Weniger Öl aus Russland: Welchen Effekt hätte ein Tempolimit wirklich?
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Die Preise für Sprit sind durch den Krieg, den Russland in der Ukraine führt, massiv angestiegen. Das bringt die Tempolimitdebatte wieder in Fahrt.
© Quelle: imago images/photothek
Die Energieökonomin Claudia Kemfert plädiert dafür, den übermäßigen Verbrauch von Sprit zu überdenken, um unabhängiger von Russland zu werden. Gegen Putin helfe alles, bei dem „wir keine fossilen Energien verbrauchen wie ein Tempolimit, wie ein autofreier Sonntag, wie mit dem Fahrrad fahren“, sagte die Professorin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Montag in der Sendung „Hart aber fair“. „Hier geht es wirklich um die Dinge, die man selbst beisteuern kann.“
Ökonomen und Verbände sind sich einig: Wer langsamer fährt, verbraucht weniger Sprit. Laut Umweltbundesamt verbraucht beispielsweise ein typisches Fahrzeug mit 90 Stundenkilometern auf der gleichen Strecke 23 Prozent weniger Sprit als mit einer Geschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde. Als wie groß das Einsparpotenzial bewertet wird, hängt aber unter anderem davon ab, welche Maßnahmen ergriffen werden.
Laut Kemfert könnte man mit einem Tempolimit 5 bis 8 Prozent der russischen Ölimporte reduzieren – ausgehend von einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h auf deutschen Autobahnen, Tempo 80 außerorts und 30 km/h innerorts. Auch autofreie Sonntage seien wirksam, wenn auch mit geringerem Effekt als ein Tempolimit. „Wenn wir dann noch mehr tun – auch im Winter mal die Heizung zwei Grad runterdrehen – können wir in der Summe auf bis zu 15 Prozent der russischen Gas- und Öllieferungen verzichten.“
Umweltorganisationen berechnen Einsparpotenzial
Kemfert verweist bei ihren Einschätzungen unter anderem auf Daten der Umweltorganisation Greenpeace, der Deutschen Umwelthilfe und des Umweltbundesamts. Im Positionspapier von Greenpeace führt die NGO verschiedene Maßnahmen auf, um unabhängig von Öl und Gas aus Russland zu werden – unter anderem auch das Tempolimit. „Allein die Einführung eines Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen würde den Kraftstoffbedarf um zwei Millionen Tonnen pro Jahr senken“, heißt es darin. Das entspreche einem Anteil am Benzin- und Dieselabsatz in Deutschland von 3,8 Prozent und einem Anteil an den Mineralölimporten von 2,1 Prozent. Durch ein Tempolimit von 80 km/h außerorts könnte noch mehr Kraftstoff eingespart werden. Das Einsparpotential durch zwei autofreie Sonntage pro Monat liege laut Greenpeace bei 1,4 Prozent der Importe.
„Da sich einige der genannten Maßnahmen in ihren Wirkungen überschneiden, lassen sich die Einsparpotenziale nicht einfach aufaddieren“, heißt es weiter von den Autorinnen und Autoren des Greenpeace-Papiers. Ihrer Einschätzung nach ließen sich durch die zehn verschiedenen aufgeführten Maßnahmen die Öl- und Netto-Ölproduktimporte um mindestens 10 bis 12 Prozent verringern. Als weitere Maßnahmen werden Homeoffice, ein Verbot von Inlandsflügen, vermehrtes Radfahren, die Förderung von Wärmepumpen oder das Absenken der Raumtemperatur um ein bis zwei Grad genannt. Die Deutsche Umwelthilfe fordert ebenfalls ein Tempolimit – und zwar von 100 km/h auf deutschen Autobahnen, Tempo 80 außerorts und 30 km/h innerorts. Damit ließen sich nach Angaben der Umweltschutzorganisation 3,7 Milliarden Liter Benzin und Diesel einsparen – sowie 9,2 Millionen Tonnen CO₂.
Forscher: Generelles Tempolimit von 30
Der Mobilitätsforscher Andreas Knie, Professor am Wissenschaftszentrum Berlin, hält es ebenfalls für möglich, dass Deutschland durch sparsames Fahren und Tempolimits nicht mehr auf Öllieferungen aus Russland angewiesen sein könnte. Er sagte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Bei einem Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen könnten wir 5 bis 10 Prozent Öl einsparen, ein Drittel davon kommt aus Russland.“ Noch mehr helfe seiner Meinung nach ein generelles Tempolimit von 30 Stundenkilometern in Städten. Durch Sonntagsfahrverbote könnten laut dem Forscher 10 bis 15 Prozent des Spritverbrauchs eingespart werden. „Wir müssen nicht den Krieg in der Ukraine finanzieren“, so sein Fazit.
Die Ampelkoalition hatte sich jedoch in ihrem Koalitionsvertrag nicht für ein Tempolimit auf Autobahnen ausgesprochen. Eine solche Maßnahme hatten die Grünen vorgeschlagen, die FDP hatte dies abgelehnt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wollte zuletzt aber nicht ausschließen, dass das Thema noch einmal diskutiert werde. Eine Erhebung von Verkehrsdatenanbietern von Mitte März zeigte: Auch die gestiegenen Spritpreise führten nicht dazu, dass auf Autobahnen langsamer gefahren wurde.