„Das ist synchronisiertes Superspreading“: Virologe warnt vor Folgen des Oktoberfests
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Ein voll besetztes Bierzelt auf dem Münchener Oktoberfest (Archivbild).
© Quelle: Frank Leonhardt/dpa
Das Bier fließt in Strömen, in den Festzelten wird gesellig gefeiert – ab dem 17. September startet in München das Oktoberfest. Das Volksfest der Superlative lockte 2019 über 6 Millionen Besucherinnen und Besucher aus aller Welt nach München. In den vergangenen zwei Jahren musste das Fest wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Doch auch in diesem Jahr ist die Freude über das Fest nicht ungetrübt: Experten schlagen Alarm und warnen vor vielen Corona-Infektionen.
Starke lokale Belastung des Gesundheitssystems?
Der Virologe Oliver T. Keppler von der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität sieht die Ausrichtung der Wiesn 2022 kritisch: „Das nun mal größte Volksfest der Welt kann Millionen Neuinfektionen innerhalb von zwei Wochen im Großraum München ermöglichen“, sagt er im Interview mit „BR24″. Keppler bezeichnet die Veranstaltung als „synchronisiertes Superspreading mit weltweiter Sichtbarkeit“.
Im Nachgang sei laut Keppler eine starke lokale Belastung des Gesundheitssystems im Oktober und November wahrscheinlich. Aufgrund der Dimension des Festes greife der Vergleich mit anderen Volksfesten, Konzerten, Bars, Clubs oder dem Urlaub am Strand zu kurz.
Der Münchener Virologe erkennt jedoch die Konfliktsituation, in der sich die Verantwortlichen befinden: „Sowohl eine Absage der Wiesn 2022 als auch eine Durchführung wie 2019 sehe ich als problematisch an“, so Keppler im „BR24″-Interview. Die Wiesn habe eine lange Tradition und trage mit ihrer besonderen Atmosphäre zu einem sehr positiven Bild von Bayern und Deutschland bei.
„Wir kennen aber auch seit Jahren die sogenannte ‚Wiesn-Grippe‘“, so der Münchener Virologe. Enge Kontakte im Bierzelt würden die Ausbreitung jeglicher Atemwegsinfektionen fördern – ideale Übertragungsbedingungen für die „aktuell vorherrschenden hochansteckenden Varianten von SARS-CoV-2″. Laut seiner Einschätzung liegt die Wahrscheinlichkeit einer Corona-Exposition nach mehreren Stunden im Zelt auf einer Skala von 1 bis 10 bei etwa 9 bis 10. „Viel mehr geht also nicht“, so Oliver Keppler.
Testkonzept hätte Risiko gesenkt
Positiv zu bewerten seien die durchschnittlich eher milden Verläufe der vorherrschenden Omikron-Varianten. Auf der anderen Seite habe das durchgehend hohe Infektionsgeschehen das Gesundheitssystem stark belastet – „in diesem Sommer ohne Pause“, betont Keppler gegenüber „BR24″.
Möglichkeiten, die Wiesn sicherer zu machen, hätte es seiner Meinung nach jedoch gegeben: Ein strenges Testprinzip, „das einen Großteil der akuten SARS-CoV-2-Infektionen erkennt [...] wäre denkbar gewesen“, so der Virologe. Dafür sei es jedoch nun zu spät. Auch eine Impfpflicht für Besucherinnen und Besucher hätte das Risiko nach seiner Einschätzung gesenkt.
Nach zwei Jahren Pause: Oktoberfest 2022 soll ohne Beschränkungen stattfinden
Jetzt ist es amtlich – das Oktoberfest 2022 findet statt. Am Freitag hat das der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter im Rathaus verkündet.
© Quelle: Reuters
Kontroverse Diskussion über die Corona-Risiken
In den vergangenen Wochen wurde die Wiesn 2022 ohne Beschränkungen von Experten bereits kontrovers diskutiert: „Ich bin überzeugt, dass wir uns da keinen Gefallen tun. Das wird zwar eine Riesengaudi und ich vermisse das ja auch – aber wir werden die Wiesn bitterböse bereuen“, sagte Thomas Weiler, Mitglied im Expertenteam von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, Ende Juli im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.
Der Münchner Infektiologe Christoph Spinner sieht hingegen keinen Grund, auf Volksfeste und speziell das Oktoberfest zu verzichten. „Ich wüsste nicht, warum die Wiesn nicht stattfinden sollte“, sagte Spinner Anfang August gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
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Spinner riet aber vor einem Volksfestbesuch zum zweiten Booster. Denn das Infektionsrisiko sei auf dem Volksfest erhöht. Menschen mit Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 sollten sich deshalb auch laut Spinner eher draußen im Biergarten aufhalten oder das Oktoberfest ganz meiden.
RND/lin mit dpa
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