„Pointing and Calling“: Diese Technik hilft dabei, Fehler zu vermeiden
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Wer sich schlechte Angewohnheiten abgewöhnen will, sollte öfter vor sich hin murmeln – eine Methode, die schon bei Bahnmitarbeitenden Erfolg gezeigt hat.
© Quelle: Vitolda Klein/Unsplash/Montage RND
In Japan kam es eine Zeit lang immer wieder zu Zugunfällen. Lokführerinnen und Lokführer übersahen Signale, prüften ihre Züge nicht ausreichend oder fuhren vom Bahnsteig ab, während noch Menschen einstiegen. Das Management fragte sich also: Was können wir tun, um solche Unfälle zu vermeiden? Die Methode, die ihnen einfiel, funktioniert so gut, dass das japanische Eisenbahnsystem heute als eines der sichersten der Welt gilt. Und von dieser Methode können auch Sie profitieren, falls Sie schlechte Gewohnheiten ablegen wollen: Die Japanerinnen und Japaner hatten festgestellt, dass Unfälle immer dann passierten, wenn die Lokführerinnen und Lokführer unbewusst handelten. Die Methode, mit der diese Muster durchbrochen wurden, heißt „Pointing and Calling“, zeigen und benennen.
Die Lokführerinnen und Lokführer und andere Bahnmitarbeitende wurden aufgefordert, das, was sie gerade taten, laut zu kommentieren und durch Fingerzeige zu verdeutlichen. Der Lokführende sagt also laut, während er oder sie auf den Tacho zeigte: „Fahre mit 25 Stundenkilometern in den Bahnhof ein. Bremse jetzt. Bin pünktlich um 15.16 Uhr angekommen. Warte auf das Signal vom Bahnsteig.“ Und der Mitarbeitende auf dem Bahnsteig redet ebenfalls laut, während er auf Fahrgäste zeigt: „Noch zwei Menschen steigen ein. Jetzt sind sie drin. Die Tür schließt. 15.18 Uhr, Bahnsteig frei, Abfahrt kann erfolgen.“ Mit dieser Methode wurden die Fehler bis zu 85 Prozent gesenkt, Unfälle vermieden. Warum das so gut funktioniert? Weil das Aussprechen die Vorgänge ins Bewusstsein hebt.
Schlechte Gewohnheiten austilgen
Wie Sie diese Methode nutzen können? Werden Sie zum Reporter oder zur Reporterin Ihrer selbst, gerade wenn Sie bei der Arbeit schlechten Gewohnheiten frönen. Murmeln Sie zum Beispiel, wenn Sie eine Arbeit unterbrechen, während Sie auf Ihr Mailfach deuten: „Ich unterbreche die Schreibarbeit an meinem Text nun das dritte Mal in dieser Stunde, um wieder zu schauen, welche Mails eingegangen sind.“ Oder zeigen Sie auf Ihren Brustkorb, wenn Sie sich über die Beschwerde eines Kunden oder einer Kundin ärgern, und sagen Sie laut: „Ich merke gerade, dass mein Herz beschleunigt, weil ich den Ton des Kunden unangemessen finde. Deshalb balle ich meine rechte Faust, und offenbar krampft sich mein Magen zusammen.“
Ich verspreche Ihnen: So manche schlechte Gewohnheit, die Sie sich stillschweigend durchgehen lassen, werden Sie durchs Zeigen und Benennen austilgen. Denn jetzt können Sie sich bewusst entscheiden: Wollen Sie Ihre Arbeit so oft unterbrechen, um Mails zu checken? Wollen Sie sich über den Kunden oder die Kundin aufregen und Ihr Herz rasen lassen? All das wollen Sie nicht. Aber erst jetzt, da es Ihnen bewusst ist, können Sie es gezielt verändern.
Mehr Lebensqualität durch zeigen und benennen
Gleichzeitig bekommen Sie die Chance, positive Gewohnheiten zu etablieren. Zum Beispiel könnten Sie es sich zur Regel machen, Ihre Mails nur zu definierten Zeiten anzuschauen. Oder Sie trainieren sich darin, Beschwerden grundsätzlich durch die Brille der Kundinnen und Kunden zu sehen und sie nicht länger als Angriff gegen sich persönlich zu werten. Oder Sie legen kurze Meditationsmomente ein, wenn Zorn in Ihnen aufsteigt. Das Zeigen und Benennen verhindert nicht nur Fehler, sondern kann auch zu einer höheren Lebensqualität führen.
Martin Wehrle ist Karrierecoach und Autor, sein aktuelles Buch: „Den Netten beißen die Hunde – Wie Sie sich Respekt verschaffen, Grenzen setzen und den verdienten Erfolg erlangen“ (Mosaik, 2021).
In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Experten zu den Themen Partnerschaft, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit.