Eigene Wirklichkeiten: Warum Umfragen vor der Wahl heikel sind

Viele Umfrageinstitute sehen Scholz vor Laschet.

Viele Umfrageinstitute sehen Scholz vor Laschet.

Berlin. Wenn am Sonntag die Wahllokale schließen, dann stehen nicht allein die politischen Parteien und ihre Spitzenleute unter gehörigem Druck. Sie teilen dieses Schicksal mit einer mittlerweile nur noch schwer überschaubaren Zahl an Umfrageinstituten. Die nämlich lagen bei den letzten Wahlen mit ihren Prognosen immer mal wieder gehörig daneben. Überhaupt wird die Sache mit der Demoskopie langsam zum Problem.

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Zwar kommen alle Institute derzeit zu ähnlichen Zahlen. Sowohl die Etablierten als auch die Newcomer sehen die SPD vor der Union, die Grünen im Sinkflug und die FDP stabil über 10 Prozent. Dabei entsprechen die Umfragen der Wahrnehmung in den Parteien. So scheint es in der Union niemanden zu geben, der den eigenen Kanzlerkandidaten Armin Laschet für eine besonders geglückte Wahl hielte. Die Schwierigkeiten der Grünen mit Annalena Baerbock an der Spitze sind ebenso erklärbar wie der Aufschwung der SPD mit dem erfahrenen Olaf Scholz, der aus dem Wettbewerb resultiert.

Taktisches Wählen

Trotzdem kann es sein, dass das Wahlergebnis anders ausfällt als vorhergesagt. Denn es gibt so viele Briefwähler wie nie zuvor. Es gibt immer mehr unentschlossene Bürgerinnen und Bürger, weil sich alte Parteimilieus auflösen.

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Und schließlich dürfte es nach wie vor Menschen geben, die trotz aller Widrigkeiten versuchen werden, taktisch zu wählen – die also bei der SPD ihr Kreuz machen, damit Scholz Kanzler wird, obwohl sie eigentlich den Grünen zuneigen; oder ihre Stimme der FDP geben, damit sie in einer Ampel-Koalition kraftvoll das so genannte bürgerliche Lager vertritt, obwohl die CDU ihnen näher steht, sie an deren Erfolg aber nicht mehr glauben.

Hinzu kommt, dass nicht alle Demoskopen mit den gleichen Methoden arbeiten und manche ausschließlich auf Telefoninterviews zurückgreifen, die als weniger verlässlich gelten.

Eigene Wirklichkeiten

Heikel ist, dass Umfragen eigene Wirklichkeiten schaffen. So legten sie vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD nahe. Am Ende holte die CDU 37,1 Prozent – und die AfD 20,8. Um einen Sieg der AfD zu verhindern, hatten offenbar auch viele für die Christdemokraten votiert, die es sonst nie getan hätten. Dabei war die Annahme eines Kopf-an-Kopf-Rennens wohl von vornherein falsch. Eine strengere Qualitätssicherung hätte hier nicht geschadet.

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Die Verantwortung liegt neben Medien, die in Wahlkampfzeiten vornehmlich die Debatte über Inhalte widerspiegeln sollten, freilich nicht zuletzt bei Politikern. Sie sagen gern, dass sie auf Umfragen wenig gäben. Tatsächlich sind viele von ihnen Umfragejunkies, deren Handeln sich sehr oft auf demoskopische Resultate zurückführen lässt.

Umfragen dürfen nicht zu einem perpetuum mobile werden, das den politischen Betrieb am Laufen hält. Jedenfalls sollten die Proportionen stimmen. Weniger ist manchmal mehr.

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