Nach Protesten: Debatte um Ja zum Sex per App

Vor ein paar Tagen demonstrierten in Melbourne Zehntausende gegen Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen, unter anderem nach mehreren Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe und Fehlverhaltens von Persönlichkeiten aus der Politik.

Vor ein paar Tagen demonstrierten in Melbourne Zehntausende gegen Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen, unter anderem nach mehreren Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe und Fehlverhaltens von Persönlichkeiten aus der Politik.

Sexuelle Gewalt hat in Australien enorm zugenommen: 2020 wurden im bevölkerungsreichsten Bundesstaat New South Wales 10 Prozent mehr sexuelle Übergriffe gemeldet. Nach landesweiten Protesten gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen hat nun Mick Fuller, ein ranghoher Vertreter der Polizei in New South Wales, vorgeschlagen, verstärkt Technologie zum Einsatz zu bringen. Fullers Idee ist, die Einwilligung zum Sex künftig über eine App zu regeln.

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In einem Meinungsstück für den „Daily Telegraph“ verglich Fuller seine Idee mit dem System, das die australische Regierung erfolgreich bei der Bewältigung der Corona-Pandemie zum Einsatz gebracht hat. So müssen Australier beim Betreten von Geschäften oder Restaurants derzeit einen QR-Code scannen. Dieser öffnet eine App, über die man ein- und auscheckt. Im Fall eines Covid-Ausbruchs können die Behörden so mögliche Kontakte einfach und schnell nachvollziehen.

Unromantisch oder praktisch?

Auch im Kampf gegen Sexualdelikte will Fuller nun auf Technologie setzen. Manche Leute würden vielleicht sagen, „wie unromantisch ist das denn“, schrieb Fuller, aber dann sollten sie daran denken, wie viele Menschen bereits online nach Freundschaft und Liebe suchten. „Es ist ja nicht so, als wären uns Technologie und Dating fremd“, erklärte der Australier. Per App ließe sich ähnlich wie bei beim „Covid-Check-in“ eine Dokumentation schaffen, in diesem Fall eben die Zustimmung zum Sex.

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Das Thema sexuelle Gewalt beschäftigt Australien inzwischen seit Wochen. Am Sonntag und Montag gingen mehrere Zehntausend Menschen auf die Straße, nicht nur um für mehr Frauenrechte zu kämpfen, sondern auch um ihrem Ärger über politische Ignoranz Luft zu machen. Denn vor allem der australische Premierminister Scott Morrison hatte mit Zurückhaltung reagiert, als eine Vergewaltigung im Parlament ans Tageslicht kam und sich selbst der Justizminister der schweren Anschuldigung eines historischen Missbrauchs ausgesetzt sah.

Die Organisatorinnen der sogenannten March4Justice-Proteste – Australiens neuer #MeToo-Kampagne – bezeichneten die Bewegung Anfang der Woche als die „größte Revolte von Frauen, die Australien je erlebt hat“. Wie tief die Probleme in der Gesellschaft verwurzelt sind, zeigt auch eine aktuelle Petition junger Frauen, die inzwischen über 35.000 Unterstützer hat und eine bessere Aufklärung junger Männer fordert. Sie brachte Tausende Geschichten junger Frauen ans Tageslicht, die sexuelle Übergriffe auf sie beschrieben. Die mutmaßlichen Täter sollen vor allem Schüler teurer Privatschulen für Jungen sein.

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Aufgrund der Ernsthaftigkeit der Lage und der Dringlichkeit, eine Lösung zu finden, begrüßte Tanya Plibersek, die Frauenbeauftragte der australischen Sozialdemokraten, Fullers Vorschlag zunächst. Immerhin gehe er das Thema „Einwilligung“ mit dem Vorschlag an, sagte die Politikerin. Sie gab allerdings auch zu bedenken, dass eine Zustimmung zum Geschlechtsverkehr „jederzeit wieder zurückgenommen“ werden könne. Denn es könne ja sein, dass eine Frau zunächst zugestimmt habe, dann aber doch nicht bereit sei, alles mitzumachen, was ihr Partner wolle, zitiert der Guardian Plibersek. Wichtiger sei es deswegen, Kinder früh über das Thema aufzuklären und ein respektvolles und altersgerechtes Programm in den Schulen einzuführen. Zudem wies die Politikerin darauf hin, wie schwierig es bisher im australischen Justizsystem ist, eine Verurteilung nach sexuellem Missbrauch zu erwirken. Auch hier müsse sich einiges ändern.

Sexualverbrechen nehmen zu

Auf sozialen Medien gingen viele dagegen deutlich härter mit Fullers Idee ins Gericht. So schrieb eine Internetnutzerin auf Twitter, solch eine App würde „Männer und nicht Frauen schützen“ und sei „eine schlechte Idee“. Eine weitere Nutzerin kritisierte, dass eine derartige App später auch als „Beweis“ gegen einen Vergewaltigungsvorwurf angeführt werden könne. „Sowas wird von Männern entwickelt, um es schwieriger für Frauen zu machen, eine Vergewaltigung zu beweisen“, schrieb die Nutzerin, die sich auf Twitter den Namen „Stilgherrian“ gibt.

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Fuller selbst machte am Donnerstag auch fast schon wieder einen Rückzieher. Im Interview mit dem staatlichen Sender ABC gab er zu, dass es womöglich die „schlechteste Idee“ sei, die er das ganze Jahr über gehabt habe. Doch letztendlich gehe es um die Diskussion, denn es sei dringlich, eine Lösung zu finden. „Intime Gewalt, insbesondere gegen Frauen, ist im Moment ein echtes Problemverbrechen bei uns“, sagte der Polizist. Egal ob die App-Idee nun angenommen werde oder nicht, sei es wichtig zu verstehen, dass die Zahl solcher Verbrechen ansteige und „wir sie konfrontieren müssen – entweder mit Hilfe von Technologie, Aufklärung, Training oder mit anderen Ideen“.

RND

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