Absturz im Livestream: Video zeigt die letzten Momente im Nepal-Flieger
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Die Maschine der nepalesischen Yeti Airlines verunglückte am Sonntagmorgen auf dem etwa halbstündigen Flug zwischen der Hauptstadt Kathmandu und Pokhara beim Landeanflug.
© Quelle: IMAGO/Xinhua
Neu Delhi. Das Video von Passagier Sonu Jaiswal begann damit, dass sich das Flugzeug der Landebahn näherte. Die zweimotorige Maschine vom Typ ATR 72-500 der Gesellschaft Yeti Airlines schwebte über Gebäude und grüne Felder der Stadt Pokhara in Nepal an den Ausläufern des Himalaya-Gebirges.
Alles sah normal aus, als Jaiswal in seinem anderthalbminütigen Facebook-Livestream vom Blick aus dem Fenster zu anderen Passagieren schwenkte, die lachten. Schließlich richtete Jaiswal, der einen gelben Pulli trug, die Kamera auf sich selbst. Er lächelte. Und dann passierte es. Das Flugzeug schien plötzlich nach links zu driften. Jaiswals Smartphone fing die Schreie der Mitreisenden ein. Innerhalb von Sekunden begann das Bild, zu verwackeln. Das Kreischen eines Motors war zu hören. Gegen Ende des Videos nehmen Flammen und Rauch das Bild ein.
Der Flug aus der Hauptstadt Kathmandu stürzte am Sonntag in eine Schlucht. Alle 72 Menschen an Bord starben. Darunter war auch die Kopilotin Anju Khatiwada, die jahrelang in den USA ausgebildet wurde, nachdem ihr Ehemann im Jahr 2006 bei einem Absturz als Pilot für dieselbe Fluggesellschaft ums Leben gekommen war. Kollegen beschrieben sie als versierte und sehr motivierte Fliegerin.
Hoffnung auf das Überleben
Die Tode der 44-jährigen Khatiwada und des 25-jährigen Jaiswal sind Teil eines tödlichen Musters in Nepal: Das Land hat über die Jahre eine Reihe von Flugzeugabstürzen erlebt. Dies liegt teils an dem schwierigen Terrain, schlechten Wetterverhältnissen und alternden Flugzeugflotten. Am Dienstag begannen die Behörden damit, einige identifizierte Leichen an Angehörige zu übergeben. Sie erklärten, der Flugdatenschreiber werde zur Analyse nach Frankreich geschickt. So sollte herausgefunden werden, was zu dem Absturz führte.
Flugschreiber nach Flugzeugabsturz in Nepal gefunden
Von den Daten erhoffen sich die Ermittler Aufschluss, was zu dem schwersten Flugunfall in Nepal seit 30 Jahren geführt haben könnte.
© Quelle: Reuters
430 Kilometer südlich der Unglücksstelle in Nepal, in der indischen Stadt Ghazipur, wartete unterdessen Jaiswals verstörte Familie darauf, seinen Leichnam identifizieren zu können. Sein Vater, Rajendra Prasad Jaiswal, trat am Montagabend eine Autoreise nach Kathmandu an. Das Warten sei hart, sagte Jaiswals Bruder, Deepak Jaiswal. Die Nachricht vom Absturz erreichte die Familie bereits nach Minuten, als Nachrichtensender damit begannen, Bilder der noch brennenden Flugzeugtrümmer auszustrahlen, wie Deepak sagte. Doch die Familie war nicht bereit, diesen Nachrichten Glauben zu schenken, hoffte noch immer auf das Überleben Sonu Jaiswals.
Bis Sonntagabend bestand dann Klarheit. Deepak, der der Nachrichtenagentur AP die Echtheit des Livestreams seines Bruders bestätigte, war das erste Familienmitglied, das das Video sah, das im Internet viral ging. „Wir konnten die Nachrichten nicht glauben, bis wir das Video sahen“, sagte er. „Es war schmerzhaft.“
Tiefe Spuren
Jaiswal, ein Vater von drei Kindern, arbeitete in einem lokalen Alkoholgeschäft in einem Dorf im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Deepak sagte, sein Bruder habe sich nach Nepal begeben, um einen hinduistischen Tempel zu besuchen, der der Gottheit Shiva gewidmet ist. Dort habe er für einen Sohn beten wollen. Anschließend habe er sich mit drei Freunden Pokhara anschauen wollen. „Er war nicht bloß mein Bruder“, sagte Deepak. „Ich habe mit ihm einen Freund verloren.“
Mit 72 Menschen an Bord: Passagierflugzeug in Nepal abgestürzt
In Nepal sind bei einem Flugzeugabsturz am Sonntag Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Die Maschine hatte 72 Menschen an Bord.
© Quelle: Reuters
Die Tragödie hinterließ vor allem in Nepal tiefe Spuren - 53 der Toten stammten von hier. Hunderte Angehörige und Freunde der Opfer versuchten, einander am Dienstag an einem lokalen Krankenhaus zu trösten. Familien von einigen bereits identifizierten Opfern bereiteten deren Bestattungen vor. Die Kolleginnen und Kollegen von Kopilotin Khatiwada konnten es noch immer nicht fassen. „Sie war eine sehr gute Pilotin und sehr erfahren“, sagte ein Sprecher von Yeti Airlines.
Sie flog seit 2010 für das Unternehmen - vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes Dipak Pokhrel bei einem Absturz als Pilot einer Yeti-Airlines-Maschine, bei dem alle neun Menschen an Bord starben. Khatiwada heiratete später erneut. Der Sprecher der Fluggesellschaft sagte, sie sei versiert gewesen, habe ein freundliches Wesen gehabt und sei nach Tausenden Flugstunden seit ihrem Eintritt in das Unternehmen in den Kapitänsrang aufgestiegen. „Wir haben unsere Beste verloren“, sagte er.
RND/AP