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Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Der Wahn mit der Bahn

Eine Anzeigetafel macht am Bahnhof Oldenburg auf den Bahnstreik aufmerksam, das war Ende April. Nächste Woche steht ein neuer Bahnstreik an. Dann werden von Sonntag bis Dienstag keine Züge fahren.

Eine Anzeigetafel macht am Bahnhof Oldenburg auf den Bahnstreik aufmerksam, das war Ende April. Nächste Woche steht ein neuer Bahnstreik an. Dann werden von Sonntag bis Dienstag keine Züge fahren.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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natürlich hatte die Corona-Pandemie nichts Gutes. Man mag sich nicht mehr erinnern an den Lockdown, den Ausfall des Schulunterrichts, die Impfdebatte. Alles nur ein großer Kummer. Das Einzige, was in dieser trübsinnigen Zeit Furore gemacht und sich in die Zukunft katapultiert hat, ist: das Homeoffice. Arbeitgeber verloren überraschend schnell ihre Scheu, Beschäftigte von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Der Argwohn, da sei mehr Freizeit als Arbeitszeit, verpuffte. Denn der Laden wurde so überhaupt nur am Laufen gehalten, ohne dass Beschäftigte am Arbeitsplatz waren.

Heute macht man Homeoffice nicht, um das Büro oder Kolleginnen und Kollegen zu meiden. Homeoffice heute ist praktisch, wenn man keine Termine in der Hauptstadt, aber einen Handwerkertermin zu Hause hat. Die Kita zu ist oder man mit Schnupfen zwar arbeiten kann, aber niemanden anstecken will. Oder wenn die Bahn nicht fährt. Was man, wenn man im Berliner Umland wohnt, regelmäßig erlebt. Weil sie mal wieder kaputt ist. Eine Weiche repariert werden muss oder Schienen erneuert werden oder Schnee gefallen ist. Oder weil die Gewerkschaft streikt.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat die Beschäftigten von Sonntagabend, 22 Uhr, bis Mittwochmorgen, 0 Uhr, zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. 50 Stunden Warnstreik. Wahnstreik – wie mein Kollege Jan Sternberg schreibt, siehe unten.

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Nichts los am Bahnsteig, kaum ein Zug fährt ein, nur vereinzelt warten Menschen. Von Sonntag bis Dienstag wird das wieder die Realität an Bahnhöfen in ganz Deutschland sein, denn die EVG hält an ihrem geplanten Warnstreik fest.

Nichts los am Bahnsteig, kaum ein Zug fährt ein, nur vereinzelt warten Menschen. Von Sonntag bis Dienstag wird das wieder die Realität an Bahnhöfen in ganz Deutschland sein, denn die EVG hält an ihrem geplanten Warnstreik fest.

Bis gestern, 12 Uhr mittags, High Noon, lief das „Ultimatum“ der Bahngewerkschaft EVG für ein neues Tarifangebot der Deutschen Bahn. 50 Stunden Streik, das kann doch keiner wollen, denke ich. Soll die DB gefälligst weniger über Boni für ohnehin gut bezahlte Führungskräfte nachdenken und mehr für die Geringverdienenden tun. Und sollen die Gewerkschafter bitte schön die Kirche im Dorf lassen und sich erst einmal an den Verhandlungstisch setzen.

Aber es wurde 12 Uhr und es tat sich nichts. Die Arbeitgeber sagten, sie hätten die Forderungen in einem Punkt eins zu eins erfüllt. Die EVG sagt, die DB setze auf Spaltung und nehme dafür die Fahrgäste „in Geiselhaft“. So so. Geiselhaft. Geht’s noch? „Dann streikt doch nicht!“, würde ich gern laut rufen, aber natürlich sehe ich die Krux der Arbeitnehmervertreter.

Sie fordern für die – nicht üppig bezahlten – Beschäftigten mindestens 650 Euro mehr im Monat oder 12 Prozent bei den oberen Einkommen bei einem Jahr Laufzeit. Die Deutsche Bahn hat zuletzt einen steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich von insgesamt 2850 Euro und ab März 2024 stufenweise ein Lohnplus von insgesamt 10 Prozent für die unteren und mittleren sowie 8 Prozent für die oberen Lohngruppen angeboten – bei einer Laufzeit von 27 Monaten.

Erst im April streikten Mitglieder der EVG, so wie hier vorm Bahnhof Dammtor in Hamburg.

Erst im April streikten Mitglieder der EVG, so wie hier vorm Bahnhof Dammtor in Hamburg.

Der Knackpunkt ist aber zunächst der Mindestlohn, den etwa 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Bahn nur über Zulagen erhalten. Was ein ziemlicher Hammer ist, wenn der Bund, der den Mindestlohn durchgesetzt hat, im eigenen Unternehmen zu tricksen scheint. Insofern verstehe ich die EVG, die für 180.000 Beschäftigte bei der DB und weitere 50.000 bei weiteren Bahnunternehmen verhandelt. Aber muss es ein FÜNFZIG STUNDEN LANGER Warnstreik sein?

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Ich habe mir am 1. Mai gleich ein Deutschlandticket gekauft, das für den ganzen Monat gilt. Und nun hindert mich keine Baustelle an der Fahrt, sondern ein Streik. Ich bleibe der Bahn trotzdem treu, aber was ist mit den Autofans, die vielleicht gerade erwägen, für mehr Klimaschutz das 49-Euro-Ticket zu kaufen, wenn sie dann doch wieder in die Karre steigen müssen? Und das Frustrierende ist: Er wird wohl nicht der letzte Streik sein.

Die EVG steht nämlich traditionell in Konkurrenz zur kleineren Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Deren Vorsitzender, Claus Weselsky, hat uns Bahnfahrende auch schon das Fürchten gelehrt. Gibt die Bahn Forderungen der EVG nach, fühlt sich die GDL bemüßigt, noch höhere Forderungen anzustellen. Gern auch streikend begleitet. Was sagt Weselsky zu den jetzigen Tarifverhandlungen? „Ich bin mir sicher, dass es keinen Abschluss geben wird, bevor wir unsere Forderungen aufgestellt haben.“ Das soll am 5. Juni sein. Können die denn nicht gemeinsam verhandeln?

Immerhin räumt selbst die EVG ein, dass der Tarifstreit „für Außenstehende mittlerweile vielleicht bizarre Züge annimmt“. Bizarre Züge? Gar keine Züge! Am Montag und Dienstag sind wir nämlich sozusagen im „Lokdown“.

EVG hält an Streikplänen fest

Die EVG ruft zu einem fünfzigstündigen Streik ab Sonntagabend auf. Grund sei fehlende Kompromissbereitschaft der Arbeitgeber bei unteren Lohngruppen.

 

Machtpoker

Robert Habeck ist der Pate des Graichen-Clans und deswegen muss auch sehr klar formuliert werden, dass es sich hier um keine Affäre Graichen, sondern um eine Affäre Habeck handelt.

Alexander Dobrindt,

CSU-Landesgruppenchef im Bundestag

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Pate, Clan – wer denkt da nicht an Clankriminalität oder die Mafia? Durch den Bürgerkrieg in Libyen vor 40 Jahren kamen staatenlose arabische und palästinensische Familien nach Deutschland. Während sie zunächst nicht arbeiten durften und ihre Kinder nicht automatisch zur Schule schickten, bildeten einige von ihnen Parallelgesellschaften. Um (viel) Geld zu bekommen, konzentrierten sich Teile von Großfamilien auf Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Prostitution, Raubüberfälle. Die Polizei hat die Clankriminalität bis heute nicht im Griff. Die Mafia arbeitet ähnlich und bringt die Leute um.

Wegen der Trauzeugenaffäre fordern CDU und Linke den Rücktritt von Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Robert Habeck will an ihm festhalten.

Wegen der Trauzeugenaffäre fordern CDU und Linke den Rücktritt von Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Robert Habeck will an ihm festhalten.

Wie vornehm dagegen doch der Korruptions- und Bestechungsskandal um Bayerns Ministerpräsidenten Max Streibl und andere CSU-Politiker genannt wurde: „Amigo“-Affäre. Streibl trat 1993 zurück. Dobrindt hätte es bei einer Forderung nach einem Rücktritt von Staatssekretär Patrick Graichen oder sogar von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) belassen können. Der CSU-Politiker gilt aber spätestens seit den gescheiterten Jamaika-Sondierungen 2017 als „Grünen-Fresser“. Diesem Ruf will er vielleicht einfach nur gerecht werden.

 

Wie unsere Leserinnen und Leser auf die Lage schauen

An dieser Stelle geben wir Ihnen das Wort:

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Reiner Numrich aus Borchen zum Text über die Graichen-Affäre im Wirtschaftsministerium:

„Es ist schon erstaunlich, dass in einem Ministerium, welches über die zukünftige Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland entscheidet, kein einziger der sieben Staatsekretäre/innen über eine entsprechende naturwissenschaftliche oder technische Ausbildung verfügt. Ähnliches gilt auch für die Ebene darunter. Die Erzeugung von Energie basiert nun mal auf politisch und ideologisch nicht zu beeinflussenden Naturgesetzen. Es schadet nicht, wenn Entscheider Aussagen von angeblichen oder tatsächlichen Experten einordnen können. Sonst muss man sich nicht wundern, wenn die viel diskutierten Maßnahmen zur Energiewende erhebliche handwerkliche Mängel aufweisen und Herrn Habeck aus allen Richtungen Widerspruch entgegenschlägt.“

Mark Jehner zum selben Thema:

„Trauzeuge hin, Schwippschwager her – aus Sicht des Klimaschutzes war Graichens Personalentscheidung ein kluger Schachzug. Michael Schäfer saß jeweils bei WWF und Agora-Energiewende an der Schnittstelle zwischen Energie- und Industriepolitik einerseits und dem Naturschutz andererseits. Minister Habeck wird jetzt mit jemand anderem den – von seinen Gegnern geschürten – Konflikt lösen müssen: ein genaues Verzahnen von Klima- und Artenschutz.“

Frank Wagner aus Uetze zur Grundsatzrede von Kanzler Scholz vor dem EU-Parlament:

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„Je schlechter Menschen zuhören können, umso wichtiger ist es, dass sie das Zuhören lernen, da sind wir wieder beim Lehrermangel. Ich will nicht in einem Volk leben, in dem sich der effektivste Schreihals durchsetzt. Ich wünsche mir nicht einen Kanzler vom Typ Influencer. Die Bedeutungen in der Politik den Menschen näherzubringen und unseren gewählten Vertretern den Rücken zu stärken ist auch Ihre Aufgabe.“

 

Das ist auch noch lesenswert

Sie wissen vielleicht schon, dass ich ein Fan von Jan Sternbergs Schreibe bin. Wie er die Entscheidung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zu einem 50-Stunden-Warnstreik (ohne überhaupt einmal verhandelt zu haben) kommentiert hat – einfach wahnsinnig!

Der Klimawandel bringt immer mehr Tropenkrankheiten in den Norden. Mit den steigenden Temperaturen finden zum Beispiel das Dengue-Fieber, Zika und Chikungunya bessere Bedingungen. Mein Kollege Jakob Milzner hat sich an die Auswertung einer interessanten Studie gemacht.

Werden wir Menschen die künstliche Intelligenz im Griff behalten oder wird sie uns überrollen und wir schauen nur noch dumm zu? Mein Kollege Christoph Höland pocht auf frühzeitige Regulierung. Ich bin gespannt, ob das noch möglich ist.

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„Bro, was zum Henker ist passiert?“ Es waren nur diese Worte, die für Chris Tyson alles verändern sollten. Und dazu zwei Fotos: Tyson als Youtube-Idol vor ein paar Jahren und Tyson mit langen Haaren und lackierten Fingernägeln heute. Wie religiöse Rechte und Republikaner in den USA trans Personen zur Zielscheibe machen, hat mein Kollege Matthias Schwarzer einfühlsam aufgeschrieben.

 

Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Dienstag wieder. Dann berichtet mein Kollege Markus Decker. Bis dahin!

Herzlich

Ihre Kristina Dunz

Sie möchten uns Ihre Meinung zu den aktuellen Themen und Diskussionen in diesem Newsletter mitteilen? Oder möchten Sie Lob, Kritik und Anregungen mit uns teilen? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an hauptstadt-radar@rnd.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten. Wenn Sie keine Veröffentlichung wünschen, teilen Sie uns dies bitte in Ihrer E-Mail mit.

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