EU-Reaktionen auf Johnson-Rücktritt: „Es kann nur besser werden“
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Boris Johnson
© Quelle: IMAGO/i Images
Brüssel. Zuletzt hat Boris Johnson die EU nur noch geärgert. Das Gezerre um das sogenannte Nordirland-Protokoll aus dem Brexit-Vertrag brachte manchen EU-Diplomaten an den Rand der Verzweiflung. Doch als die Nachricht von Johnsons baldigem Abtritt als Premierminister von Großbritannien am Donnerstag die Runde machte, waren in Brüssel keine allzu lauten Triumphschreie zu vernehmen.
Egal, wer in Downing Street regiere: Das Vereinigte Königreich bleibe ein wichtiger Partner der EU, hieß es in Brüssel mit diplomatischer Zurückhaltung. Das gelte für die bilaterale Zusammenarbeit mit dem ehemaligen EU-Mitgliedsland ebenso wie für gemeinsame Reaktionen auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
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Johnson hinterlässt Scherbenhaufen
Es war jedoch durchaus Erleichterung zu spüren, dass der Populist demnächst nicht mehr Regierungschef in London sein wird. „Boris Johnson fällt seinem selbst kultivierten Image des chaotischen Individualisten zum Opfer“, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es sei tragisch, „dass die konservative Partei erst jetzt die Wahrheit ausspricht – der Kaiser hat keine Kleider an“.
Sein erratisches Führungsverhalten, seine Nähe zu Trump und nicht zuletzt seine Brexit-Lügenkampagne und der Konfrontationskurs gegenüber der Europäischen Union sind eine schwere Hypothek für die politische Kultur im Vereinigten Königreich.
Katarina Barley (SPD),
Vizepräsidentin des Europaparlaments
Politisch hinterlasse Johnson einen Scherbenhaufen, so Barley weiter: „Sein erratisches Führungsverhalten, seine Nähe zu Trump und nicht zuletzt seine Brexit-Lügenkampagne und der Konfrontationskurs gegenüber der Europäischen Union sind eine schwere Hypothek für die politische Kultur im Vereinigten Königreich.“
Wer immer Johnson nachfolge, müsse ein „neues Vertrauensverhältnis zur EU aufbauen“, forderte Barley: „In Zeiten des Krieges in der Ukraine ist der Zusammenhalt zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich immens wichtig.“
Medienberichte: Britischer Premier Johnson wohl kurz vor Rücktritt
In Großbritannien zeichnet nun doch ein Rücktritt von Premierminister Boris Johnson ab.
© Quelle: Reuters
Ukraine-Politik wird sich nicht ändern
Besonders im Bereich der Sicherheit und der Verteidigung müssten Europäer und Briten an einem Strang ziehen, sagte die frühere deutsche Justizministerin: „Gerade angesichts des russischen Krieges in der Ukraine ist zu hoffen, dass die Selbstfindung der konservativen Partei in UK bald zu einem Ende kommt.“
Ich hoffe, dass es gelingt, den Übergang möglichst geräuschlos zu organisieren, weil wir gerade vor riesigen gemeinsamen Aufgaben stehen.
Hannah Neumann (Grüne),
Außenpolitikerin im Europaparlament
„Es kann nur besser werden“, sagte die Grünen-Außenpolitikerin aus dem Europaparlament, Hannah Neumann, dem RND. „Ich hoffe, dass es gelingt, den Übergang möglichst geräuschlos zu organisieren, weil wir gerade vor riesigen gemeinsamen Aufgaben stehen.“ Auch deswegen sei sie froh, dass das innenpolitische Drama in Großbritannien vorbei sei, sagte Neumann. „Im Rahmen der Nato ist das Vereinigte Königreich ein wichtiger Partner. Daran wird sich auch unter einer neuen Führung in London meiner Meinung nach wenig ändern.“
Ähnlich äußerte sich David McAllister (CDU), der die Kontaktgruppe zwischen Europaparlament und britischer Regierung leitet. „Entscheidend ist, dass das Vereinigte Königreich weiter regiert werden kann“, erklärte der frühere niedersächsische Ministerpräsident: „Diese Regierungskrise darf in dieser enorm herausfordernden Zeit nicht zu einem Stillstand des Landes führen. Mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine braucht es ein handlungsfähiges Vereinigtes Königreich an unserer Seite.“
Wie geht es im Brexit-Streit weiter?
Während die Grünen-Politikerin Neumann hoffte, dass der anstehende Regierungswechsel in London zu Entspannung im Streit zwischen der EU und Großbritannien um die Folgen des Brexits führen werden, gab sich McAllister skeptischer: „Ein grundlegender Positionswechsel in London hinsichtlich des Protokolls zu Irland und Nordirland ist leider nicht zu erwarten.“
Der Grund für diese Skepsis: Die meisten der potenziellen Nachfolgerinnen oder Nachfolger Johnsons befürworten eine unnachgiebige Brexit-Politik mindestens so vehement wie der Noch-Regierungschef.
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