ZDF-Kriegsreporterin Katrin Eigendorf: „Da lagen Leichen auf der Straße“
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ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf im Gespräch mit einem ukrainischen Soldaten: Die 60-jährige Journalistin ist für die Deutschen zu einem der Gesichter des Krieges geworden.
© Quelle: ZDF und Timo Bruhns
Sie berichten seit einem Jahr über den schrecklichen Krieg in der Ukraine. Verfolgt Sie das manchmal bis in den Schlaf?
Selten, ich kann eigentlich ganz gut zwischen dem, was ich erlebe, und dem, was ich davon mitnehme, trennen. Das muss man, glaube ich, auch, weil man sonst diesen Job dauerhaft gar nicht durchhalten könnte. Es gibt natürlich Ausnahmen, wenn ich besonders furchtbare Dinge gesehen habe wie zum Beispiel die Toten von Butscha. Das geht mir dann noch lange nach und verfolgt mich in meinen Gedanken.
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War das, was Sie nach dem Massaker von Butscha gesehen haben, Ihre bislang schlimmste Erfahrung?
Butscha ragt schon heraus, weil es das erste Mal war, dass man klar sehen konnte, was die russische Armee, russische Soldaten und Söldner der Zivilbevölkerung in diesem Krieg antun. Da lagen Leichen auf der Straße, Menschen, die mit am Rücken gefesselten Händen hingerichtet und in Gräben geworfen wurden, manche wiesen eindeutige Spuren von Folter auf. So etwas habe ich in der Form noch nie in meiner gesamten Berufslaufbahn gesehen. Als besonders schlimm empfand ich auch Massengräber, die in anderen Orten wie Isjum gefunden wurden.
Zur Person: Katrin Eigendorf
Katrin Eigendorf wurde 1962 in Tönisvorst in Nordrhein-Westfalen geboren und arbeitet seit den neunziger Jahren als Auslandskorrespondentin fürs Fernsehen. Sie war Redakteurin im ARD-Studio Paris und RTL-Korrespondentin in Moskau, seit 1999 reist sie für das ZDF als Reporterin zu den Krisenherden der Welt – sie berichtete unter anderem schon aus Georgien, dem Nahen Osten und Afghanistan. Von 2015 bis 2017 war sie Korrespondentin im ZDF-Studio Moskau und berichtet seit dieser Zeit kontinuierlich auch über die Entwicklungen in der Ukraine. Katrin Eigendorf ist mit Jörg Eigendorf, Konzernsprecher der Deutschen Bank, verheiratet und ist die Mutter von Alexandra Eigendorf, die als Popsängerin Ali Ryan bekannt wurde. Die Journalistin lebt in Berlin.
Ist es für Sie als Frau eine besondere Herausforderung, als Kriegsreporterin zu arbeiten?
Nein, da gibt es keinen Unterschied zu den Männern. Ich habe die gleichen Zugänge zum Geschehen, ich bin der gleichen Gefahr ausgesetzt wie meine männlichen Kollegen. Vielleicht hat man als Frau manchmal einen anderen Blick auf die Dinge, das mag schon sein. Vielleicht achtet man manchmal weniger auf das Geschehen an der Front und guckt dafür mehr auf die Opfer. In der Ukraine sind übrigens außer mir viele Frauen als Reporterinnen unterwegs, die einen Superjob machen, wie ich finde.
Sie sind durch den Krieg in der Ukraine einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden und haben für Ihre Berichterstattung schon zahlreiche Preise erhalten. Kann man sich darüber freuen?
Natürlich freue ich mich über die Preise, weil sie eine Anerkennung nicht nur meiner Arbeit sind, sondern auch eine Würdigung des Themas, um das es geht. Es geht ja letztendlich darum, dass wir Reporter und Reporterinnen sichtbar machen, was hier in der Ukraine geschieht. Und wenn mein Team und ich dafür Preise kriegen, dann bedeutet das, dass es die Menschen interessiert, was hier geschieht.
Sie waren früher Korrespondentin in Moskau. Sind Sie Putin in dieser Zeit mal begegnet?
Ich bin ihm des Öfteren begegnet, aber immer als Journalistin in Zusammenhang mit Konferenzen oder Staatsbesuchen. Persönlich habe ich nie mit ihm gesprochen.
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ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf im Gespräch mit einem ukrainischen Soldaten.
© Quelle: ZDF und Timo Bruhns
Welchen Eindruck haben Sie bei diesen Gelegenheiten von ihm gewonnen?
Sagen wir mal so, in den vielen Jahren, in denen ich Putin erlebe und verfolge, wie er auftritt und was er sagt, habe ich den Eindruck gewonnen, dass er sich immer weiter radikalisiert hat. Der Demokrat, den bestimmte Kreise in Deutschland in ihm gesehen haben, war er allerdings nie.
Hätten Sie damals gedacht, dass er mal einen Krieg vom Zaun bricht?
Ja. Man muss begreifen, dass sich Totalitarismus und Nationalismus nie mit dem eigenen Land zufriedengeben, sondern immer expandieren wollen. Wir sehen jetzt das wahre Gesicht dieses Regimes, und man hätte es auch schon vorher sehen können, schließlich hat Putin schon Kriege in Tschetschenien oder Georgien geführt, und er führt seit Jahren einen Krieg gegen den Westen – nicht mit Panzern oder Luftangriffen, sondern in Form eines Informationskrieges.
Gibt es bei allem Leid auch Momente der Hoffnung im Ukraine-Krieg?
Selten, aber natürlich gibt es auch positive Momente, die vor allem darin bestehen, wie die Menschen in der Ukraine mit dem Krieg umgehen. Ich erlebe hier einen ungeheuren Zusammenhalt, der mich immer wieder verblüfft.