Senator warnt aber auch: „Was im Sommer wieder gehen wird, hängt natürlich zuerst von der Entwicklung der Pandemie ab. Daher müssen wir jetzt alles dafür tun, dass die Zahlen weiter sinken. Impfen und Testen werden dabei eine wesentliche Rolle spielen.“
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Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien in Hamburg, trägt eine Maske mit der Aufschrift „Kultur“.
© Quelle: Christian Charisius/dpa/Pool/dpa
„Wir dürfen jetzt nicht die Zuversicht verlieren, sondern sollten uns darauf vorbereiten, möglichst schnell wieder mit der Kultur starten zu können“, führt er aus. „Dabei spielen natürlich Open-Air-Formate eine besondere Rolle. Der kulturelle Sommer wird überwiegend draußen stattfinden.“
Und wohin sollte man im Sommer auch sonst wollen?