Interview

ARD-Film „Kurzschluss“ mit Anke Engelke und Matthias Brandt: „Wir sind beide offensichtlich keine Silvestertypen“

Neuer Silvesterfilm: Anke Engelke und Matthias Brandt sind in der ARD in „Kurzschluss“ zu sehen.

Neuer Silvesterfilm: Anke Engelke und Matthias Brandt sind in der ARD in „Kurzschluss“ zu sehen.

Frau Engelke, Herr Brandt, in Ihrem Film „Kurzschluss“ geht es um zwei Menschen, die an Silvester durch einen unglücklichen Zufall im Vorraum einer Bankfiliale eingesperrt werden. Sie standen für diesen Film zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera und …

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Anke Engelke: Moment, Pardon, bevor es nur um uns geht: Wie fanden Sie den Film?

Ich fand ihn sehr sehenswert. Und ich war gespannt, wie die Versuchs­anordnung gelöst wird, dass man sich in der heutigen Zeit einschließen lassen kann und kein Smartphone zur Hand hat.

Engelke: Bingo.

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War das die größte Schwierigkeit des Films und des Drehbuchs?

Matthias Brandt: Ja, das Handy musste weg. Das ist eine grundsätzliche Entscheidung, die man mittlerweile beim Erzählen treffen muss: Gibt es Handys oder nicht? Denn davon hängt komplett die Art der Kommunikation ab. Mit Handy wird eine komplett andere Geschichte erzählt als ohne.

Engelke: Wir hatten ein sehr gutes Drehbuch, bei dessen Entwicklung wir auch ein wenig integriert wurden. Manchmal hält man sich als Schauspieler und Schauspielerin komplett heraus. Aber hier war es ganz gut, dass es diese Zusammen­arbeit mit uns gab. Und so hat das Drehbuch letztlich alle potenziellen Fragen und Infrage­stellungen bezüglich der Figuren mit einkalkuliert.

„Wir werden beide oft gefragt, welche Rollen wir noch spielen möchten“

Um meine Anfangsfrage noch einmal zu stellen: Sie stehen das erste Mal zusammen vor der Kamera. Warum hat es denn so lange gedauert?

Engelke: Aus Sicherheitsgründen? (Beide lachen) Ich wollte eine originelle Antwort geben, wir hören die Frage nicht zum ersten Mal. Aber im Ernst: Das ist natürlich eine berechtigte Frage. Matthias, du erklärst immer so gut, dass da offensichtlich ein Missverständnis herrscht. Offenbar nehmen viele Menschen an, dass die Schauspieler und Schau­spielerinnen Deutschlands in einer großen WG wohnen und sich miteinander verabreden. Aber diese Verabredungen werden nicht getroffen.

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Brandt: Mir wäre es sehr recht gewesen, wenn wir schon früher miteinander gearbeitet hätten. Mir ist es aber genauso recht, dass wir jetzt miteinander gearbeitet haben. Ich finde es auch müßig, darüber nachzudenken, was vielleicht früher passiert wäre. Ich mag Ihre Frage aber, weil sie beinhaltet, dass Sie damit etwas verbinden oder sich das auch vorher schon gut hätten vorstellen können. Und das ist natürlich auch eine Bestätigung für uns.

Engelke: Wir werden beide oft gefragt, welche Rollen wir noch spielen möchten oder mit wem wir noch vor der Kamera stehen wollen. Fragen wie diese kann ich schwer beantworten. Das funktioniert oft nur mit retrospektivem Blick, dass ich nach einem Film oder einem anderen Projekt sage: Oh, verrückt, dass ich da nicht vorher drauf gekommen bin.

Brandt: Solche Wunschprojekte oder Wunschrollen haben oft auch einen großen Nachteil. Denn sie beinhalten dann ja bestimmte Ambitionen und Vorstellungen, wie etwas werden soll. Man ist dann hauptsächlich damit beschäftigt, dass sich diese Wünsche für einen auch einlösen. Ich glaube nicht, dass sich so etwas förderlich auf die Arbeit auswirkt.

Also verlassen Sie sich lieber nicht aufs Wünschen?

Brandt: Für mich waren die schönsten Arbeiten diejenigen, die mir zugeflogen sind. Wie überhaupt das meiste in meinem Leben, was mir über den Weg gelaufen ist, das Beständigste und Tragfähigste war. Zudem ist es bei Rollen manchmal wichtig, dass man als Schauspieler zwischendurch eine Distanz zu ihnen einnehmen und sich fragen kann: Warum wollen jetzt eigentlich alle, dass ich diese Rolle spiele? Wenn ich mir diese Rolle aber selbst eingebrockt habe, weil sie mein eigener Wunsch war, habe ich eine ganz andere Verantwortung.

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„Ich bin absolut keine Feiermaus“

Ist das nicht im normalen Leben oft auch so? Da ist es doch ebenfalls hinderlich, wenn man ganz genaue Vorstellungen im Kopf hat, wie etwa das Weihnachtsfest oder der Urlaub aussehen soll. Stattdessen ist es häufig doch besser, wenn einfach etwas passiert und es nicht als Wunsch­vorstellung im Kopf herumspukt.

Engelke: Und deswegen können Sie leider, leider auch gleich Ihre Fragen streichen, die Sie bestimmt noch stellen wollen – und bei denen Sie sich von uns Granaten­antworten erhoffen.

Die da wären?

Engelke: Was sind Ihre Silvesterrituale? Was nehmen Sie sich fürs nächste Jahr vor? Was wünschen Sie sich für 2023?

Da ich weiß, dass Sie solche privaten Fragen eigentlich nicht beantworten, hatte ich das gar nicht vor.

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Engelke: Aber die liegen ja bei einem Film, in dem es um Silvester geht, auf der Hand.

Dann stelle ich die Fragen natürlich gern. Also wie sieht Ihr Silvester aus?

Engelke: Wir sind beide offensichtlich keine Silvestertypen. Matthias ist da offenbar noch krasser als ich. Er ist, wie er mir erzählt hat, schon um 22 Uhr im Bett und schläft dann ins neue Jahr.

Und Sie?

Engelke: In meiner großen Familie muss ich schon ein bisschen mitmachen, aber ich gehe an Silvester trotzdem gern zügig ins Bett, weil ich den Tag als extrem aufgeladen empfinde. Dazu kommt, dass ich überhaupt keine Partymaus bin, dass ich nicht gern auf Feste gehe, dass ich absolut keine Karnevalistin bin. Das ist alles nicht mein Ding, und in diesen Sack packe ich auch Silvester.

Partys sind ja das eine, aber wünschen Sie sich trotzdem etwas fürs neue Jahr?

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Engelke: Auch das entspricht nicht meinem Naturell, mir irgend­welche Traumrollen ausdenken, die ich im kommenden Jahr oder in ferner Zukunft gern spielen würde. Ich kann so konkret gar nicht denken. Außerdem würde ich wegen des Frusts durch eine enttäuschte Erwartung irre werden. Schon der potenzielle Frust würde mich verrückt machen. Deswegen lasse ich alles gern so geschehen, wie es kommt.

„Wenn es nicht funktioniert hätte, hätte es auch keinen Sinn gehabt, den Film zu veröffentlichen“

Jetzt haben wir viel über Wunsch­vorstellungen und Erwartungen gesprochen. Also: Wie waren denn nun die Dreharbeiten?

Engelke: Ganz, ganz wunderbar, allein schon deshalb, weil ich vor einiger Zeit endlich verstanden habe, dass Drehzeit Lebenszeit ist. Ich will nicht mehr von Dreharbeiten fluchend nach Hause fahren und mich ärgern. Das klappt seit vielen Jahren und ist ein großes Privileg.

Brandt: Es reisen ja immer eine innere Anspannung und große Neugierde mit, wenn man noch nicht miteinander gearbeitet hat – egal, wie gut man sich das vorstellen kann oder was man sich davon erhofft. Wie es sich dann letztlich entwickelt, entscheidet sich sowieso erst vor der Kamera. Aber im Spiel mit Anke hat sich für mich alles sehr beglückend eingelöst. Es war in unserem Fall sehr schnell klar, dass es mit unserer gemeinsamen Arbeit gut funktioniert und wir beide sehr voneinander profitieren werden.

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„Kurzschluss“ ist ein Kammerspiel, ­also ein Stück auf kleinem Raum, mit wenigen Akteuren und dem Augenmerk auf Dialogen. Welche Vorteile und Nachteile hat das?

Brandt: Wenn man viel miteinander anfangen kann, ist es ein Vorteil, wenn man nichts miteinander anfangen kann, ein Nachteil. Hier war es unbedingt ein Vorteil. Aber man ist in einer solchen Drehsituation schon sehr aufeinander angewiesen. Wenn es nicht funktioniert hätte, hätte es auch keinen Sinn gehabt, den Film zu veröffentlichen.

Engelke: Stell dir das mal vor! Auf jeden Fall ist es sehr beglückend, wenn man gut miteinander arbeiten kann. Das heißt ja nicht, dass man dauergrinsend durch die Gegend rennt, sondern das gute Gefühl hat, sich aufeinander verlassen zu können. Man wünscht sich vom Gegenüber Integrität beim Spiel: Ich kann mich auf dich verlassen, und du kannst dich auf mich verlassen. Das heißt zum Beispiel: Wenn ich dich jetzt zu lange anschaue oder wenn ich in einem Take einen Minimoment zu lange pausiere, heißt es nicht, dass ich gerade einen Hänger habe oder gerade noch meinen Wochen­end­einkauf durchgehe. Sondern es geschieht, weil wir beide gerade intensiv in diesem einen Moment sind. So etwas ist dann schon echt magisch.

Brandt: Bei Musikern ist das ein viel selbst­verständlicherer Vorgang. Man merkt ja sehr schnell, ob man Musik von Leuten hört, die einfach nur zusammen­gepfercht wurden – auch wenn es für sich alles gute Musiker sind – oder ob da Musiker zusammen­kommen, die Freude daran haben, gemeinsam zu spielen. Die auch Freude daran haben, wie der andere Musik macht und dass der andere vielleicht anders Musik macht als man selbst. Bei Musikern ist es auch viel normaler zu sagen: Du bist ein toller Musiker, eine tolle Musikerin, aber hier passt es gerade mit uns nicht zusammen. Das würde in unserer Branche sofort als Misstrauens­bekundung dem anderen gegenüber oder sogar als Miss­achtung gewertet – was es aber gar nicht sein muss. Manchmal harmoniert man halt einfach nicht miteinander.

Engelke: Das Schauspiel wird vielleicht von außen nicht als Klang wahr­genommen, aber auch wir stellen ja einen Klangkörper her. Bei der Musik ist das natürlich viel eindeutiger. Was für ein schönes Gefühl es etwa beim Jazz ist, wenn man alles einfach durchrauschen lässt, mit der Haltung, „dann sind es halt mal nicht acht oder 16 Takte, wir werden schon irgendwann wieder zusammen­kommen. Aber jetzt ist es einfach so gut, wie wir es spielen“. Und dieses Schwingen­lassen gibt es beim Schauspiel auch, selbst wenn wir uns nach einem festgelegten Drehbuch richten müssen. Wir spielen das jetzt zusammen, wir sind gerade wir, wir sind gerade miteinander genau an diesem Ort in diesem Moment. Das ist unser geschützter Raum, da können wir uns miteinander bewegen.

„Der Film lebt davon, dass uns die Kamera sehr nahekommt“

Herr Brandt, Sie spielen zurzeit Max Frischs „Mein Name sei Gantenbein“ am Berliner Ensemble. Ist solch ein Kammerspiel wie „Kurzschluss“ dem Theater näher oder dem Fernsehen?

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Brandt: Die Arbeiten am „Gantenbein“ und an „Kurzschluss“ schlossen sich für mich direkt hintereinander an. Das sind ganz unterschiedliche Aggregat­zustände. Man könnte meinen, dass es bei unserem Film so eine Art Theaterbühne sein darf. Aber wir sind das vollkommen anders angegangen und haben es auch anders gespielt. Wir wussten ja in jedem Moment, dass uns eine Kamera zuschaut und kein Theaterpublikum. Der Film lebt davon, dass uns die Kamera sehr nahekommt. Das wäre so auf offener Bühne gar nicht zu transportieren. Ohne Kameras würde „Kurzschluss“ sehr viel verlieren, weil die Handlung an sich ja überschaubar ist. Der Film spielt ja zu einem großen Teil in unseren Gesichtern.

Engelke: Ich denke auch an die Szene, in der wir beide neben­einander liegen, und die Kamera filmt das von oben. Was für ein intimer Moment, zwei einander fremde Menschen liegen auf dem Fußboden nebeneinander. Eine solche Szene ist nur fernseh­kompatibel.

Es geht in dem Film auch um temporäre Gefangenschaft, zum einen in der Bankfiliale, zum anderen im Leben des Protagonisten und der Protagonistin, in dem sie sich aus unterschiedlichen Gründen eingesperrt fühlen. Ist das für Sie ein zentraler Punkt des Films?

Engelke: Das ist für mich eher ein zweiter, dritter, vierter Gedanke. Ich finde es viel spannender, auf die Form der Kommunikation zu schauen, wie diese beiden Menschen miteinander umgehen. Die Aufgaben­stellung lädt ja zu solchen Fragen ein wie: Könnt ihr miteinander kommunizieren, wenn ihr einander anschaut und miteinander sprecht?

Brandt: Ich habe auch eher einen anderen Gedanken: Ich finde es erstaunlich, dass man zu solchen Mitteln greifen muss – also Menschen im selben Raum einzusperren, der sonst keine Ablenkungen bietet, und ihnen das Handy wegzunehmen –, damit sie wieder anfangen, wirklich konkret mit dem Gegenüber zu kommunizieren. Das war für mich eine enorm interessante Idee bei dem Film.

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Es muss also eine Zwangssituation her, damit wir unser Handy weglegen?

Brandt: Offenkundig. Es geht doch immer mehr verloren, einen anderen Menschen anzuschauen – und zwar nicht durch einen Sucher oder mit dem Gedanken an Verwertbarkeit oder mit der Frage im Hinterkopf, was mir der andere Mensch bringen kann. Sondern direkt, mit den eigenen Augen, ohne die Frage, was ich davon habe. Ich halte es für ein großes Problem, dass Menschen so häufig nicht mehr kommunizieren.

„Kurzschluss“ läuft Silvester um 19.30 Uhr

Nur noch mal schnell Geld abheben und dann rein in den Jahreswechsel. Als Bettina (Anke Engelke) und Martin (Matthias Brandt) die Bankfiliale betreten, muss es schnell gehen. Doch dann fällt der Strom aus, die Tür öffnet sich nicht mehr, die beiden sind Gefangene. Ihre Handys haben keinen Empfang und weitere Ent- und Verwicklungen führen dazu, dass Bettina und Martin miteinander sprechen (müssen). Engelke und Brandt spielen in ihrer ersten gemeinsamen Produktion diese Gespräche, das Staunen übereinander und über sich selbst, die Erkenntnisse und Aha-Erlebnisse so glaubwürdig, amüsant und eindringlich, dass der 30‑minütige Film das Zeug für einen neuen Silvesterklassiker hat.

„Kurzschluss“ wird am 31. Dezember um 19.30 Uhr im Ersten gezeigt. Brandt spielt zurzeit als Ein-Mann-Stück „Mein Name sei Gantenbein“ am Berliner Ensemble. Anke Engelke war in diesem Jahr unter anderem in dem Film „Mutter“ zu sehen.

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