Aus Angst vor neuer Virusvariante

Corona-Testpflicht für Reisende aus China: Ist sie wirklich notwendig?

Reisende am Hongkong International Airport: Europäische Länder diskutieren über Einreise­beschränkungen für Menschen aus China.

Reisende am Hongkong International Airport: Europäische Länder diskutieren über Einreise­beschränkungen für Menschen aus China.

China war lange Zeit das Land mit den weltweit härtesten Corona-Maßnahmen. Die chinesische Regierung verfolgte eine restriktive No-Covid-Politik. Nicht nur galten strengste Isolations- und Quarantäne­vorschriften für die eigene Bevölkerung, auch Einreisende mussten sich bis vor Kurzem noch in Quarantäne begeben, wenn sie nach China wollten. Ab dem 8. Januar soll diese Vorschrift nun entfallen. Folglich wird erwartet, dass auch wieder mehr Chinesen und Chinesinnen ins Ausland reisen, die zuvor wegen der Auflagen bei der Rückkehr darauf verzichtet hatten.

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Einzelne Staaten wie die USA, Japan und Italien verhängen nun ihrerseits Sonder­regeln für Einreisende aus China. Diese müssen sich bei der Ankunft im Land auf das Coronavirus testen lassen. Begründet wird das mit der starken Infektions­welle, die in China auf das plötzliche Aufheben sämtlicher Restriktionen gefolgt war. Doch ist eine solche Testpflicht sinnvoll?

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Bundesregierung sieht bisher keinen Anlass für Testpflicht

Andere Länder lehnen solche Einreise­beschränkungen ab, darunter auch Deutschland. Denn bislang gebe es keine Hinweise auf eine neue Virus­variante in China, die gefährlicher sei, als die aktuell in Deutschland verbreitete, hieß es vonseiten der Bundes­regierung. Auch das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hatte am Donnerstag erklärt, die Testung von Einreisenden aus China sei ungerechtfertigt, weil die in China zirkulierenden Varianten bereits in der EU verbreitet seien.

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Tatsächlich ist der Nutzen der Einreise­beschränkungen fraglich. Denn der Grund für die starke Infektions­welle in China ist nicht etwa eine neue Mutation des Erregers: Die dort vorherrschende Variante BF.7 ist eine von vielen Subvarianten der Omikron-Variante BA.5 – und es gibt sie bereits auch in Deutschland. Laut Robert Koch-Institut war sie für etwa 24 Prozent der Neuinfektion in der 49. Kalender­woche verantwortlich, dabei war zuletzt ein leichter Rückgang auszumachen. Zudem deutet bisher nichts darauf hin, dass sich BF.7 anders auf das Krankheits­geschehen auswirkt oder für schwerere Verläufe als andere BA.5-Subvarianten sorgt.

Chinesen fehlt Immunität

Dass sich in China derzeit so viele Menschen infizieren, ist vielmehr die Folge der extremen Abschottungs­politik der chinesischen Regierung. Dadurch war verhindert worden, dass das Virus auf natürliche Weise in der Bevölkerungen zirkuliert. Es gab nur sehr wenige Chinesen und Chinesinnen, die durch eine vorangegangene Infektion eine gewisse Immunität aufgebaut hatten.

Seit dem plötzlichen Aufheben der Restriktionen breitet sich das Virus nun umso schneller und nahezu ungebremst aus. Es gibt derzeit wenig verlässliche Daten aus China. Das britische Forschungs­institut Airfinity schätzt aber, dass derzeit pro Tag etwa 9000 Menschen in China infolge einer Coronavirus-Infektion versterben, bei einer Bevölkerung von rund 1,4 Milliarden. Umgerechnet auf die deutsche Bevölkerung würde das 530 Toten pro Tag entsprechen. So viele Menschen waren auch schon während vergangener Infektions­wellen in Deutschland pro Tag an oder mit dem Virus gestorben.

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Lauterbach mahnt zur Vorsicht: „noch kein Grund zur Entwarnung“
 Karl Lauterbach bei einem Pressestatement nach dem Besuch der Kinderklinik der Charit im Charit Virchow-Klinikum CVK Berlin. Berlin, 30.12.2022 *** Karl Lauterbach during a press statement after visiting the Charit Childrens Hospital at the Charit Virchow Klinikum CVK Berlin Berlin, 30 12 2022. Foto:xF.xKernx/xFuturexImage

Bundes­gesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) hat Forderungen nach einem Wegfall aller Corona-Maßnahmen erneut eine Absage erteilt.

Deutschland erlebt erste endemische Winterwelle

Anders als China erlebt Deutschland derzeit keine extreme Corona-Welle. Die Situation ist eine andere. Immer mehr Expertinnen und Experten halten die Pandemie dank einer guten Immunität in der Bevölkerung für beendet und sehen einen Übergang in die endemische Phase. Selbst eine weitere Verbreitung der Variante BF.7 würde daran nichts ändern. Nach Einschätzung des Virologen Christian Drosten sind viele Menschen gegen BF.7 immun, da diese Variante stark BA.5 ähnelt, die für die Sommerwelle verantwortlich war.

Würde BF.7 noch stärker gegenüber anderen Varianten dominieren, wäre das keine schlechte Nachricht, im Gegenteil. Die derzeit zweithäufigste Subvariante in Deutschland BQ.1.1 war zuletzt für etwa 21 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich und scheint der Immunabwehr von Genesenen und von dreimalig geimpften Personen leichter als BF.7 zu entkommen. Drosten glaubt deshalb, eine Winterwelle mit BF.7 wäre „der bessere Fall“ und könne im Gegensatz zu einer BQ.1.1-Welle sanfter verlaufen. Chinesinnen und Chinesinnen Beschränkungen aufzulegen, weil sie Träger von BF.7 seien könnten, ist somit fragwürdig.

Sonder­regelungen für Einreisende aus bestimmten Ländern waren in der Vergangenheit dann verhängt worden, wenn die Ausbreitung einer neuen Variante mit möglicherweise gefährlicheren Eigenschaften verhindert werden sollte. Allerdings war auch dies meist erfolglos geblieben. So hatten mehrere europäische Länder Briten und Britinnen im vergangenen Jahr kurzzeitig ganz die Einreise verweigert, als dort die Variante B.1.1.7 vorherrschend wurde. Trotzdem breitete sich B.1.1.7 schließlich auch in anderen Ländern aus und erwies sich dabei zwar als leichter übertragbar, aber nicht als gefährlicher als vorherige Varianten.

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Lauterbach will „Variantenmonitoring“

Die USA und Italien haben offenbar die Befürchtung, in China könne wegen der hohen Infektions­zahlen noch eine völlig neue und gefährliche Variante entstehen. Wie der Fernseh­sender CNN berichtet, haben die US-Behörden auch die Sorge, dass China dies womöglich nicht rechtzeitig mitteilt. Die chinesische Regierung war mit Informationen während der Pandemie oft nicht transparent umgegangen. Dafür gibt es bisher aber keine Hinweise. Inzwischen ist das Virus unzählige Male mutiert und hat sich weltweit in verschiedenen Varianten verbreitet. Neue Varianten des Erregers waren dabei, wie auch das Beispiel B.1.1.7 zeigt, meist leichter übertragbar, nicht aber gefährlicher als die Vorgänger-Varianten gewesen.

Karl Lauterbach ruft dazu auf, die geltenden Schutzmaßnahmen noch für einige Wochen mitzutragen. Was sagen Expertinnen und Experten?

Zwischen Endemie und extremer Krankheits­welle: Brauchen wir noch Schutz­maßnahmen?

Deutschland ist Expertinnen und Experten zufolge auf dem Weg von der Corona-Pandemie zur Endemie, jedoch haben andere Atemwegs­erkrankungen die Menschen hierzulande fest im Griff. Sind Corona-Schutz­maßnahmen angesichts des Endes der Pandemie nun hinfällig – oder gerade jetzt ein wichtiger Schutz vor Grippe, RSV und Co.?

Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, nannte die von den USA und Italien ergriffenen Maßnahmen gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) eine „politische Überreaktion“. „Eine medizinische Notwendigkeit dafür ist aus dem Pandemie­verlauf nicht herzuleiten“, sagte Bobrowski. Auch zu Corona-Hochphasen in Europa mit Millionen Ansteckungen binnen kurzer Zeit hätten sich keine gefährlicheren Varianten entwickelt. Dies nun in China zu erwarten, sei spekulativ.

Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb sagte gegenüber der dpa, die USA und Italien wollten „offenbar in irgendeiner Form auf die Entwicklung in China reagieren und Bevölkerungs­schutz demonstrieren“. Für Deutschland sehe er keine Notwendigkeit solcher Schritte. Der Nutzen der Reise­beschränkungen sei fraglich und das Virus lasse sich auch mit Tests nicht aufhalten.

Auch Gesundheits­minister Karl Lauterbach sieht keinen Anlass für routinemäßige Antigentests für Einreisende aus China. Er denkt aber über die Überprüfung einzelner Flüge zwecks eines „Varianten­monitorings“ nach. Das begründete der SPD-Politiker damit, dass man entsprechende Daten zur Varianten­überwachung „nicht zuverlässig“ aus China abrufen könne.

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