Melatonin als Einschlafhilfe für Kinder: hilfreich oder gefährlich?
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Die Schauspielerin Kristen Bell hat zugegeben, dass sie ihren Kindern Melatonin-Gummibärchen als Einschlafhilfe verabreicht hat (Symbolbild).
© Quelle: Andrea Warnecke/dpa-tmn
Vorlesen, singen oder Hörbuch hören zum Einschlafen. Eltern haben verschiedene Methoden, um ihre Kinder abends ins Bett zu bringen, damit sie gut schlafen und sich erholen können. Denn gesunder Schlaf bei Kindern ist wichtig, da sind sich Kinderärzte und -ärztinnen einig. Schauspielerin Kristen Bell hat dafür eine andere Methode. Sie hat ihren Kindern Melatonin-Gummibärchen gegeben, wie sie in einem Interview verriet. So seien sie schneller eingeschlafen, wie Bell sagt. Aber hilft Melatonin überhaupt beim Einschlafen? Und ist das Mittel für Kinder geeignet?
Wie Melatonin wirkt
Melatonin ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse, einem Teil des Zwischenhirns, aus Serotonin produziert wird. Es steuert den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers und wirkt schlaffördernd. In diesem Zusammenhang könne Melatonin wirksam eingesetzt werden, zum Beispiel bei einem Jetlag, wie Alfred Wiater, Kinder- und Jugendarzt für Schlafmedizin und Vorstandsreferent der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sagt.
„Aber natürlich wirkt es nicht bei allen gleich stark oder gut“, fügt Jakob Maske, Kinder- und Jugendarzt sowie Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte hinzu. Zudem könne mit der Zeit die Wirkung verloren gehen.
Melatonin ist verschreibungspflichtig
Auf dem Markt gibt es inzwischen zahlreiche Einschlafprodukte, die Melatonin enthalten. Als Hormon ist Melatonin laut Arzneimittelgesetz eigentlich verschreibungspflichtig. In Deutschland gibt es auch zugelassene Melatoninpräparate, etwa für Kinder mit therapieresistenten Schlafstörungen wie sie zum Beispiel bei Autismus oder dem sehr seltenen Smith-Magenis-Syndrom auftreten.
Die Produkte, in denen Melatonin in niedriger Dosis enthalten ist, werden aber nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Das heißt, dass die Hersteller keine Studien zur Wirksamkeit oder zu Nebenwirkungen nachweisen müssen. Auch ist keine Packungsbeilage nötig. Für Eltern zudem wichtig: Daten zu Nahrungsergänzungsmitteln beziehen sich auf Menschen ab dem Alter von 15 Jahren.
Laut Maske sei der Wirkstoff bei der großen Auswahl der frei verkäuflichen Produkte in der Regel der gleiche. Nur: „Die Dosierung und Zusammensetzung kann sich unterscheiden.“
Welche Nebenwirkungen gibt es bei Melatonin?
Melatonin hat auch Nebenwirkungen. Es könne unter anderem den Schlafrhythmus beeinträchtigen und Erschöpfung, Benommenheit, Schwitzen, Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit verursachen, so die Experten. Diese seien bei einem von 1000 Behandelten vorgekommen, erklärt Wiater.
Die Gabe von Hormonen beeinträchtigt demnach allerdings immer den körpereigenen Hormonhaushalt und kann sich so auch negativ auf den Schlafrhythmus auswirken. Melatonin gelte zwar nicht als abhängig-machend, das sei aber dennoch möglich, so Maske. Denn eine erfolgreiche Einnahme könne dazu führen, dass die Melatonin-Präparate dauerhaft genutzt werden und dann die Dosis erhöht wird. Inwieweit Langzeitfolgen auftreten, insbesondere bei unkontrollierter Melatoningabe im Kindesalter, bedürfe jedoch weiterer Untersuchungen.
„Gesunde Kinder brauchen keine Schlafmittel“
Die beiden Experten raten Eltern daher strikt davon ab, ihren Kindern Melatonin zum Einschlafen zu geben. „Melatonin ohne ärztliche Verordnung bei Kindern einzusetzen, beinhaltet unabsehbare Risiken und ist deshalb aus schlafmedizinischer Sicht nachdrücklich abzulehnen“, sagt Alfred Wiater. „Gesunde Kinder brauchen keine Schlafmittel. Sollte es zu Schlafstörungen kommen, muss man die Ursache dafür suchen und abstellen“, sagt auch Maske.
Für einen gesunden Schlafrhythmus empfiehlt Maske Eltern, ab dem ersten Geburtstag ihre Kindes damit zu beginnen, nachts nichts mehr zu essen und zu trinken zu geben. Kinder sollten zudem in ihrem eigenen Bett und ab einem Jahr auch in einem eigenen Zimmer schlafen. Vor dem Einschlafen sollte auf Medienkonsum verzichtet werden.
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