Ukraine will 40 bis 50 Kampfflugzeuge: Wird die Kampfjetkoalition zum Gamechanger?
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Zwei F‑16-Kampfjets der niederländischen Luftwaffe im Einsatz.
© Quelle: imago/Xinhua
Großbritannien und die Niederlande wollen eine Kampfjetkoalition bilden und die Ukraine bei der Beschaffung von US-Jets vom Typ F-16 und der Ausbildung der ukrainischen Piloten helfen. Auch Frankreich und Belgien wollen die Bemühungen offenbar unterstützen. Einige der F-16 könnten von der niederländischen Luftwaffe stammen, die ihre alten Flugzeuge derzeit ausrangiert und auf neuere Kampfjets setzt. Polen und Dänemark könnten bald nachziehen und die Lieferung von F-16 aus eigenen Beständen ankündigen. Beide Länder erwägen schon länger diesen Schritt, hatten sich aber bisher zurückgehalten. Deutschland will keine Kampfjets liefern, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch. Die Bundeswehr verfügt, ebenso wie Großbritannien, auch über keine F-16.
Der F-16-Hersteller Lockheed Martin hatte schon früh erklärt, er könne die Produktion der F-16 hochfahren, um die in die Ukraine verlegten Kampfjets zu ersetzen. Allerdings ist unklar, ob die USA der Weitergabe der US-Flugzeuge an die Ukraine zustimmen und eine Exportgenehmigung erteilen. Bisher hatten US-Vertreter die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine immer abgelehnt.
„Die Kampfjetkoalition ist kein Gamechanger für die Offensive der Ukraine, weil die ersten F-16 dafür viel zu spät eintreffen“, sagt Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung in Berlin. „Anders als die Ankündigung suggeriert, kommen diese Kampfflugzeuge nicht sofort“, so Mölling im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Kampfjetkoalition sei ein langfristiger Plan zum Aufbau der Luftverteidigung. „Bei der neuen Offensive der Ukraine werden F-16 noch keine Rolle spielen.“ Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace bremste ebenfalls am Mittwoch: Die Lieferung von Kampfflugzeugen brauche Zeit und sei keine „Zauberlösung“.
Die Diskussion über Kampfjets und andere Waffen wird auch beim Nato-Gipfel diskutiert werden, wenn es um die zukünftige Sicherheit der Ukraine geht. „Die Kampfjets sind ein erster Schritt, die Ukraine ins europäische Verteidigungssystem zu integrieren“, sagt Mölling. Seiner Einschätzung ist die Kampfjetkoalition Teil einer langfristigen Strategie, um die Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit der Ukraine nach dem Krieg zu erhöhen. „Ich rechne nicht damit, dass noch in diesem Jahr F-16 in der Ukraine fliegen werden.“
Europarat will Putin und Russland zur Rechenschaft ziehen
Die Staaten des Europarats wollen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine zur Rechenschaft ziehen.
© Quelle: Reuters
Kiew hofft auf 40 bis 50 Kampfjets vom Typ F-16 von den westlichen Partnern. Dies teilte der Berater des ukrainischen Verteidigungsministers, Jurij Sak, mit. Damit könnten drei bis vier Staffeln gebildet werden, sagte er. Nach Einschätzung von DGAP-Forschungsdirektor Mölling sind 40 bis 50 Kampfflugzeuge angesichts der Größe der Ukraine eine sehr niedrige Zahl. Schließlich seien die Flugzeuge nicht durchgehend im Einsatz, sondern müssten auch gewartet werden. „Diese Zahl scheint erst mal nur der Anfang zu sein, damit die westlichen Partner nicht aus allen Wolken fallen“, meint Mölling. Allen sei aber klar, dass die Ukraine langfristig mit deutlich mehr Kampfflugzeugen ausgestattet werden müsse. Er hält es für denkbar, dass die genannte Zahl in etwa der Anzahl an niederländischen Flugzeugen entspricht, die ohnehin gerade ausrangiert werden.
Laut einer Analyse der Rand-Cooperation, einer der führenden US-Thinktanks, der das US-Militär seit Jahren berät, könnten F-16 der Ukraine bei vielen derzeitigen Problemen weiterhelfen: „Luftüberlegenheit, Unterdrückung der Luftverteidigung, Geheimdienst, Überwachung und Aufklärung sowie Bodenangriff“, führt der Thinktank auf. F-16 könnten dort einspringen, wo die Frontflotte der Ukraine aus MiG-29 und Su-27 nicht ausreicht. Obwohl die ukrainische Luftwaffe seit Beginn des Krieges Dutzende alte MiG-29 aus Polen und der Slowakei erhalten hat, ist sie stark dezimiert. Zudem mangelt es an modernen Kampfflugzeugen. „Moderne russische Jäger wie die Su-35 und die MiG-31 sind den Flugzeugen der Ukraine überlegen“, so die Rand-Experten.
Doch wie gut die F-16 mit den Bedingungen in der Ukraine zurechtkommen, ist ungewiss. Diese westlichen Kampfflieger eignen sich laut Rand am besten für lange, makellose Start- und Landebahnen. „Auf den raueren, ehemals sowjetischen Flugplätzen, die über die ganze Ukraine verstreut sind, könnten sie Schwierigkeiten bekommen.“ Zudem fehle es der Ukraine noch an Infrastruktur, um die F-16 zu betreiben. Auf dieses Problem weist auch DGAP-Experte Mölling hin. Erst müsse noch die Infrastruktur für die westlichen Kampfflugzeuge aufgebaut werden, sagt er, zum Beispiel Werkstätten für Wartung und Reparatur.
RUSI-Experte Justin Bronk weist auf weitere Schwierigkeiten beim Einsatz der F-16 hin: Wegen der dichten Flugabwehr der Russen könnten die Kampfjets nicht bis zur Frontlinie fliegen. „Daher ist es unwahrscheinlich, dass ukrainische Piloten den Truppen nennenswerte Luftunterstützung leisten können.“ Stattdessen seien westliche Jets nötig, um russische Kampfflugzeuge und Marschflugkörper in der Luft abzuwehren.
Der Kampfjet F-16 zählt zu den erfolgreichsten Modellen und ist in 24 Ländern im Einsatz. Seit 2009 wurden mehr als 4400 Flugzeuge gebaut. Nun wird erwartet, dass Selenskyj auf dem G7- und dem Nato-Gipfel versuchen wird, weitere Länder von der Lieferung westlicher Kampfjets zu überzeugen. Deutschland hat selbst keine F-16, könnte aber den Druck auf die USA und Türkei erhöhen, der Ukraine einige Modelle zu überlassen.
Der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Yuriy Ignat, sagte bei einem Pressebriefing, die ukrainischen Kampfpiloten seien in der Lage, die F-16 innerhalb weniger Wochen zu beherrschen. „Aber Fliegen und Landen sind eine Sache, auf diesen Kampfjets zu kämpfen, ist eine andere.“ Es gebe bereits eine Liste mit Piloten, die im Fall der Fälle F-16 fliegen sollen. Ignat hält es für möglich, dass die F-16 zum neuen Haupttyp der ukrainischen Kampfflugzeuge werden könnte.