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Schlachthof: Heimliche Aufnahmen zeigen schockierende Quälerei

Mit der Seilwinde in den Schlachthof: Solche Szenen hat die „Soko Tierschutz“ dokumentiert.

Mit der Seilwinde in den Schlachthof: Solche Szenen hat die „Soko Tierschutz“ dokumentiert.

Bad Iburg. Die Rinder bekamen Elektroschocks. Sie bekamen sie, wenn sie nicht von selbst in den Schlachthof liefen, sie bekamen sie, wenn sie nicht aufstehen wollten. Schafften sie es überhaupt nicht mehr hochzukommen, wurde ihnen eine Kette um einen Vorderlauf gelegt und man zerrte sie mit einer Art Seilwinde vom Anhänger herunter. Kälber wurden vom Hänger in das Schlachthofgebäude hineingeworfen. Und auch tote Tiere sollen dort angeliefert worden sein.

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Es müssen, wenn sich der Verdacht bestätigt, grauenvolle Zustände in dem kleinen Schlachthof in Bad Iburg im Kreis Osnabrück geherrscht haben: Mitglieder der Tierrechtsorganisation „Soko Tierschutz“ haben über einen Monat hinweg die Zustände in dem Betrieb verdeckt filmen lassen. Dann haben sie das Material dem Landkreis Osnabrück als Aufsichtsbehörde vorgelegt und Anzeige bei der niedersächsischen Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Landwirtschaftsstrafsachen in Oldenburg erstattet.

Auch das niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat den Schlachthof angezeigt, nachdem es von den Vorwürfen Kenntnis bekommen hat. Am Montag hat der Landkreis den Betrieb sperren lassen, am Dienstag wurde er von Polizei und Sachverständigen durchsucht.

„So was habe ich noch nicht gesehen“

Friedrich Mülln vom Vorstand der Tierrechtsorganisation sagt, er habe schon viel erlebt, „aber so was habe ich noch nicht gesehen“. Jemand aus dem Umfeld des Schlachthofs war an die Tierschützer herangetreten, die Aufnahmen wurden dann im August und September gemacht. Mülln spricht von „mehreren hundert Straftaten und Rechtsbrüchen“, die in dem Videomaterial dokumentiert seien. Beispielsweise seien mindestens 168 Tiere vor der Schlachtung von der Ladefläche in den Schlachtbetrieb geschleift worden.

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In dem Schlachthof seien viele „Downer“, wie man in der Branche sagt, angeliefert worden, berichtet Mülln: Rinder, die schon lahmten und schwach oder krank waren und bald verendet wären. Solche Tiere, die nicht mehr transportfähig sind, darf der Bauer nicht mehr zum Schlachthof bringen, sie dürfen vom Schlachthof selbst nicht verwertet werden. Aber die Entsorgung eines toten Nutztiers kostet Geld, der Schlachthof bringt vielleicht noch ein paar Euro. Tote Tiere dürfen überhaupt nicht in einen Schlachthof gebracht werden.

150 bis 160 Tiere pro Woche

Das Einzugsgebiet der Firma erstreckte sich laut Mülln auf ganz Norddeutschland. Es wurden vorwiegend Milchkühe angeliefert, oft von Bauern mit kleineren Viehanhängern, aber auch von Händlern. Nach Auskunft des Landwirtschaftsministeriums schlachtete der Betrieb 150 bis 160 Tiere pro Woche, jährlich rund 7000 Rinder. Es handelt sich also um einen der kleineren Rinderschlachthöfe in Deutschland. Bundesweit werden jährlich 3,5 Millionen Rinder geschlachtet.

Nach Angaben eines Sprechers hatten die Fachleute des Landkreises keine Zweifel an der Echtheit der „Soko“-Aufnahmen. Sie haben dem Unternehmen das Schlachten zunächst bis zum 23. Oktober untersagt.

Haben Veterinäre die Zustände nicht gesehen?

In allen Schlachthöfen gibt es Zustandskontrollen von Tierärzten – die beiden freiberuflichen Veterinäre, die in Bad Iburg eigentlich nach dem Rechten hätten sehen müssen, wurden von der Kreisverwaltung umgehend „freigestellt“, wie der Sprecher sagte. Sie dürfen auch keinen anderen Schlachthof mehr überwachen.

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Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Tierquälerei nach Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes, die Untersuchung wird gegen namentlich noch nicht bekannte Verantwortliche geführt. Der Schlachthof ist ein alteingesessener Betrieb in Bad Iburg, wird aber nicht mehr vom ehemaligen Besitzer, sondern von einem Pächter betrieben. Dieser Mann wollte sich gegenüber der HAZ nicht äußern.

Sollten sich die Vorwürfe erhärten, kann der Landkreis eine dauerhafte Sperre verfügen. Friedrich Mülln von der „Soko Tierschutz“ ist sich sicher, dass seine Beweise „ausreichen, den Betrieb für alle Zeiten dichtzumachen“. Die „Soko“ ist in Planegg in Bayern beheimatet, besteht seit fünf Jahren, arbeitet deutschlandweit und finanziert sich nach eigenen Angaben vorwiegend aus Spenden.

In der kommenden Woche wird das „Soko“-Material in der RTL-Sendung „Stern.tv“ zu sehen sein.

Von Bert Strebe

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