Auftritt von Spiegel sorgt für Irritation
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Anne Spiegel ( Bündnis 90/die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat bei einem kurzfristig einberufenen Statement ihren vierwöchigen Familienurlaub nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer als Fehler bezeichnet und sich dafür entschuldigt.
© Quelle: Annette Riedl/dpa
Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) ist entgegen zahlreicher Entlassungs- und Rücktrittsforderungen nicht von ihrem Amt zurückgetreten. Stattdessen bat sie am Sonntagabend mit einer persönlichen Stellungnahme mehrfach um Entschuldigung. Ihre Rede wirkte oft fahrig und orientierungslos – geprägt von langen Sprechpausen und hilfesuchenden Blicken.
Spiegel begründete ihre Entscheidung, als damalige Umweltministerin von Rheinland-Pfalz trotz der Flutkatastrophe in den Urlaub gefahren zu sein, mit dem Gesundheitszustand ihres Mannes und der Belastung ihrer vier Kinder durch die Corona-Pandemie. Im März 2019 habe ihr Ehemann einen Schlaganfall erlitten. „Dieser hatte dazu geführt, dass er ganz unbedingt Stress vermeiden musste“, so Spiegel. Kurz nach der Flutkatastrophe habe ihre Familie dringend Urlaub gebraucht, „weil mein Mann nicht mehr konnte“, erklärte Spiegel.
Mehrere Aspekte ihrer Rede sorgen bei Beobachtern für Irritation.
Demnach sah man Spiegel in ihrer stockenden Rede die Unsicherheit und Überforderung sichtlich an, twitterte der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer. Ihre Sätze hingen teils nicht richtig zusammen und sie machte große Gedankensprünge. Am Ende ihrer Rede vergaß sie scheinbar kurz, dass sie live war. „Jetzt fehlt noch ein Abbinder“, sagte sie.
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Erneute Rücktrittsforderung aus der CDU
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries forderte den Rücktritt von Spiegel. „Wenn ich ein Spitzenamt in der Politik über Jahre aus familiären Gründen nicht ausüben kann, muss ich es zurückgeben“, twitterte er.
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Aus der eigenen Partei erntet Spiegel Zuspruch: „Am Beispiel #AnneSpiegel wird auch verhandelt, wie menschlich Politik sein darf. Politiker*innen sind Menschen. Menschen können Fehler machen oder in harten Abwägungen Entscheidungen treffen, die sie später bereuen“, erklärte der grüne Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann.
Grünen-Politiker Marvin Schuth aus NRW schrieb: „Politiker*innen haben ein Recht auf Privatleben, auf Zeit mit der Familie, die eigene Gesundheit und die von Angehörigen nicht aus dem Blick zu verlieren. Dass sich die Priorisierung Privatleben vs Politik ändert, macht auch eine neue Politiker*innengeneration aus.“
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Ähnlich äußerte sich auch Bettina Schausten im heute-Journal des ZDF circa eine Stunde nach der Stellungnahme. Auch sie sprach von einer „neuen Fehlerkultur bei Politikern“.
Kritik von Politikjournalisten
Journalist Veit Medick hielt fest: „Also über dieses Statement von Anne Spiegel werden noch Doktorarbeiten geschrieben, fürchte ich.“ Bild-Journalist Julian Röpcke raunte: „Was war das denn? Sie macht nach 2 Tagen uns gegenüber falsche Angaben über ihren Urlaub, macht in der PK dann wieder falsche Angaben über unsere Anfrage und sagt am Ende, es tue ihr leid, ohne politische Verantwortung zu übernehmen?“
Einige Journalisten wiesen mehr oder weniger darauf hin, dass aus ihrer Sicht ein Rücktritt angebracht wäre. Nikolaus Blome, Politikredakteur von RTL, meinte etwa: „Gibt es bei den Grünen wirklich keine Person, die Ministerin #AnneSpiegel zum Rückzug überreden kann? Und zwar aus Sorge um sie?“
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Und ZDF-Journalistin Andrea Maurer fragte sich: „Was war die Strategie dieses #Statements? Überforderung mit einem Amt transparent machen – um in einem noch fordernderen Amt bleiben zu können?“ Andere wiederum machten deutlich, wie unbeholfen die Bundesministerin wirkte. „Das tut fast körperlich weh, Anne Spiegel dabei zuzusehen wie sie versucht zu erklären warum sie das (natürlich völlig) Unmögliche versucht hat: nämlich eine gute Ehefrau, eine gute Mutter und eine gute Ministerin zu sein“, twitterte SZ-Journalistin Lara Fritzsche.
Spiegel erläuterte am Sonntag, dass sie unmittelbar nach der Flut einen Krisenstab eingesetzt habe und weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht hätte. Die Abwägung zwischen ihrer Verantwortung als Ministerin und als Mutter sei ihr schwer gefallen. Sie habe daher entschieden, in den Urlaub zu fahren. Dies sei ein Fehler gewesen, für den sie sich entschuldige. Die zusätzliche Übernahme des Umweltressorts in Rheinland-Pfalz im Januar 2021 sei zu viel gewesen und haben ihre Familie „über die Grenze gebracht“.
Während ihres Urlaubs sei sie immer erreichbar gewesen, habe Telefonate geführt und sich informiert. Wenn es einen Einlass gegeben hätte, den Urlaub abzubrechen, dann hätte sie dies getan, sagte Spiegel.
Bereits vor ihrem denkwürdigen Auftritt gab es Rücktrittsforderungen gegen Spiegel. CDU-Chef Friedrich Merz forderte ihre Entlassung ebenso wie der familienpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Reichardt, und der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU, Josef Hovenjürgen.
Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 sind in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.
In Nordrhein-Westfalen hatte die dortige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser ihr Amt am Donnerstag niedergelegt, nachdem bekanntgeworden war, dass sich die 56-jährige Ministerin wenige Tage nach der Flutkatastrophe auf der Ferieninsel für ein Wochenende mit weiteren Regierungsmitgliedern getroffen hatte, um den Geburtstag ihres Mannes zu feiern.
RND/dpa/sas