Selbstversuch mit Hürden

Einmalzahlung für Studierende kann beantragt werden: Endlich bekomme ich das Geld! Oder?

Unendliche Geschichte Einmalzahlung: Mittlerweile kann die Energiepauschale von Studierenden und Auszubildenden beantragt werden.

Unendliche Geschichte Einmalzahlung: Mittlerweile kann die Energiepauschale von Studierenden und Auszubildenden beantragt werden.

Man sei auf den Ansturm vorbereitet, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Jens Brandenburg (FDP), in einem „Spiegel“-Interview im Februar. „Der IT-Dienstleister, der die Plattform betreibt, und die Stelle, die die Gelder auszahlt“ – alle seien vorbereitet. Dann wäre der Weg für die versprochene Einmalzahlung für Studierende und Fachschüler und -schülerinnen ja endlich frei. Denn seit Mittwoch können Berechtigte das Geld auf der Plattform www.einmalzahlung200.de beantragen, nachdem die Regierung vor einem halben Jahr vollmundig die Hilfen angekündigt hatte.

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Auch ich bin vorbereitet – wie Herr Brandenburg und alle anderen. Ich habe mir die „AusweisApp2″ runtergeladen, darin meine Identität mit der Onlinefunktion meines Personalausweises bestätigt und ein BundID-Konto angelegt. Fehlt nur noch der Zugangscode, der direkt von den Bildungseinrichtungen versendet wird. Dann kann es losgehen. Die meisten Universitäten und Fachschulen haben in Absprache mit den jeweiligen Bundesländern am Mittwochmorgen die Infos mit den Zugangscodes versendet. Direkt per Mail oder bereitgestellt im internen Uniportal. Einige Unis waren bereits ein paar Tage früher dran. Bei anderen wiederum verzögert sich die Versendung nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) noch.

Server bricht zusammen

Bei mir ploppt die Mail am Mittwoch um 9:03 Uhr auf. Ausgestattet mit dem langersehnten Zugangscode rufe ich die Antragsplattform auf. Und erhalte eine Fehlermeldung. Auch mit einem anderen Browser funktioniert es nicht. In den sozialen Medien berichten Nutzerinnen und Nutzer von ähnlichen Problemen. Der Server ist überlastet. Dabei waren doch alle so gut vorbereitet!? Nach einem weiteren Versuch lande ich in einem Warteraum. Eine Wartezeit wird nicht angezeigt, dann heißt es nach einer Weile: „Ihre geschätzte Wartezeit beträgt 22 Minuten“. Nun gut. Warten sind die Studierenden gewöhnt. Seit einem halben Jahr tun sie das. Da wird keiner wegen 22 Minuten verzagen.

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Auf der Antragsplattform „www.einmalzahlung200.de“ wird um Geduld gebeten.

Auf der Antragsplattform „www.einmalzahlung200.de“ wird um Geduld gebeten.

Ein Sprecher des Ministeriums für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt, das bei der Planung der Antragsplattform federführend war, bestätigt die Probleme beim Aufrufen der Seite. „Aktuell steht der Server der BundID unter hoher Last“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Man habe daher eine Warteschleife vorgebaut. Das Problem sei also nicht die hohe Zugriffszahl auf die Antragsplattform, sondern die hohe Zugriffszahl auf die Seite der BundID, die man zur Registrierung benötigt. Die meisten Antragsberechtigten hätten sich nicht im Vorfeld registriert, was nun die Probleme verursache. Dieser Schritt hätte bereits vorher erledigt werden können. Man habe beim Server der BundID zwar die Kapazitäten aufgestockt, „aber nicht in dem Maße“.

Mittlerweile sind 22 Minuten vergangen. Ich gebe meinen Zugangscode ein und werde weitergeleitet. Ein neues Fenster öffnet sich. „Sie werden weitergeleitet, bitte warten.“ Ich warte. Und warte – bis der Browser aufgibt. Eine Verbindung zur BundID-Seite kann nicht hergestellt werden. Ich aktualisiere die Seite – und lande im Warteraum. Wartezeit: 32 Minuten. Ich rufe bei der Info-Hotline an, die extra für „Fragen zur Antragstellung und Fragen technischer Art“ eingerichtet wurde. Besetzt.

Allein im Warteraum – mit allen anderen

Mit diesen Problemen bin ich offensichtlich nicht alleine. Auch Pablo Fuest, Vorstandsmitglied im Dachverband der Studierendenvertretungen (fzs), haben zahlreiche Beschwerden über die Probleme bei der Antragsstellung erreicht. Er kritisiert das Prozedere allgemein als zu kompliziert. Man hätte eine einfachere und schnelle Lösung finden müssen. „Bereits das Ursprungsversprechen von schnellen und unkomplizierten Hilfen für Studierende wurde nicht gehalten“, sagt er dem RND. Außerdem würden viele Studierende die Kommunikation der Universitäten bemängeln. An vielen Stellen werde nicht mitgeteilt, wann und wie die Zugangsdaten bereitgestellt würden.

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Zurück im Warteraum: Auch die 32 Minuten sind mittlerweile vorbei. Wieder kann ich meinen Zugangscode eingeben. Wieder soll ich warten. Wieder kann die Verbindung zu BundID und zum Antragsformular nicht hergestellt werden. Und wieder lande ich im Warteraum. Der einzige Unterschied: diesmal beträgt die Wartezeit 34 Minuten. Und die Hotline? Na klar: besetzt.

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Aus einer halbjährigen Gedulds- wird langsam eine Nervenprobe. Die digitale Antragsstellung ist ein Spießrutenlauf durch den Bürokratiedschungel. Der ganze Prozess ist selbst bei viel Verständnis für die deutsche Antragstellungsverfahrensmentalität bemerkenswert kompliziert. Und zwar auch für „Digital Natives“, von denen die Regierung erwartet, dass sie digital kompetent genug sind, um die eigenen Schwachstellen zu neutralisieren.

Am Nachmittag ein kurzer Hoffnungsschimmer aus dem digitalen Warteraum. Ich komme bis zur BundID-Seite durch. Kann mich aber nicht anmelden. Die Seite scheint im Schneckentempo vorwärts zu stolpern. Ich beschließe, den Versuch vorerst abzubrechen. Der Hinweis zur Info-Hotline ist übrigens mittlerweile aus den FAQs verschwunden. Stattdessen wurde ein neuer Punkt ergänzt: „Ich bin im Warteraum. Was soll ich tun?“ Die Antwort kann sich jeder denken: warten.

Es funktioniert einfach nichts!

Einen Tag später wage ich einen neuen Versuch. Aber, Spoiler: Ein schnelles Erfolgserlebnis wird‘s auch diesmal nicht. Auch diesmal ist Geduld gefragt. Wenigsten wird die Verbindung von der Antragsplattform zur BundID-Seite hergestellt. Damit bin ich schon mal einen Schritt weiter als gestern. Ich melde mich bei BundID an, das Konto hatte ich bereits erstellt, die „Ausweis-App2“ öffnet sich, ein grüner Kreis dreht sich um eine Sanduhr, die App lädt mein Berechtigungszertifikat runter, und: meldet einen Fehler. Ein rotes X zeigt an, dass „ein unbekannter Netzwerkfehler aufgetreten“ ist. Toll, endlich mal ein neues Problem!

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Weitere Versuche enden immer wieder bei dieser Fehlermeldung. Am Abend schickt mir ein Freund einen Screenshot – von derselben Fehlermeldung. Ich beschließe, einen anderen Weg zu versuchen. Ich will mich bei BundID mit meinem Elster-Zertifikat anmelden. Das habe ich zum Glück. Wer es noch nicht hat, muss es beantragen, das dauert ein paar Tage. Das Hochladen klappt. Dann wieder eine Fehlermeldung: „Achtung, ein BundID-Konto ist notwendig.“ Witzig. Ich bin bereits bei BundID angemeldet, was rechts oben auch angezeigt wird. Das einzige Feld, das ich anklicken kann, ist „zurück zur Startseite“.

Es ist zum Verzweifeln. Es funktioniert einfach nichts! Normalerweise hätte ich an dieser Stelle vermutlich aufgegeben. Wie viel Frust können 200 Euro schon wert sein? Das Prozedere ist von vorne bis hinten vergurkt. Viele Studierende und Fachschüler und -schülerinnen wird die Hilfe nicht erreichen. Die Hürden sind viel zu hoch. Am Freitagnachmittag, zwei Tage nach dem Start, meldet die Antragsplattform 750.435 gestellte Anträge – von 3,5 Millionen Berechtigten.

Bei mir klappt es nach etlichen Versuchen dann doch noch. Über die „AusweisApp2“. Damit wären wir bei 750.436 gestellten Anträge. Doch das ändert nichts. Die meisten haben noch keinen Antrag gestellt. Vermutlich werden sie noch mit Fehlermeldungen bombardiert. Oder tun sich den Stress erst gar nicht an.

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