Impfpflicht in Kliniken, Arztpraxen und Heimen: Was auf die Betroffenen jetzt zukommt

Am 15. März tritt die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ in Kraft, die Corona-Schutzimpfungen für bestimmte Berufe obligatorisch macht. Die Impfpflicht im Pflegesektor soll vor allem jene schützen, für die das Virus besonders gefährlich ist: Alte und Kranke. Die neue Bundesregierung will, dass Mitarbeitende etwa von Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen, Rettungsdiensten und Geburtshäusern ab 15. März 2022 befristet bis Jahresende nachweisen müssen, dass sie vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind. Akzeptiert wird auch ein Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest, sofern jemand nicht geimpft werden kann. Um dieser sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht zu entsprechen, müssten bisher Ungeimpfte also spätestens Anfang Februar zur Erstimpfung. Denn der empfohlene Abstand zur Zweitimpfung liegt bei mindestens drei Wochen, wobei man erst zwei Wochen nach der Zweitimpfung vollständig geimpft ist. Hierzu fehlen noch Daten. Wahrscheinlich ist es jedoch nicht, dass massenweise Pflegekräfte kündigen – auch weil vor allem in den Krankenhäusern bereits viele Mitarbeiter geimpft sind. Allerdings sieht es in der ambulanten Pflege und in Altenheimen anders aus – und die nun kommende Impfpflicht betrifft auch Mitarbeitende in Küche, Facility Management und Reinigung. Laut Zahlen des RKI vom Oktober vergangenen Jahres haben 88,3 Prozent des Personals in medizinischen und Pflegeberufen den Piks bereits hinter sich. Belastbare aktuellere Zahlen gibt es nicht. Trotz dieses vergleichsweise hohen Werts hält es der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe für möglich, dass sich durch die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ der Personalnotstand im Pflegebereich weiter verschärfen könnte. Es gebe schon seit Jahren Defizite, erklärt Verbandspräsidentin Christel Bienstein. Wenn durch die Impfpflicht einige Pflegekräfte kündigen, könne es passieren, dass Betten abgemeldet werden, Pflegedienste Aufträge ablehnen oder manche Menschen keinen Heimplatz mehr bekommen. „Wir sind gespannt, rechnen aber nicht mit einem Massenexodus“, sagt Katharina von Croy, Sprecherin des niedersächsischen Pflegerates. Es sei keine Welle in Sicht, sie rechne mit nur wenigen Abspringern. Pflegeeinrichtungen müssen Mitarbeiter ohne Nachweis dem Gesundheitsamt melden. „Dieses entscheidet dann, dass die entsprechenden Mitarbeiter die Einrichtung nicht mehr betreten dürfen“, sagt von Croy. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, auch bei Nichtvorlage eines Nachweises bestehe „keine Verpflichtung zur Freistellung von Bestandspersonal durch die Leitung der Einrichtung oder des Unternehmens“. Stattdessen liege die Entscheidung beim zuständigen Gesundheitsamt, wobei „auch die Personalsituation in der Einrichtung“ berücksichtigt werde. Das bedeutet: Automatisch verliert zunächst niemand seinen Job im Pflegebereich. Die Liste ist lang: Künftig müssen alle Beschäftigten in Kliniken und Krankenhäusern (auch Tageskliniken, Reha-Einrichtungen oder Dialysezentren), in Alten- und Pflegeheimen sowie von ambulanten Diensten geimpft sein. Auch Hebammen und Mitarbeitende in Geburtshäusern, Arztpraxen und anderen Praxen wie etwa Physiotherapiepraxen gehören dazu. Die Impfpflicht erstreckt sich außerdem auf die Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Rettungsdienste und medizinische Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Die Maßnahme gilt dabei für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, also auch die Beschäftigten einer Reinigungsfirma, die in einer Tagesklinik putzen, oder auch Fahrdienste oder Personen, die im ambulanten Bereich Dienstleistungen zum Beispiel als Assistenz erbringen. Lesen Sie auch Die Beschäftigten müssen ihrem Arbeitgeber bis zum 15. März eine gültige Impfung mit einem hierzulande anerkannten Impfstoff nachweisen. Wer mit einem chinesischen und russischen Vakzin geimpft wurde, gilt insofern als ungeimpft, weil diese Impfstoffe in der EU nicht zugelassen sind – das könnte auf manche Pflegekräfte etwa aus Osteuropa zutreffen. Genesene brauchen zunächst keine Impfung, akzeptiert wird auch der gültige Nachweis einer durchgemachten Corona-Infektion – dafür reicht ein positiver PCR-Test. Ein solcher Nachweis gilt aber nur für drei Monate. Sofern der Nachweis nach dem 15. März ausläuft, muss ein Impfnachweis vorgelegt werden. Die Kontrolle findet über die Arbeitgeberin oder den Auftraggeber statt. Sofern Zweifel an der Echtheit eines Nachweises bestehen oder die Beschäftigten keinen Impfnachweis erbringen, müssen die Gesundheitsämter informiert werden. Sie sprechen gegenüber den ungeimpften Mitarbeitenden ein Betretungsverbot der Einrichtung aus. Die Gesundheitsminister der Länder haben allerdings am Montag eine Prüfung angeregt, zunächst ein Bußgeld für Betroffene zu verhängen. Ja – aber nur als indirekte Folge ihrer Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen. Eine Kündigung als Strafe für Ungeimpfte sieht das neue Gesetz nicht vor. Es braucht auch keine eigene rechtliche Regelung dafür, denn personenbedingte Kündigungen sind auch so möglich. Zwar müssen Arbeitgeber alles dafür tun, ungeimpfte Mitarbeitende in einer solchen Form zu beschäftigen, die mit den gesetzlichen Vorgaben zu vereinbaren sind – etwa im Homeoffice. Eine personenbedingte Kündigung ist jedoch nach Einschätzung von Arbeitsrechtlern rechtens – denn die Arbeitgeber kommen damit ihrer gesetzlichen Pflicht nach, für das Wohlergehen der Menschen in ihren Einrichtungen zu sorgen. Diakovere: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt auch etwa für Pförtner, IT, Pressesprecher und Geschäftsführer, sagt Diakovere-Sprecher Matthias Büschking. "Wir haben die gesetzlichen Möglichkeiten genutzt und unsere Vorgesetzten ermitteln lassen, wer geimpft ist und wer nicht. Wir merken jetzt den Effekt, dass einige Mitarbeitende sich jetzt noch haben impfen lassen. Wir möchten erst einmal überzeugen und keinen zusätzlichen Druck ausüben. Aber wir werden schon entlang der gesetzlichen Vorgaben operieren." Vom 15. März an werde es für Ungeimpfte im Sinne des Gesetzes keinen Lohn mehr geben. Es gab aber noch keine Kündigungen. "Wir gehen auch nicht davon aus, dass es signifikant zu Kündigungen kommt. Wir stellen eher fest, dass die verkündete Impfpflicht als richtiger Schritt wahrgenommen wird", so Büschking. Klinikum Region Hannover (KRH): "Die Entscheidung des Gesetzgebers ist ein deutliches Signal. Für die KRH Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im klinischen Bereich ergibt sich nach unserem aktuellen Eindruck, bei einer Impfquote von rund 95 Prozent, in den meisten Bereichen ein überschaubarer Handlungsbedarf", sagt Steffen Ellerhoff, Sprecher des KRH. Trotzdem könnten Organisationsveränderungen nötig werden, wenn hoch spezialisierte Fachkräfte in wenigen ausgewählten Bereichen nicht sofort ersetzt werden können. "Wird der Impfstatus nicht mitgeteilt, werden die betreffenden Personen an das Gesundheitsamt gemeldet." „Ich habe mit den Kolleginnen und Kollegen das Gespräch gesucht, bei denen ich wusste, dass sie nicht geimpft sind. Wir haben dann über die möglichen Konsequenzen eines fehlenden Impfschutzes gesprochen“, sagt Martin Langsdorf, Pflegedirektor im KRH Klinikum Neustadt. Die Mitteilungspflicht laufe allerdings noch, „98 Prozent sind bei uns im Haus geimpft.“ Prof. Jan Rudolf Ortlepp vom KRH Klinikum Agnes Karll Laatzen sieht so gut wie keine Probleme. „Ich gehe davon aus, dass sich die wenigen noch Ungeimpften in den kommenden Wochen infizieren und dann als genesen gelten. Das bedeutet dann einen Impfaufschub von drei Monaten.“ Medizinische Hochschule: "Wir haben in der Pflege eine Impfquote von 98 Prozent, Tendenz steigend", so MHH-Sprecherin Simone Corpus. Das sei sehr gut und beruhigend. "Kündigungswellen erwarten wir keine und haben auch keine Anzeichen dafür." Die Dana-Seniorenrichtungen haben im Vorfeld viel dafür getan, dass sich die Mitarbeiter impfen lassen. „ Von 1.000 Mitarbeitenden sind neun impfunwillig“, sagt Geschäftsführer Yazid Shammout. Das sei eine gute Quote, die nur erreicht werden konnte, weil proaktiv an einer Impfüberzeugung gearbeitet worden sei. „Wir brauchen in den kommenden Wochen jede Kraft für die Versorgung der Bewohner – es ist schließlich damit zu rechnen, dass es viele krankheitsbedingte Ausfälle geben wird.“ Bei den ambulanten Pflegediensten gibt es nur zurückhaltend Auskunft. Es seien noch rund 10 Prozent der Pflegenden nicht ausreichend geschützt, heißt es bei einem Dienst mit mehreren Stationen in verschiedenen Stadtteilen. Auch hier wird mit zusätzlichen Ausfällen durch steigende Infektionen gerechnet. „Vermutlich müssen uns aber auch einige verlassen“, sagt eine Mitarbeiterin. „Derzeit macht sich das Gesundheitsamt der Region Hannover ein Bild von der Lage in den Einrichtungen, für die die Impfpflicht im März in Kraft tritt“, sagt Sprecher Christoph Borschel. Zudem würden den Einrichtungsleitungen Informationen zur Verfügung gestellt, mit denen noch einmal auf die nicht ausreichend geimpften Beschäftigten eingewirkt werden kann. „Sollten die Einrichtungen im März dann Beschäftigte melden, die weiterhin nicht den benötigten Impfstatus aufweisen, wird die Region Hannover weitere Maßnahmen prüfen.“ „Es gibt bis dato keinerlei Kündigungen oder Kündigungsabsichten von Mitarbeitenden – die meisten sind geimpft, die restlichen Mitarbeitenden impfen sich nach und nach“, sagt Marco Battmer, Bereichsleitung Pflege und Gesundheit beim Diakonischen Werk Hannover. Der Gesetzgeber sei bei Prüfung sowie Konsequenzen relativ klar. Dirk von der Osten, Geschäftsführer der Awo Jugend- und Sozialdienste, hofft, dass die wenigen nicht geimpften Mitarbeitenden noch zu einer Impfung bewegt werden können – „und es bleibt vielleicht eine Person pro Einrichtung ungeimpft über“. Die Kassenärztliche Vereinigung rechnet mit Kündigungen. „Ja, davon ist auszugehen. Allerdings ist die Größenordnung nicht einzuschätzen“, sagt Sprecher Detlef Haffke. Ab dem 15. März 2022 dürfen Personen ohne Nachweis in der Arztpraxis (oder den anderen Einrichtungen) nicht mehr beschäftigt werden, wenn das Gesundheitsamt ein Betretungs- und Beschäftigungsverbot erteilt hat. Neueinstellungen sind ab dem Stichtag ohne Nachweis ebenfalls nicht mehr zulässig. Die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers entfällt. Ob weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie etwa eine Kündigung, im Einzelfall in Betracht kommen können, muss geklärt werden. „Viele Praxen meinen, dass sie ab dem 15. März ungeimpfte Mitarbeiterinnen nicht mehr weiter beschäftigen dürfen. Das ist faktisch nicht so. Bis das Gesundheitsamt reagiert hat, bleiben ungeimpfte Mitarbeiterinnen ganz normal tätig“, betont Haffke. Von Susanna Bauch