Viagra weiterhin nur auf Rezept: Warum ein Urologe das richtig findet
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Ein Ausschuss der Arzneimittelbehörde BfArM in Bonn beschäftigt sich am Dienstag mit der Frage, ob es Viagra und andere Potenzmittel rezeptfrei in der Apotheke zu kaufen geben soll.
© Quelle: picture-alliance / BSIP/B. BOISSONNET
Neben dem Allergiespray und dem Hustenlöser gleich noch eine Packung Viagra dazu? Eine Expertenrunde hat dazu am Dienstag beraten. Sildenafil, besser bekannt als die blaue Wunderpille Viagra, soll auch weiter nur mit Rezept erhältlich sein. Unrealistisch ist es aber nicht, dass das Medikament irgendwann rezeptfrei wird. Könnte damit eine neue sexuelle Revolution folgen, wie es sie Anfang der 60er-Jahre mit der Pille gab?
Daniel Schlager ist skeptisch. Er ist Urologe und leitet die Andrologie der Uniklinik Freiburg. Männer würden jetzt schon viel offener über Erektionsprobleme, allgemein regelmäßiger mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin sprechen. Die Revolution ist also eher eine stillere, hinter der geschlossenen Tür des Arztzimmers.
Die blaue Pille löst das Problem nicht
Vielmehr sei das medizinische Verständnis der erektilen Dysfunktion das Problem: Denn in Deutschland werde sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss als „Lifestyle-Problem“ klassifiziert und damit nicht als Erkrankung. „Wenn Viagra einfach in der Apotheke erhältlich ist, könnten Patienten denken, ihr Problem lässt sich mit einer Pille lösen“, sagt Schlager dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Das sei in vielerlei Hinsicht gefährlich.
„Es gibt den Spruch ‚der Penis ist die Antenne des Herzens‘, sagt Schlager. Die Erektionsstörung oder erektile Dysfunktion sei damit immer nur Symptom einer tiefer liegenden Erkrankung und nicht die Erkrankung selbst und gehöre damit immer ärztlich abgeklärt. Sie stellt eine Organfehlfunktion dar, die häufig ein Frühwarnsymptom von kardiovaskulären Erkrankungen ist.
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25 Jahre Viagra: die blaue Potenzpille, die alles änderte
Seit 25 Jahren greifen Millionen Männer mit Erektionsstörungen zu Viagra. Das Potenzmittel hat dabei geholfen, Tabus zu brechen und den Leidensdruck vieler Männer zu beenden. Doch ein weit verbreiteter Irrglaube prägt noch immer das Image der blauen Pille – und sie hat längst nicht alle sexuellen Probleme der Männer gelöst.
Wer sich ohne medizinische Abklärung die Pille besorgt, begibt sich sogar doppelt in Gefahr. „Diese Medikamente sind nur zur Symptomlinderung da, dafür, dass die Männer eine Erektion kriegen“, sagt Schlager. Das Problem an sich sei damit nicht gelöst. Zusätzlich setze man sich unbewusst möglichen Nebenwirkungen aus. Zwar sind diese meist gering, Viagra ist aber in Kombination mit anderen Medikamenten nicht zu unterschätzen.
Hirnschlag, Herzinfarkt und Bewusstlosigkeit
Viagra erweitert die Gefäße und kann zu Bewusstlosigkeit führen, wenn der Blutdruck zu stark sinkt, erklärt Schlager. Bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestehe die Gefahr eines Herzinfarkts, wenn ihre Gehirnareale nicht richtig durchblutet werden, auch die eines Hirninfarkts. Das ließe sich vermeiden, wenn ein Arzt genau im Bilde ist.
Die Gefahr ist besonders hoch, wenn Tabletten vom Schwarzmarkt stammen. Man wisse nichts über die Zusammensetzung oder die Dosierung. „Man tut sich selber überhaupt keinen Gefallen damit und spielt vielmehr mit seinem Leben“, sagt Schlager. Er glaubt nicht, dass eine Rezeptfreiheit von Viagra den Schwarzmarkt verändern könnte. Es gebe immer Patienten, die mehr von dem Medikament einnehmen wollen würden, als erlaubt oder auch weiterhin den Gang zum Arzt oder der Ärztin scheuen.
Für Schlager gibt es deswegen nur die eine Antwort, wenn es um die Rezeptfreiheit von Viagra geht: „Es ergibt aus rein medizinischer Sicht keinen Sinn.“ Für eine erektile Dysfunktion seien das Gespräch und die Behandlung durch einen Mediziner oder eine Medizinerin immer noch am erfolgversprechendsten: „Wegen anderer körperlicher Beschwerden geht man ja auch zum Arzt.“