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Freiwillige Feuerwehren boomen - trotz wachsenden Drucks

Ein Rettungswagen auf Einsatzfahrt.

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Hannover (dpa/lni). Immer mehr Menschen in Niedersachsen engagieren sich bei der Freiwilligen Feuerwehr. Wie Innenministerin Daniela Behrens (SPD) und Landesbranddirektor Dieter Rohrberg am Montag mitteilten, stieg die Zahl der freiwilligen Einsatzkräfte im Jahr 2022 um 777 auf nun 130.622. Fünf Jahre zuvor gab es erst weniger als 125.000 Freiwillige. Dem gegenüber stehen 2789 Feuerwehrleute in elf Berufsfeuerwehren und zwei hauptberuflichen Wachbereitschaften. Auffällig: Liegt der Frauenanteil bei den Berufsfeuerwehren bei nicht mal 5 Prozent, sind es bei den Freiwilligen Wehren immerhin 14 Prozent.

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Insbesondere die Kinder- und Jugendfeuerwehren boomten, sagte Rohrberg. Mittlerweile seien landesweit rund 17.500 Kinder und fast 30.000 Jugendliche bei der Feuerwehr aktiv. Einige Kinder- und Jugendfeuerwehren hätten daher sogar einen Aufnahmestopp verhängt.

Einsätze

Allerdings nehmen auch die Herausforderungen für die Feuerwehr zu: Im Jahr 2022 rückten die Feuerwehrleute insgesamt 123.370 Mal aus. Das ist ein Anstieg um mehr als ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr. «Die Feuerwehren in Niedersachsen waren sehr gefordert», sagte Behrens. Landesbranddirektor Rohrberg führte den Anstieg auf das Ende der Corona-Einschränkungen sowie auf Auswirkungen des Klimawandels zurück.

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«Wir merken deutlich, dass es mehr Stürme gibt, dass es mehr Extremwetterlagen gibt, dass es aber auch mehr Vegetations- und Waldbrände gibt», sagte er. Die Feuerwehr sei zu 451 dieser Brände gerufen worden, das waren so viele wie nie zuvor. Auch böswillige falsche Alarme nahmen zu. Wurden 2021 noch 406 davon gezählt, waren es im Jahr darauf 650 (plus 60 Prozent).

Missbrauch der Nora-App

Bei den falschen Alarmen geriet zuletzt vor allem die Notruf-App Nora in den Blickpunkt. So wurde die App laut Innenministerium in den vergangenen Wochen 20 Mal missbräuchlich genutzt, um Einsatzkräfte zu aktuellen und ehemaligen Landtagsabgeordneten zu schicken, die eigentlich keinen Notfall hatten.

Innenministerin Behrens erklärte am Montag, bundesweit liege die Missbrauchsquote der App bei etwa zehn Prozent. Das Land sei daher im Austausch mit Nordrhein-Westfalen, das bei dem Projekt die Federführung hat. «Wir müssen da den Spagat schaffen zwischen Barrierefreiheit und Einfachheit in der Nutzung und dem Schutz vor Missbrauch», sagte Behrens. Auch eine Registrierungspflicht schloss sie nicht aus. Die App solle aber einfach benutzbar bleiben für alle, die den Notruf nicht telefonisch absetzen können.

Gewalt gegen Einsatzkräfte

Ministerin Behrens bescheinigte Teilen der Bevölkerung «schwindenden Respekt», fehlende Anerkennung sowie zunehmende Ignoranz gegenüber den Einsatzkräften. «Das ist absolut inakzeptabel», sagte sie und forderte, die Täter schnell zur Rechenschaft zu ziehen. Nicht nur an Silvester komme es zu derartigen Ausschreitungen, sondern auch im übrigen Jahr. Genauere Einblicke soll ein Lagebild verschaffen, das derzeit erstellt wird. Landesbranddirektor Rohrberg sagte, der Feuerwehr gehe es darum, dass entsprechende Anzeigen konsequent ausgewertet und umgesetzt werden. Die Gewerkschaft Verdi zitierte einen Feuerwehrmann damit, dass die Zahl der Beschimpfungen und die Intensität der verbalen Attacken ein bislang nicht gekanntes Ausmaß angenommen hätten. Die Gewerkschaft forderte daher unter anderem eine bessere Personalausstattung, medizinische und psychologische Nachsorge sowie Kameras und Verriegelungssysteme an Einsatzwagen.

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Ausstattung

Kommunen mit wenig Geld haben laut Innenministerium im Jahr 2022 insgesamt 16 Millionen Euro für den Bau von Feuerwehrhäusern und den Kauf von Feuerwehrfahrzeugen erhalten. Mit 10 Millionen Euro vom Land und 8 Millionen Euro vom Bund wurden zudem 1355 Sirenen-Standorte gefördert. Auch mobile 360-Grad-Lautsprecher sollen den «Warnmittel-Mix» ergänzen, wie Landesbranddirektor Rohrberg sagte. Die damalige Landesregierung aus SPD und CDU hatte im Frühjahr 2022 in Reaktion auf die Flutkatastrophe im Ahrtal und den russischen Angriff auf die Ukraine ein 40 Millionen Euro schweres Ad-hoc-Paket zur Stärkung des Katastrophenschutzes beschlossen.

© dpa-infocom, dpa:230917-99-228722/4

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