Nie war der Westen wilder als heute – Kevin Costner ist zurück mit „Yellowstone“
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Nimmt das Gesetz schon mal in die eigene Hand: John Dutton (Kevin Costner) ist der Chef auf der „Yellowstone“-Ranch – und nicht zimperlich, wenn man ihm sein Land nehmen will.
© Quelle: KEVIN LYNCH FOR PARAMOUNT NETWOR
Amerika ist der Kontinent der Landnahmen. Die erste fand mit der europäischen Kolonisierung statt und führte zu einem Genozid an den Ureinwohnern, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts andauerte, gefolgt von sozialem Unrecht, das bis heute währt. Die endlose Wildnis bekam ihre Zäune, zu denen, die aus der „weißen“ Neugestaltung und den sich formierenden Vereinigten Staaten von Amerika profitierten, zählte damals auch die fiktive Familie von James Dutton, der sich einem Planwagentreck von Deutschen anschloss. Im 21. Jahrhundert ist sein Urenkel, der Witwer John Dutton (Kevin Costner) Besitzer der größten Ranch im Bundesstaat Montana. Und er hat alle Hände voll zu tun, seinen Grund und Boden zu bewahren.
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Ein zweite Landnahme steht an in der Serie „Yellowstone“ (die nach der Dutton-Ranch benamt ist und ab 1. April bei Paramount+ in die vierte Staffel geht). Großkapitalisten, Politiker, Juristen, Verbände sind verstrickt in schwer durchschaubaren Machenschaften, bei denen einiges vom Dutton-Besitz abgezwackt werden soll. Vom Touri-State Colorado lernen heißt siegen lernen, so ist die Devise der Fortschrittmacher. Man will global werden, ein Flughafen soll in der herrlich hinterwäldlerischen Landschaft entstehen, eine neue Stadt, ein Skiressort.
„Yellowstone“ ist eine Art „Game of Thrones – Wildwest“
Das ist auch nicht im Sinne des Ureinwohners und Politikers Chief Thomas Rainwater (Gil Birmingham), der zwar nicht eins ist mit Dutton, weil er von ihm Ahnenland zurückhaben möchte, der sich aber durchaus zu zweckgebundenen Allianzen bereit findet. Es ist ein großes „Game of Thrones – Wildwest“, das Serienmacher Taylor Sheridan hier ausfechten lässt, episch und schlicht zugleich, und bei der maßgeblichen Film- und Serienwebsite „International Movie Data Base“ nicht von ungefähr mit 8,7 Sternen bewertet.
Bisher haben John Dutton und seine Kinder allen gierigen Angreifern eine blutige Nase beschert. Am Schnittpunkt von dritter und vierter Staffel aber – hier beginnt der Zeitpunkt des Spoilerns, die indes nur wenig über die Handlung der vorherigen Staffeln verrät und keine „Auflösungen“ der Spannungsbögen der aktuellen Staffel wagt – wurde ein infames Kollektivattentat von „Bluthochzeit“-Qualität auf das Dutton-Imperium gestartet, auf Familienmitglieder, auf das Bunkhouse der „Yellowstone“-Cowboys und auf den Chef selbst, der auf offener Straße seinem Mordkommando mit Halbautomatischen begegnet. Und die Ursache liegt lange im Dunkel.
Kevin Costner spielt mit der Alterssexyness eines Gary Cooper
Die Schießerei, die kurze Zeit später folgt, verwandelt Autos in Siebe, wie man das aus Arthur Penns „Bonnie und Clyde“ (1967) kennt oder von dem Hinterhalt für Sonny Corleone in Francis Ford Coppolas „Der Pate“ (1972). Der Sheriff (Hugh Dillon) macht mal mit und schaut mal weg und überhaupt ist das Gesetz zwar da, aber über ihm steht das Gerechtigkeitsempfinden von John Dutton, den der 68-jährige Costner, der in früheren Tagen mit James Stewart verglichen wurde mit der Altersexyness eines Gary Cooper spielt.
Sohn Kayce (Luke Grimes) überzeugt mit jungenhaftem Charme und Buffalo-Bill-Optik, und es ist unfassbar, Kelly Reilly als Tochter Beth zuzusehen, aus deren Sexappeal immer wieder ein geradezu monströser Racheengel mit blauen Raubvogelaugen hervorbricht. Diese Leute vom Land, inklusive ihrer durch eine besondere Tat anverschworenen Kuhhirten und -hirtinnen sind von der Westernsorte „Kommst du mir krumm, niet‘ ich dich um.“ Immer noch besser als die von der „Ich niet‘ dich auf jeden Fall um“-Sorte.
Showrunner Sheridan versteht sich auf eine Spirale des Tragischen
Wie David Benioff und D. B. Weiss bei „Game of Thrones“ versteht sich auch Taylor Sheridan auf eine endlose Spirale des Tragischen und belässt den „comic relief“ beim Allernotwendigsten. Und wie bei „GoT“ wurden selbst die allerwinzigsten Nebenrollen exzellent besetzt. Sheridan ist übrigens auch vor der Kamera dabei. Der Tragödienmacher, der als Schauspieler begann, spielt den texanischen Pferdetrainer und -händler Travis. Sheridan, der auf einer Farm aufwuchs, zeigt dabei als Reiter so Spektakuläres, dass einem die Kinnlade klappt.
Aber wenn man dieser Staffel einen Vorwurf machen kann, dann, dass ihre Verliebtheit in den Job des Cowboys zu Show-Reitsequenzen führt, die sich schonmal wie Werbepausen anfühlen. So ist man erstmal froh, als Travis den armen Jimmy (Jefferson White) – neben Dutton-Sohn Jamie (Wes Bentley) der Unglücksrabe der Serie – auf einer Ranch in Texas abgeliefert hat, dem Land, „wo der Cowboy erfunden wurde“ und wo Jimmy „alles Glück braucht, das er kriegen kann“.
Dass der Underdog mit dem Schildkäppi im Lande der Stetson-Träger bei seiner von John Dutton eingefädelten Mannwerdung an seine Grenze gebracht werden wird, lässt schon der Ranchname „6666″ erahnen – es geht um eine „6″ über die Zahl des Teufels hinaus.
Der Zuschauer ergreift Partei für die aufrichtigen Schurken
Natürlich sind Zuschauer und Zuschauerin – wie bei den Corleones der „Pate“-Trilogie auf der Seite derjenigen Schurken, die außer mit Gewalt mit Charisma, Aufrichtigkeit und (eigenwilliger) Moral auftrumpfen. Dazu werden auch die Vorfahren der Duttons ins Gebet genommen. In einem Flashback in den schlimmen Winter von 1893 trifft James Dutton (Tim McGraw ist Protagonist des erfolgreichen „Yellowstone“-Serienablegers „1883″) auf Mitglieder der First Nations, die auf seinem Grund und Boden, ihren alten Jagd- und Lebensgründen, ihre Tipis aufgeschlagen haben, um einen Vorfahren zu bestatten. Wortkarg und generös hilft er den Indianern auch gegen den Hunger (und wer „1883″ gesehen hat, weiß, dass er allen Grund hätte, dies nicht zu tun).
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Im Reich von Selbstjustiz und rauchenden Colts werden auch Zeichen von Menschlichkeit gesetzt. Das gilt sogar für den gelegentlichen Unmenschen John Dutton und – beispielsweise – seinem Umgang mit Umweltaktivistinnen. Natürlich geht man dem als Publikum auf den Leim – es ist das Erfolgsgeheimnis, die Magie feiner, mehrdimensionaler Charaktergestaltung. Man mochte ja sogar Jamie Lennister in „Game of Thrones“.
Und wer – mal ehrlich – braucht auf einem geschundenen Planeten schon einen weiteren Flughafen und ein weiteres die Landschaft verschandelndes Skiressort?
„Yellowstone“, Staffel vier, zehn Episoden, von Taylor Sheridan, mit Kevin Costner, Luke Grimes, Kelly Reilly, Cole Hauser, Wes Bentley, Kelsey Chow, Gil Birmingham, Jefferson White, Forrie J. Smith, Moses Brings Plenty, Piper Perabo, Ryan Bingham (ab 1. April bei Paramount+)