E-Paper

Rohes Fest: der besondere Weihnachtsfilm „Stirb langsam“

Definitiv ein Weihnachtsfilm: John McClane (Bruce Willis) ist in „Stirb langsam“ wie ein wilder Santa durch das Schachtsystem eines Hochhauses gerutscht, um – unter anderem – seiner Frau Holly (Bonnie Bedelia) die Freiheit zu schenken. Terroristen hatten sie als Geisel genommen.

Definitiv ein Weihnachtsfilm: John McClane (Bruce Willis) ist in „Stirb langsam“ wie ein wilder Santa durch das Schachtsystem eines Hochhauses gerutscht, um – unter anderem – seiner Frau Holly (Bonnie Bedelia) die Freiheit zu schenken. Terroristen hatten sie als Geisel genommen.

Wenn ein Ros‘ entsprungen ist, Maria durch ein‘ Dornwald ging, auch die fröhliche, selige, gnadenbringende Weihnachtszeit besungen wurde und die Geschenke ausgepackt sind, geht in Deutschland ganz schnell der Fernseher an. Alle Jahre wieder: dieselben Lieder, dieselben Filme. Man schaut James Stewart zu, wie er in „Ist das Leben nicht schön?“ seine Daseinsfreude zurückgewinnt, wie die Griswolds zum Fest im Chaos versinken, wie der zuhause vergessene Kevin Einbrecher ihre Missetat bereuen lässt oder ein junger Zweifler via „Polarexpress“ zum Weihnachtsmann gekarrt wird.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Und dann gibt es noch „Stirb langsam“

Dann gibt es noch – „Feuerzangenbowle“, „Tatsächlich … Liebe“, „Harry und Sally“ in der Jahresendzeitfilmhitparade. Und es gibt – Tusch mit Weihnachtstrompete! – „Stirb langsam“.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Der ist vordergründig – geht man vom vielen Maschinenpistolengeknatter und den zahllosen Mündungsfeuerblitzen aus – eher ein Film für Silvester (also für das Böllersilvester früherer Zeiten). Zwar könnte das Wort „langsam“ auf Weihnachten als Zeit der Entschleunigung hindeuten, aber die Bedeutung des Filmtitels – wer langsam stirbt, lebt länger – ist doch nun kein wirklicher Trost. Und Bruce Willis gegen mutmassliche Terroristen, die ein Hochhaus besetzen und Geiseln genommen haben, das macht die stille Nacht viel zu laut. Es gibt 23 Tote!! Ratatazong. Weg ist nicht nur der Balkon. Dazu immer dieses cowboyhafte „Yippie-ya-yeah, Schweinebacke!“, mit dem Willis einen auf nicht aus der Ruhe zu bringender Außendienstmitarbeiter des NYPD macht. Das ist doch nicht unser Weihnachten!

„Stirb langsam“ ist in den USA und Kanada ein Christmas-Knaller

Und doch sitzen in Kanada und den USA (und mit Abstrichen auch bei uns in Deutschland) Jahr für Jahr zahllose Menschen in der Zeit von Kerzenschein und Plätzchenduft vor dem Bildschirm, um dem Cop John McClane zuzusehen, wie er dem Schurkenchef Hans „Jack“ Gruber (gespielt von Alan „Snape“ Rickman) einen Raubzug und eine Freipressung von Terrorkollegen vermasselt. Laut einer Umfrage von 2018 halten 25 Prozent aller erwachsenen Amerikaner das 1988 von John McTiernan gedrehte Actionstück für einen Weihnachtsfilm reinsten Wassers. Zugegeben: 62 Prozent sind anderer Meinung (13 Prozent haben keine). Aber ein Viertel sind eine ganze Menge – etwa 65 Millionen Leute.

Das Drumherum und Mittendurch ist schon mal zweifellos weihnachtlich: Auch wenn der Filmhimmel über der Stadt der Engel Ende Dezember so rot aussieht, als sei gerade mal wieder ein Apokalypsefeuer am Brennen, sind in zahllosen Einstellungen von Kameramann Jan de Bont Christbäume, Lichterketten und Plastikweihnachtsmänner zu sehen. Alle naslang erklingen zudem Weihnachtslieder, voran Vaughn Monroes „Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!“ – ein frommer Wunsch für Kalifornien. Und auch in Michael Kamens Soundtrack finden sich festliche Klänge eingewoben. Inklusive Beethovens Schiller-Vertonung aus der neunten Sinfonie: „Freude, schöner Götterfunken“.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Stirb langsam“ hätte auch weihnachtlicher „Leb‘ bewusst“ oder „Lieb‘ beharrlich“ heißen können. Der Film hat einen Helden, der, um am Fest von Jesu Geburt bei seiner von ihm getrennt lebenden Familie sein zu können, eine lange Reise von New York nach Kalifornien auf sich nimmt, sich seinen schlimmsten Ängsten (Fliegen, Höhe) stellt, und damit eine klare Botschaft der Nächstenliebe sendet.

Am Ende schneit es dann auch mal in Kalifornien

Die, für die er eintritt, stehen dabei zunächst für das Fest des Konsums. Es sind die amerikanischen Mitarbeiter eines japanischen Technologieunternehmen, das auf seiner Weihnachtsfeier in Los Angeles überfallen wird. Japan galt in den Achtzigerjahren als das Land von internationalem Unternehmensfraß und Hyperkapitalismus. Dass Pearl Harbor nicht funktioniert habe, gesteht der Firmenchef denn auch frank und frei gegenüber John McClane ein, dass man jetzt aber das amerikanische Volk viel erfolgreicher mit Videorekordern bombardiere.

So erscheinen die Terroristen zunächst als Antikapitalisten. Am Ende ist aber alles nur vorgeschützt. Hans Gruber gibt zu, die 640 Millionen Dollar in Anlagepapieren für sich und seine Bande haben zu wollen, um sich dergestalt bereichert „unter Palmen die Sonne auf den Bauch scheinen“ zu lassen. Hinter Idealismus stecken Materialismus und Nihilismus. Ohne John McClanes unbeirrbares Streben nach Weihnachtsharmonie mit seiner Familie wäre der Film ein rabenschwarzer Kinoklumpen. Am Ende rieseln die Wertpapiere vom Hochhaus und damit schneit‘s endlich auch mal in Kalifornien.

Bruce Willis kriecht wie ein verirrter Santa durch die Schächte

Naja, und außerdem kraucht McClane, der mit einem Jet vom Himmel hoch herkommt, quasi die ganze Zeit durch Versorgungs-, Lift- und Luftschächte wie ein Santa, der sich in einem komplizierten Kaminsystem verirrt hat. Er hat als Rentier-Rudolf-Ersatz einen Chauffeur namens Argyle zur Seite, der mit einem tollen Schlitten (Stretchlimousine) in der Kelleretage wartet, um im rechten Moment seinen großen Auftritt zu zelebrieren. Santa Johns Geschenk für die Friedfertigen ist schließlich die Freiheit – noch so ein schöner Götterfunken und bekanntermaßen das allerhöchste Gut. Und für die Unartigen mit ihrem unerfüllbaren Wunschzettel hat er Actionfilmäquivalente zur Rute parat.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Auf die Weihnachtsmänner vom LAPD (wie immer unfähig) und vom FBI (wieder mal die totale Special-Agent-Hybris) wollen wir hier nicht näher eingehen.

In „Stirb langsam“ geschehen so einige Wunder

„Es ist Weihnachten, genau die richtige Zeit für Wunder“, sagt der eigentliche Weihnachtsgegner (oder doch zumindest -skeptiker) Gruber an einer Stelle des Films sarkastisch. Diverse Wunder stehen tatsächlich zu vermelden:

Wunder 1: Der Held McClane taucht immer wieder in magischen 0,2 Sekunden in ein Versteck ab, wenn ein Bösewicht vor der Tür steht – und er ist dabei so unfasslich geräuschlos wie der Tyrannosaurus Rex am Ende von Steven Spielbergs „Jurassic Park“.

Wunder 2: Munition wird quasi aus dem Nichts in die eigentlich viel zu kleinen Magazine geliefert – eine wundersame Kugelvermehrung, die zu schier endlosen Feuergefechten ohne Nachladebedarf führt.

Wunder 3: McClane, ein veritabler Macho, räumt ein, dass seine Frau Anspruch auf beruflichen Erfolg hat. Die Gattin heißt übrigens Holly – wie die Stechpalme, die sich zu Weihnachten besonderer Beliebtheit erfreut.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Bezüglich der eigentlichen Weihnachtsgeschichte schwächelt „Stirb langsam“ freilich etwas. Es gibt nur eine kurz vor der Niederkunft stehende Mitarbeiterin, der von Gruber als selbsternanntem „Interimswirt“ der „Herberge“ an der Nakatomi-Plaza ein Sofa zugeteilt wird. Aber nein, die Frau heißt nicht Maria (die Madonna erfährt nur in einem „Heilige Maria, Mutter Gottes!“ Erwähnung, als McClane auf den mit einem Timer bestückten Sprengstoff der Gangster stößt). Auch finden sich keine mysteriösen Zweideutigkeiten hinsichtlich der Vaterschaft.

Wem der Sinn eher nach Bearbeitungen der Klein-Jesu-Geschichte steht, dem sei John Fords Weihnachtswestern „Spuren im Sand“ (1948) empfohlen. Darin spielt John Wayne einen von drei Heiligen Viehdieben, die ein Baby beschützen. Wayne liefert es zu Weihnachten sicher im Städtchen ab, das New Jerusalem heißt.

Und nächsten Jahr erzählen wir dann, warum „Lethal Weapon“ mit Mel Gibson und Danny Glover auch ein ganz, ganz toller Weihnachtsfilm ist.

„Stirb langsam“ gibt es auf DVD und BluRay, der Film ist im Streaming bei Disney+ zu sehen, außerdem am 27. und 28.12. auf de RTL-Group-Spartensender Nitro (jeweils 20.15 Uhr) sowie am 27.12. um 20.15 Uhr und am 28.12. um 10.30 Uhr bei SkyCinema

Anzeige
Anzeige

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken