Darum geht es im Streit über das Dienstwagenprivileg
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Das Dienstwagenprivileg wird schon seit Jahren von Umweltverbänden kritisiert.
© Quelle: Soeren Stache/dpa
Berlin. Der Streit um das sogenannte Dienstwagenprivileg ist nicht neu, er kocht aber gerade mit voller Wucht hoch, seit die Grünen gefordert haben, den Steuerrabatt zu reformieren und mit dem gesparten Geld eine Fortsetzung des 9‑Euro-Tickets zu finanzieren. „Mit der steuerlichen Förderung von Dienstwagen werden vor allem Oberklassewagen mit hohem Spritverbrauch gefördert. Das ist weder klimapolitisch zeitgemäß noch mit Blick auf die öffentlichen Finanzen gerecht“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Die FDP positioniert sich klar dagegen, Bundesfinanzminister Christian Lindner stritt beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung sogar ab, dass die Pauschalversteuerung einen Vorteil bedeute, und bezeichnete den Begriff Dienstwagenprivileg als „linkes Framing“.
Die SPD als dritter Koalitionspartner ist eher auf der Seite der Grünen, „wobei hier verschiedenste Aspekte wie etwa die klimapolitische Lenkungswirkung, wirtschaftliche Effekte oder auch der bürokratische Aufwand für die Nutzerinnen und Nutzer im Sinne einer ausgewogenen Lösung zu beachten sind“, wie Fraktionsvize Detlef Müller dem RND sagte.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum jüngsten Ampelzoff:
Was ist das Dienstwagenprivileg?
Das sogenannte Dienstwagenprivileg ist ein Steuerrabatt, von dem sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer profitieren. Firmen, die Beschäftigten einen Dienstwagen zur Verfügung stellen, können sämtliche Kosten dafür als Betriebsausgabe steuerlich geltend machen – selbst wenn das Fahrzeug nur privat genutzt wird.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wiederum profitieren von einem Rundum-sorglos-Paket, denn der Chef oder die Chefin übernimmt in der Regel nicht nur Kaufpreis oder Leasingrate, sondern auch die Kosten für Versicherung, Reparaturen, TÜV und – je nach Vertragsgestaltung – auch für das Tanken. Allerdings müssen Beschäftigte auf diesen geldwerten Vorteil Steuern zahlen – entweder indem sie jeden privat gefahrenem Kilometer abrechnen oder pauschal ein Prozent des Listenpreises sowie 0,03 Prozent je Kilometer Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnort monatlich versteuern. Für elektrifizierte Fahrzeuge gelten geringere Sätze.
Gehen dem Staat dadurch Steuereinnahmen verloren?
Ja. Laut Umweltbundesamt liegt der tatsächliche geldwerte Vorteil von Dienstwagen meist deutlich höher als steuerlich berechnet, gerade wenn der Dienstwagen viel privat genutzt wird und die Entfernung zur Arbeitsstätte gering ist. Demnach entgehen dem Staat jährlich mindestens 3 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft schätzt die Einnahmeausfälle sogar auf durchschnittlich 4,4 Milliarden Euro im Jahr.
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„Epochale Herausforderung“: Unternehmer warnt vor Insolvenzwelle wegen steigender Energiepreise
Ein Unternehmer aus Hannover warnt wegen der drastisch steigenden Energiepreise vor einer Insolvenzwelle in Deutschland. Für Betriebe wie seinen sei die Entwicklung „ein GAU“, sagt Karsten Seehafer von der Hanomag-Lohnhärterei.
Wer profitiert vom Dienstwagenprivileg?
Laut einer deutschlandweiten Befragung der umweltorientierten Denkfabrik Agora Verkehrswende im Oktober 2021 haben insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit höherem Einkommen einen Dienstwagen im Haushalt. 917 Personen zwischen 30 und 60 Jahren wurden befragt, dabei gaben 23 Prozent der Personen, deren monatliches Haushaltseinkommen bei 6500 Euro oder mehr liegt, an, einen Dienstwagen zu besitzen. Bei einem Haushaltseinkommen unter 1500 Euro hatten nur 3 Prozent der Befragten einen Dienstwagen.
Neben Betrieben und hauptsächlich besser verdienenden Arbeitnehmern profitiert auch die Autoindustrie vom Dienstwagenprivileg. Das kurbelt den Neuwagenabsatz nämlich deutlich an: Mehr als 60 Prozent der Neuwagen werden jährlich auf Unternehmen zugelassen, etwa die Hälfte davon landet im gewerblichen Flottenbetrieb, zumeist als Dienstwagen.
Wie könnte eine Reform aussehen?
Aus Sicht der Grünen sollte der „steuerlich zu berücksichtigende Anteil stärker an den CO2-Ausstoß des Fahrzeugs“ gekoppelt werden, so Dröge. „Das heißt: Je umweltfreundlicher ein Dienstwagen ist, desto besser wirkt sich das für Unternehmen und Mitarbeitende aus.“ Parteichef Omid Nouripour sagte der dpa, derzeit seien zwei Drittel der Dienstwagen Autos mit mehr als 200 PS. Die zusätzlichen Steuereinnahmen bei einer Kopplung an den CO₂-Ausstoß könne man in ein regionales 29‑Euro- oder bundesweites 49‑Euro-Ticket investieren.