Mehr als nur Bäume: So funktioniert ein Waldgarten
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Ein Waldgarten besteht aus sieben Schichten.
© Quelle: Löwenzahn Verlag / Fabian Weiss
Sandra und Michael Skala, in Ihrem Buch bezeichnen Sie den Wald als „größte WG überhaupt“. Inwiefern passt der Mensch in diese Wohngemeinschaft?
Michael Skala: Wir Menschen sind ein Teil der Natur. Wir waren und sind immer mit ihr verbunden, auch wenn wir das manchmal nicht spüren. Ich denke, viele merken bei einem Waldspaziergang ganz schnell, dass da irgendetwas ist …
Sandra Skala: … das uns erdet, das uns ruhig werden lässt.
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In wenigen Worten erklärt: Worauf kommt es bei einem Waldgarten an?
Sandra Skala: Als Menschen haben wir vor allem erst einmal eine beobachtende Funktion. Wir bringen uns sanft als Unterstützer und Helfer mit ein, schauen, dass sich die einzelnen Pflanzen ergänzen und nicht miteinander in Konkurrenz stehen.
Man kopiert – im besten Sinne – das Prinzip eines Waldes, also wie er aufgebaut ist.
Michael Skala
Michael Skala: Wenn man seinen eigenen Waldgarten gestalten möchte, schaut man sich Prinzipien aus dem natürlichen Wald ab. Herabgefallene Blätter mulchen den Boden. Im Waldgarten gibt es verschiedene Schichten: große Bäume, kleine Bäume, Sträucher, Bodendecker … Man kopiert – im besten Sinne – das Prinzip eines Waldes, also wie er aufgebaut ist. Allerdings lässt man auch Bäume und Pflanzen wachsen, die Früchte tragen.
Sandra Skala: Man muss allerdings unterscheiden, welche Art Wald wir meinen. Viele Wälder sind ja mittlerweile Forstwirtschaften. Da steht das Geld im Vordergrund. Das sind keine Urwälder, die schon seit Tausenden Jahren bestehen. An solchen Urwäldern orientiert sich der Waldgarten.
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Sandra und Michael Skala planen und gestalten seit dem Jahr 2011 Gärten. Dabei sind ihnen Nachhaltigkeit und Nutzbarkeit besonders wichtig. Vor knapp acht Jahren wanderten sie nach Portugal aus und legten dort ihren ersten Waldgarten an. Ab 2021 lebten die beiden mit ihren Kindern wieder in Deutschland, aktuell ist ihr Zuhause allerdings abermals in Portugal. Ihre Erfahrungen mit und ihr Wissen über Waldgärten geben Sandra und Michael in Form von Seminaren und Beratung an andere Menschen weiter.
© Quelle: Löwenzahn Verlag / Fabian Weiss
Warum sind Beobachten und Planen sehr wichtig für das Waldgärtnern?
Sandra Skala: Wenn man einen Waldgarten anlegen möchte, kann man dafür keine Schablone nutzen. Jeder Ort auf der Welt ist individuell. Also müssen wir sichten, was vor Ort da ist, und beobachten. Heutzutage fällt uns das manchmal schwer. Die Menschen haben ja alle keine Zeit und möchten möglichst schnell Nutzen aus ihrem Garten herausziehen.
Wir wollten mit den Händen ernten und nicht mit Erntemaschinen über das Grundstück fahren.
Sandra Skala
Michael Skala: Das Interessante ist ja: Wenn man aufmerksam beobachtet, überflutet einen die Natur mit Informationen. Das fühlt sich aber anders an als die Reizüberflutung in der Stadt. Da muss man Scheuklappen aufsetzen, um von A nach B zu kommen. Im Wald hat der Mensch die Möglichkeit, sich zu öffnen. Es prasselt natürliches Licht, es prasseln natürliche Farben und natürliche Geräusche auf einen ein. Die Beobachtungen kann man mit Fachwissen aus Büchern oder dem Internet ergänzen. Man sollte es aber mit dem Recherchieren nicht übertreiben, sondern auch praktische Erfahrungen machen. Hat man zu viele Informationen im Kopf, weiß man gar nicht, wie man mit dem Gärtnern anfangen soll.
Im Jahr 2015 haben Sie ein vier Hektar großes Grundstück in Portugal gekauft – und sind aus Deutschland ausgewandert. Die erste Zeit schliefen Sie im Zelt, umgeben von Gestrüpp. Wie kam es, dass aus dem staubigen Stück Land mit der Zeit ein Waldgarten wurde?
Sandra Skala: Wir, besonders Michael, wollten uns in der Natur ausprobieren und richtig viel pflanzen. Irgendwann ist er in einem Youtube-Video aus den USA auf den Begriff „Food Forest“ gestoßen. „Food Forest“ ist die englische Bezeichnung für das Prinzip des Waldgartens. Das fanden wir interessant und haben ganz viel ausprobiert. Die Wollmispel war zum Beispiel mit der Maracuja kompatibel. Wir haben immer mehr gelesen, Videos geschaut und ausprobiert. Besonders wichtig war uns, ganz nah dran zu sein. Wir wollten mit den Händen ernten und nicht mit Erntemaschinen über das Grundstück fahren.
Es fühlt sich so frei an, mit der Natur im Einklang zu sein.
Michael Skala
Was ist beim Gärtnern in Portugal ganz anders als in Deutschland?
Michael Skala: Der Kontrast zwischen Feuchtigkeit und Trockenheit ist in Portugal viel extremer als in Deutschland. Der Boden ist viel fragiler. In Deutschland steckt die meiste Energie im Boden, in Portugal in der Sonne.
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Klimawandel vorbeugen: So schützen Sie den Garten bei Hitze, Sturm und Starkregen
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Ihre Liebe zur Natur, woher rührt die?
Michael Skala: Ich bin auf dem Bauernhof groß geworden. Das hat mich sehr geprägt. Manchmal habe ich als Kind den ganzen Tag auf dem Kirschbaum gesessen und Kirschen gegessen. Erst viel später habe ich diese Zeit wirklich reflektiert und gemerkt: Es fühlt sich so frei an, mit der Natur im Einklang zu sein. Und so schwer ist das auch gar nicht. Man muss es nur wollen.
Sandra Skala: Ich bin nicht auf einem Bauernhof groß geworden. Aber wir durften als Kinder den ganzen Tag draußen spielen. Wir sind durch die Siedlung gefahren, zu den Waldrändern und zu den Bachläufen. Wir sind durch die Maisfelder gelaufen und haben da Quatsch gemacht. Mit meiner Mama haben wir bei Spaziergängen im Herbst Eicheln und Kastanien gesammelt.
Was finden Sie besonders charmant am Waldgärtnern?
Sandra Skala: Wenn man Mittagessen kochen will, geht man einfach mit seinem Körbchen in den Waldgarten und erntet, was reif ist. Mal ist es eine Paprika, mal eine Zucchini. Das kann so viel Freude bereiten.
Michael Skala: Ich mag den Überraschungseffekt. Ein Beispiel: Wir haben in einem Jahr Erdbeeren in einer Ecke gepflanzt. Und drei Jahre später wuchsen sie 100 Meter weiter. Da war der Boden wohl besonders gut und die Ableger der ursprünglichen Erdbeerpflanzen haben sich dort von allein angesiedelt. Wenn man einen Schritt auf die Natur zugeht, dann kommt sie einem mit tausend Schritten entgegen.
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In „Das Prinzip Waldgarten“ erklären Sandra und Michael Skala Schritt für Schritt, wie man selbst einen Waldgarten anlegt, und erzählen von ihren Abenteuern in Portugal. Das Buch ist im Löwenzahn-Verlag erschienen. Es kostet 29,90 Euro und umfasst 280 Seiten.
© Quelle: Löwenzahn Verlag / Fabian Weiss
Aus diesen sieben Schichten besteht ein Waldgarten
Im Wald gibt es hohe Bäume, Sträucher und Moos. Er besteht aus mehreren Schichten. Dieses Prinzip haben Gärtnerinnen und Gärtner auf den Waldgarten übertragen. Auch er besteht aus mehreren Schichten:
- Hohe Bäume: Die Kronen der Bäume in dieser Schicht überragen die anderen Pflanzen im Waldgarten. Sie speichern Stickstoff im Boden und liefern Holz. Das Laub, das diese Bäume abwerfen, hilft dabei, Humus zu bilden.
- Mittelgroße Bäume: In dieser Schicht wachsen pflegeleichte Obstbäume, die drei bis zehn Meter hoch werden.
- Sträucher und Büsche: „Die dritte Schicht des Waldgartens umfasst blühende, fruchttragende, wilde sowie andere nützliche Sträucher“, erklären Michael und Sandra Skala.
- Kräuter: Zwischen Bäumen und Sträuchern lassen sich Kräuter ansiedeln. Man kann sie zum Würzen von Speisen oder Getränken benutzen.
- Wurzelfrüchte: In dieser Schicht wachsen Wurzelgemüse wie Kartoffeln oder Karotten. Sie schmecken nicht nur gut, sondern lockern auch den Boden.
- Bodendecker: Sie vertragen oft Schatten gut und halten es aus, wenn man auf ihnen herumläuft. Zu den Bodendeckern zählen zum Beispiel Kresse, Schafgarbe oder Kriech-Thymian.
- Rankpflanzen: „Das Integrieren dieser Pflanzen in den Waldgarten bietet die großartige Möglichkeit, mehr Produktivität auf einem kleinen Raum zu schaffen“, meinen Sandra und Michael Skala. Denn als Rankhilfe nutzen die Kletterpflanzen einfach vorhandene Stämme und Äste.