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Linke Proteste in mehreren Städten

Urteil gegen Lina E.: Brennende Barrikaden in Leipzig – Vermummte greifen in Bremen Polizisten an

In Leipzig wurden Polizisten von Demonstranten aus dem linken Spektrum mit Pyrotechnik angegriffen.

In Leipzig wurden Polizisten von Demonstranten aus dem linken Spektrum mit Pyrotechnik angegriffen.

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Bremen. In mehreren Städten haben Sympathisanten gegen die Verurteilung der Studentin Lina E. wegen linksextremistischer Gewalttaten protestiert. Dabei kam es am Mittwochabend teilweise zu Ausschreitungen und Zusammenstößen. In Leipzig wurde eine Versammlung nach Angaben eines Polizeisprechers für beendet erklärt, nachdem Flaschen und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen worden seien. In der Bremer Innenstadt hätten sich rund 300 meist vermummte Personen versammelt und seien dann “relativ schnell und unvermittelt” auf Einsatzkräfte losgegangen, sagte eine Sprecherin der Polizei.

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Solidaritäts-Kundgebungen für Lina E. gab es unter anderem auch in Berlin, Hamburg und Dresden. Die 28-jährige Studentin war am Mittwoch zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Dresden sprach die aus Kassel stammende Studentin wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig.

Auch ein Wasserwerfer stand in Leipzig bereit.

Auch ein Wasserwerfer stand in Leipzig bereit.

Drei mitangeklagte Männer erhielten Strafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten. Der Haftbefehl gegen Lina E. wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, wenn das Urteil rechtskräftig ist – das Gericht ließ Revision zu. Der Generalbundesanwalt warf der Gruppe vor, zwischen 2018 und 2020 tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben.

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In Leipzig war nach Beobachtung einer dpa-Reporterin nach dem Urteil ein hohes Aggressionspotenzial zu spüren. Demonstrantinnen und Demonstranten riefen polizeifeindliche Sprüche. Es wurde Pyrotechnik gezündet. Polizisten wurden mit Böllern beworfen. Ein Polizeisprecher sagte, Personen seien in Gewahrsam genommen worden. Es habe aus mehreren Gruppen heraus Straftaten gegeben. Demonstranten hätten zum Beispiel Barrikaden errichtet oder Beamte mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik beworfen. Drei Polizisten seien bis zum späten Abend leicht verletzt worden.

Am Abend räumte die Polizei in Leipzig eine Barrikade, die Demonstranten auf einer Kreuzung mit Bauabsperrungen und dem Inhalt von Glascontainern errichtet hatten. Dabei kam auch ein Räumpanzer zum Einsatz. Auch ein Wasserwerfer stand bereit. Im Park, wo die Versammlung stattfand, hatte sich die Situation dagegen am späten Abend etwas beruhigt. Die Nacht soll dort unterdessen weitgehend ruhig geblieben sein. Im Stadtteil Connewitz brannte ein Auto. Ein Zusammenhang zum Demonstrationsgeschehen könne nicht ausgeschlossen werden, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstag. Drei Tatverdächtige seien vorläufig festgenommen worden.

Für den kommenden Samstag mobilisiert die linksradikale Szene überregional zu einem großen “Tag X” nach Leipzig. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen und bereitet einen Großeinsatz vor.

Forderung nach „Kampf ihrer Klassenjustiz”

Über die Ausschreitungen in Bremen sagte die Polizeisprecherin, es seien Glasflaschen und Steine auf Polizisten geworfen worden, auch Pyrotechnik sei gezündet worden. Es gebe bislang keine Angaben über mögliche Verletzte, teilte die Sprecherin mit. Auch über Festnahmen war bis zum späten Mittwochabend zunächst nichts bekannt. Die Lage beruhigte sich laut der Sprecherin am späten Abend. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit zahlreichen Kräften im Einsatz. Die Ausschreitungen stünden im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Lina E.

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Polizisten rangeln mit einer Demonstrantin nach einer Demonstration gegen die Verurteilung der mutmaßlichen Linksextremistin Lina E. im Karolinenviertel in Hamburg.

Polizisten rangeln mit einer Demonstrantin nach einer Demonstration gegen die Verurteilung der mutmaßlichen Linksextremistin Lina E. im Karolinenviertel in Hamburg.

In Hamburg versammelten sich Hunderte Anhänger der linken Szene zum Protest gegen die Verurteilung und zogen durch das Schanzenviertel. Die Polizei sprach in Schätzungen von etwa 1000 bis 2000 Teilnehmern. Auf Transparenten forderten sie unter anderem „Free them all” und „Kampf ihrer Klassenjustiz”. Bei ihrem Marsch wurden die Demonstranten von zahlreichen Polizisten begleitet. Auch Wasserwerfer standen bereit. Ein Polizeisprecher sagte, die Demonstration sei „überwiegend friedlich” verlaufen.

Demonstration in Berlin weitgehend friedlich

In Berlin bezifferte die Polizei die Teilnehmerzahl auf rund 500. Die Demonstration sei weitgehend friedlich verlaufen, es habe auch einige Rangeleien gegeben, hieß es in der Hauptstadt. In Dresden waren Sympathisanten zuvor – noch während der Urteilsbegründung – durch die sächsische Landeshauptstadt gezogen. Die Polizei machte zunächst keine Angaben zu den Teilnehmerzahlen, ein dpa-Reporter schätzte sie im niedrigen Hunderter-Bereich. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hielten Transparente mit der Aufschrift „Free Lina”.

In einem Autohaus in Halle - neben einer Polizeiinspektion - waren zudem in der Nacht zu Donnerstag zwei Autos angezündet worden. Es sei noch Gegenstand der Ermittlungen, ob die angezündeten Fahrzeuge mit der Verurteilung von Lina E. in Verbindung stünden, sagte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) am Donnerstag im Landtag. Insgesamt sei laut Polizei ein Sachschaden von rund 130.000 Euro entstanden.

Kritik der Innenministerin

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat unterdessen jegliche Ausschreitungen aufs Schärfste kritisiert. „Mein Appell ist noch mal und ich bin da etwas härter: Selbstjustiz ist nicht erlaubt in unserem Land“, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag am Rande eines Besuchs der Bundespolizei am Münchner Flughafen.

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Allen, die wegen des Urteils gegen Lina E. nun auf die Straße gingen und dort gewaltsam protestierten, rief Faeser zu: „Das ist nicht der richtige Weg. Wir leben in einem Rechtsstaat. Dort können Gerichtsurteile überprüft werden. Man kann dagegen vorgehen, wenn man das möchte. Aber mit Gewalt darauf zu reagieren, ist die völlig falsche Antwort“, betonte Faeser.

Faeser kündigte erneut an, die Sicherheitsbehörden in Deutschland würden keine gewalttätigen Ausschreitungen akzeptieren: „Und da kann ich auch nur sagen, wir werden als Rechtsstaat entschieden entgegentreten, überall auf der Straße. Wir werden auch mit der Bundespolizei massiv mit Kräften unterstützen. Das lassen wir nicht zu. Selbstjustiz, wie gesagt, ist in unserem Land nicht erlaubt.“

RND/dpa

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