Vor nicht einmal 100 Jahren wurden Menschen in Deutschland wie Tiere in Zoos ausgestellt. Auch zwei Tierhandelsunternehmen aus Niedersachsen waren daran beteiligt. Die rassistischen Klischees der Völkerschauen wirken bis heute nach.
Alfeld.In der deutschen Kolonialzeit im 19. Jahrhundert entwickelte sich ein unwahrscheinlicher Ort zu einem Hotspot des internationalen Wildtierhandels. Nicht Berlin oder Paris, sondern Alfeld an der Leine. In der niedersächsischen Kleinstadt gab es mit den Firmen Reiche und Ruhe gleich zwei Tierhandelsunternehmen, die Wildtiere aus Afrika, Asien und Europa importierten und weltweit an Zoos oder Zirkusse verkauften. Das führte zu fast surreal anmutenden Szenen: Kamele, Elefanten, Giraffen oder Wildkatzen wurden durch die niedersächsische Provinz geführt, wenn eine neue Tierlieferung in Alfeld ankam.
Aber die von Reiche und Ruhe in alle Welt entsandten Geschäftsleute brachten nicht nur Tiere von ihren Expeditionen mit, sondern auch Menschen. Wohl ab 1878 organisierten die Unternehmen sogenannte Völkerschauen. Bei diesen wurden nicht-weiße, als „exotisch“ bezeichnete Menschengruppen vor allem aus Afrika, aber auch aus Asien und Nordamerika ausgestellt und dem deutschen Publikum präsentiert. Die Schauen tourten durch ganz Deutschland und teilweise auch in Nachbarländer. Meistens gastierten sie dabei in Zoos.