Bluttat im Oberlinhaus: Kollegen rekonstruieren im Prozess die Stunden vor der Tat
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Die Angeklagte sitzt zum Prozessauftakt im Gerichtssaal im Landgericht Potsdam.
© Quelle: Carsten Koall/dpa-Pool/dpa
Potsdam. Vor dem Potsdamer Landgericht wurde der Fall wegen der Tötung von vier Schwerstbehinderten im Oberlinhaus in Potsdam-Babelsberg weiterverhandelt: Am Dienstag haben die Pfleger ausgesagt, die die Stunden vor der Tat mit der angeklagten Pflegerin Dienst taten. Die Angeklagte Ines R. hatte vier Menschen mit Behinderungen getötet, eine weitere Bewohnerin hat sie mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt.
Der Pfleger Dia A., sagte aus, sie habe an dem Tag traurig gewirkt. In der polizeilichen Vernehmung hatte er bereits angegeben „alle meine Kollegen haben schon mehrere Tage über ihren seelischen Zustand gesprochen“. Der Zustand habe seit etwa zwei Monaten bestanden, sagte der aus Syrien stammende Pfleger vor Gericht. Am Tattag sei Ines R. auffällig wortkarg gewesen.
Mitarbeiter stellten Überlastungsanzeige
In Bezug auf vorangegangene Aussagen über Personalmangel sagte der Pfleger, er habe gemeinsam mit einer Kollegin eine Überlastungsanzeige gestellt. Oft habe es Dienste mit nur zwei Mitarbeitern pro Schicht gegeben. Auf das Hilfegesuch habe es geheißen, Leasing-Kräfte würden nicht zu Hilfe gezogen, da sie doppelt so viel wie normale Angestellte kosteten.
Die Zeugin Irma O. schilderte den Zustand von Ines R. in der gemeinsamen Schicht am Tattag als normal. Eine Woche zuvor habe sie die Angeklagte gefragt, wie es ihr gehe, da R. traurig gewirkt habe, berichtete die 25-Jährige vor Gericht.
Erst als der Ehemann der Angeklagten in der Station anrief, um zu erfahren, was in der Schicht vorgefallen sei, habe sie bemerkt, dass Ines R. die Station bereits verlassen hatte. Nach seinem zweiten Anruf habe sie in einem der Zimmer der Klienten nachgeschaut und eine Tote entdeckt. Unter anderem wegen der Ereignisse der Tatnacht hat Irma O. mittlerweile den Arbeitgeber gewechselt.
Kollegin fand Angeklagte „zu ruhig“
Mit der Angeklagten sei sie in den acht Wochen der gemeinsamen Arbeit vor der Tat „nicht warm geworden“, sagte sie. Ines R. habe sie als „zu ruhig“ empfunden, sagte die examinierte Pflegerin. Wenige Tage vor der Tat habe die Angeklagte sie unvermittelt gefragt, ob sie ihr sympathisch sei. Auf eine ausweichende, vage gehaltene Antwort habe sie nachgefragt, ob sie sie respektiere. Die scherzhaft gemeinte verneinende Antwort habe die Angeklagte offenbar nicht als ironisch verstanden, sagte Irma O..
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Trauer in Potsdam: Im Mai hatten Menschen vor dem Thusnelda von Saldern Haus der Einrichtung Oberlinhaus Blumen und Beileidsbekundungen niedergelegt.
© Quelle: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dp
Sie berichtete zudem, dass sie ebenso wie ein muslimischer Kollege wenige Tage vor der Tat von Ines. R. von einer Einladung zum Grillen ausgeschlossen wurde. Die 25-Jährige Pflegerin vermutet mögliche Vorbehalte gegenüber Menschen aus anderen Kulturen als Grund. Der Pfleger Dia A. bestätigte diese Aussage nicht. Es sei kein Problem gewesen, dass er nicht aus Deutschland stammt. Ines R. sei „eine gute Kollegin“ gewesen.
Pflegedienstleiterin: Angeklagte war mütterlich gegenüber den Klienten
Im Anschluss an die Aussagen der beiden Kollegen der Angeklagten sagte die stellvertretende Pflegedienstleiterin aus. Wie bereits zuvor gehörte Kollegen beschrieb auch Anne-Katrin K. die Angeklagte als mütterlich gegenüber den Klienten.
Die Gewalttat im Potsdamer Oberlinhaus Ende April sorgte deutschlandweit für Entsetzen. Zum Auftakt des Prozesses Ende Oktober berichtete die angeklagte langjährige Mitarbeiterin über ihre psychischen Beeinträchtigungen und Personalmangel in der diakonischen Einrichtung. Die 52-Jährige muss sich wegen Mordes und weiterer Straftaten verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aus.
RND/epd