Kulturkampf um Disney-Film

„Arielle, die Meerjungfrau“: Welche Hautfarbe haben Nixen?

Einsame Meeresbewohnerin: Halle Bailey als Ariel in einer Szene des Films „Arielle, die Meerjungfrau“.

Einsame Meeresbewohnerin: Halle Bailey als Ariel in einer Szene des Films „Arielle, die Meerjungfrau“.

Über die Hautfarbe von Meerjungfrauen gibt es bisher keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Aber das hat den Shitstorm nicht aufgehalten, der sich in den USA zusammenbraute, als Disney im September 2022 den ersten Teaser zu „Arielle, die Meerjungfrau“ veröffentlichte.

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Darin war die afroamerikanische Schauspielerin Halle Bailey in der ikonischen Rolle der Nixe zu sehen. Mehr als drei Millionen Dislikes sammelte das genau eine Minute und 24 Sekunden lange Youtube-Video. In den sozialen Medien liefen die Hasskommentatoren Sturm gegen das vermeintliche „Blackwashing“ der populären Disney-Figur.

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Solche Reaktionen gegen Teaser und Trailer sind im Filmgeschäft keine Seltenheit, gerade wenn es um Remakes beliebter Originalstoffe geht. Mittlerweile nutzen rechte Trollpropagandisten die Skepsis gegenüber Neuverfilmungen gezielt für sich aus, um in den Kulturkampf gegen Hollywood zu ziehen, wo man sich seit einigen Jahren um mehr Diversität vor und hinter der Kamera bemüht.

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Das gleiche Schicksal mit denselben Frontstellungen ereilte die Amazon-Serie „Herr der Ringe – Ringe der Macht“. Der Tolkien-Klassiker wurde mit einem multikulturellen Ensemble besetzt.

In diesen Schlammschlachten um Meerjungfrauen und Mittelerdebewohner zeigt sich der unverhohlene Rassismus solcher Kampagnen und welche bizarren Ausmaße kulturelle Diskurse in einem polarisierten Land annehmen können. Es gibt aber auch Gegenstimmen. Da beweisen die vielen herzzerreißenden Videoschnipsel, in denen afroamerikanische Eltern die enthusiastischen Reaktionen ihrer Kinder auf die „schwarze Arielle“ festgehalten haben.

Wenn der Film nun in dieser Woche weltweit startet, wird an den amerikanischen Kinokassen somit auch über ein vermeintliches Politikum abgestimmt. Dabei ist dieser „Arielle, die Meerjungfrau“-Film in erster Linie großes, grundharmloses Unterhaltungskino. Als Disney 1989 das Zeichentrickoriginal ins Kino brachte, wurde die literarische Vorlage Hans Christian Andersens von ihrem melancholischen Grundton und tragischen Verlauf gelöst und mit einem fetten Happy End versehen.

Verliebt in einen Menschenprinzen

Die neue fotorealistische Verfilmung der Märchengeschichte um die junge Nixe, die sich in den Menschenprinzen Eric (Jonah Hauer-King) verliebt, hält sich nahezu eins zu eins an die Zeichentrickvorlage. Dieses „Werktreueverfahren“ hat Disney auch schon bei den Remakes von „Der König der Löwen“ (2019), „Aladdin“ (2019) und „Mulan“ (2020) angewandt.

Dem wenig innovativen Drehbuchkonzept steht die geradezu rauschhafte visuelle Umsetzung gegenüber, mit der Regisseur Rob Marshall die Unterwasserwelt der Meeresbewohner in Szene setzt und fluide mit karibischen Küstenlandschaften verbindet. Klar, mit dem Superlativ Aqua-Vision von James Camerons „Avatar: The Way of Water“ kann diese „Arielle“ nicht mithalten. Aber man sieht deutlich, dass Marshall von den konzerneigenen Erfahrungen mit „Findet Nemo“ und „Fluch der Karibik“ profitiert hat.

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Die knallbunte Meeresfauna und ‑flora wird effizient mit den düsteren Schiffswrackräumen und dem Wohnsitz von Bösewichtin Ursula (in ihrem Element: Melissa McCarthy) kontrastiert. An Land verschmilzt der Regisseur karibische Einflüsse zu einer eigenen Traumwelt, in die sich die multikulturelle Besetzung wunderbar organisch einfügt.

Auch unter Wasser wird der familiäre Genpool von Meereskönig Triton (Javier Bardem) mit Töchtern verschiedener Couleur kräftig aufgemischt. Das passt zur Diversität der Fantasyumgebung.

Arielle mit roten Rastazöpfen

Hauptdarstellerin Halle Bailey groovt sich überzeugend in die Titelrolle ein und trägt statt der unter Wasser ohnehin unpraktischen Föhnfrisur der Original-Arielle rote Rastazöpfe. Wenn sie voller Verve in „Wish I Could Be Part of that World“ von der Sehnsucht nach Dazugehörigkeit zur Menschenwelt singt, bekommt der Song durch die Hautfarbe seiner Interpretin eine zusätzliche Bedeutungsebene.

Ähnliches lässt sich von der Grundsubstanz der Geschichte sagen, die von der Aussöhnung scheinbar unvereinbarer Welten erzählt. Aber damit ist dann auch schon Schluss mit den gegenwartspolitischen Analogien.

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Als gelernter Musicalregisseur vertraut Marshall („Chicago“) auf die Mischung aus kraftvoller Musik, wohldosiertem Kitsch und aufwendigen Choreografien. Gerade in den Zwischensongs, wenn Krabbe Sebastian die Vorzüge der Unterwasserwelt anpreist, Arielle durch einen bunten karibischen Markt fegt oder die Möwe Scuttle in einem kongenialen Hip-Hop-Song den Hochzeitstratsch bei Hofe zusammenrappt, steckt die Lebensenergie des Films an. Ob sich das US-Publikum über alle Kulturkämpfe hinweg davon mitreißen lässt, wird sich zeigen.

„Arielle, die Meerjungfrau“, Regie: Rob Marshall; mit Halle Bailey, Javier Bardem, Melissa McCarthy; 135 Minuten

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