„Die Politik hat den Holzbau über Jahre gehemmt“
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Gebäude aus Holz sind im Trend – und klimafreundlicher als Bauwerke aus anderen Baustoffen.
© Quelle: imago images/Countrypixel
In Deutschland wird Wohnraum dringend benötigt, vor allem in Städten steigen Mieten und Kaufpreise stark an. Doch die Baubranche ist auch einer der größten Klimasünder: 42 Prozent der Emissionen in Deutschland werden durch Gebäudebau verursacht. Wie kann Bauen umweltfreundlicher, aber gleichzeitig bezahlbar werden? Christine Buddenbohm, Geschäftsführerin beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), und Rainer Kabelitz-Ciré, Leiter der Fördergesellschaft Holzbau innerhalb des ZDB, sprechen über Möglichkeiten und Herausforderungen des Holzbaus in der Klimakrise.
Der Bausektor ist einer der größten CO2-Verursacher in Deutschland. Welchen Beitrag kann der Holzbau in der Bekämpfung der Klimakrise leisten?
Buddenbohm: Wenn wir bis 2045 auch im Bauen klimaneutral werden wollen, dann müssen wir technologie- und baustoffoffen bleiben. Nachhaltiges Bauen darf man nicht nur von den Baustoffen und der ökologischen Seite her betrachten, Wohnen muss in Zukunft nicht nur klimagerecht, sondern auch bezahlbar sein und es müssen die jeweiligen bautechnischen Anforderungen an das Bauwerk eingehalten werden. Das ist etwas, was wir bei der Bekämpfung der Klimakrise mitberücksichtigen müssen. Wir dürfen nicht nur den CO2-Fußabdruck des Baustoffes sehen.
Kabelitz-Ciré: Die gesamte Bauwirtschaft muss Energieeffizienz-Standards umsetzen, aber die Emissionen bei der Herstellung, beim Transport und so weiter spielen eine Rolle. Holz hat die Eigenschaft, der Atmosphäre CO2 zu entziehen und Kohlenstoff langfristig zu speichern. Dadurch dass in den Holzbauteilen und den Holzwerkstoffen Kohlenstoff langfristig gebunden wird, leistet der Holzbau einen wichtigen Beitrag, um die Klimaschutzziele zu erreichen.
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Christine Buddenbohm ist beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe für Unternehmensentwicklung zuständig.
© Quelle: ZDB/Claudius Pflug
Sie haben gerade schon die Nutzungsphase angesprochen – ist es nicht ein Fehler, dass bei der Energieeffizienz nur diese berechnet wird, nicht aber die Emissionen von Material, Herstellung, Wiederverwertung?
Kabelitz-Ciré: Es muss schon der Lebenszyklus insgesamt betrachtet werden, denn die Nachhaltigkeit der verwendeten Baustoffe spielt eine entscheidende Rolle. Dahin gibt es einen Trend und ich denke, die Bundesregierung wird das auch zum Erreichen ihrer Klimaschutzziele künftig stärker berücksichtigen.
Buddenbohm: Wir müssen den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen, also beginnend mit der Rohstoffgewinnung, der Herstellung des Bauproduktes, über seinen Einbau, die Nutzungsphase bis hin zum Rückbau und dem möglichen Recycling der Baumaterialien.
Sehen Sie einen Willen seitens der Politik, diese Betrachtung zu ändern?
Buddenbohm: Auf jeden Fall. Das ist beim Wirtschafts- und beim Bauministerium eine brennende Frage. Man will die Nachhaltigkeitskriterien für Gebäude in Richtung klimafreundliches Bauen verändern und da spielt der Lebenszyklus eine entscheidende Rolle. Derzeit wird zu stark fokussiert auf den CO2-Fußabdruck, wir sehen oft nur die ökologische Qualität, aber wir müssen auch die ökonomische Qualität bedenken. Bauen muss bezahlbar bleiben. Gebäude sollen nicht nur einen geringen CO2-Fußabdruck haben, sie benötigen auch eine gewisse technische Qualität und müssen funktionale Aspekte wie etwa die des Schallschutzes erfüllen.
Würde der Bau von Holzhäusern günstiger, wenn dieser Lebenszyklus einbezogen würde?
Kabelitz-Ciré: Zunächst einmal gibt es ja keine großangelegten Förderungen bei der Verwendung von Holz, sondern es geht darum, wie wir die Klimaschutzziele erreichen und die Emissionen reduzieren können. Das sind die Rahmenbedingungen und das wird der Wettbewerb im Markt zeigen.
Holz hat sich in den vergangenen Monaten enorm verteuert, mehr als andere Baustoffe. Wie lässt sich denn mit Holz erschwinglich bauen?
Buddenbohm: Ich denke, wir sollten eher von Baukosten sprechen und Baukosten werden nicht nur durch Baustoffpreise beeinflusst, sondern durch viele zusätzliche Faktoren wie etwa Grundstücks-, Planungs- und Lohnkosten, vor allem aber die technischen Anforderungen an ein Gebäude.
Kabelitz-Ciré: Nach unserem Kenntnisstand gab es 2020 auf 2021 eine Preiserhöhung beim Holz, aber die Preise sind schon im zweiten Halbjahr 2021 wieder gesunken. Der Materialpreis ist ohnehin nicht das einzig entscheidende Kriterium beim Bau. Der Holzbau umfasst nicht nur den Rohstoff Holz. Er ist eine Kombination verschiedenster Baustoffe und von Lohnkosten. Deshalb lassen sich die Baukosten seriös nur am jeweiligen Objekt kalkulieren. Man kann nicht von den Materialkosten auf die gesamten Baukosten schließen. Zudem unterliegen alle Baumaterialien den Marktschwankungen. Individuelle Bauwerke sind immer anspruchsvoller. Wir müssen aber schauen, dass wir mehr Volumen schaffen, also seriell bauen und Standarddetails schaffen. Diese Standardisierung von Elementen reduzieren die Baukosten. Da ist, denke ich, der größte Spielraum. Es muss in der gesamten Bauwirtschaft eine stärkere Verzahnung zwischen Planung und Ausführung geben, um Kosten zu minimieren. Wie sich der Preis für das Bauen entwickelt, ist schwer einzuschätzen. Aber eine serielle, elementierte Bauweise ist hilfreich, um in kurzer Zeit neuen Wohnraum zu schaffen
Buddenbohm: Im Holzbau ist der Grad der Vorfertigung schon hoch, wie es bei anderen Baustoffen in der Breite noch nicht angewendet wird. Aber Digitalisierung und Standardisierung macht das Bauen insgesamt, egal mit welchem Baustoff, günstiger.
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Rainer Kabelitz-Ciré ist für den Holzbau innerhalb des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe.
© Quelle: ZDB/Claudius Pflug
In Deutschland sind im Holzbau eher Ein- oder Zweifamilienhäuser zu finden, in der Holzverarbeitung findet man vor allem Familienbetriebe und mittelständische Betriebe. Können sie die Entwicklung mitgehen, dass man vermehrt in Großstädten nun auch Gebäude und Hochhäuser aus Holz will?
Kabelitz-Ciré: Dass vor allem Ein- und Zweifamilienhausbau in Holzbauweise gebaut wurden, hängt mit der Entwicklung der Unternehmen der Holzfertighausindustrie und den handwerklichen Betrieben in den vergangenen 30 Jahren zusammen. Wir hatten aber auch das Problem, dass die Landesbauordnungen beim mehrgeschossigen Bau höhere Anforderungen vor allem an den Brandschutz gestellt haben, was den Holzbau gehemmt hat. In den vergangenen Jahren haben wir Nachweise geliefert, dass die heutigen Holzbaukonstruktionen den Brandschutz gewährleisten. Deshalb denke ich, dass sich auch immer mehr mehrgeschossige Gebäude in Holz- oder Mischbauweise durchsetzen. Wir müssen die digitale Planung und Ausführung noch enger verzahnen und die Standardisierung beim mehrgeschossigen Wohnungsbau erhöhen. Da wird, denke ich, aber auch der Markt einiges noch regeln.
Bis zu 400.000 Wohnungen sollen jährlich entstehen – welchen Beitrag kann der Holzbau da leisten?
Buddenbohm: 400.000 Wohnungen sind das Gesamtziel. Im letzten Jahr haben wir unter großen Anstrengungen 320.000 Wohnungen gebaut, unter schwierigen Bedingungen, die nicht unbedingt besser geworden sind. Steigerung von Baukosten, Mangel an Baustoffen, Produktions- und Lieferketten, die unterbrochen sind und so weiter. Wir werden auf jeden Fall das bauen, was beauftragt wird. Im sozialen Wohnungsbau sind 100.000 Einheiten im Koalitionsvertrag vereinbart. Das ist das, was preislich so gebaut werden muss, dass sich die aufzurufenden Mietpreise auch noch abbilden lassen.
Sozialer Wohnungsbau mit Holz- oder Hybridbauten – ist das möglich?
Buddenbohm: Die Wohnungsbauziele der Bundesregierung können wir nur gemeinsam erreichen, mit allen Baustoffen.
Kabelitz-Ciré: Der Holzbau wird sich dem genauso annehmen wie der Rest der Baubranche. Dafür müssen aber die baurechtlichen Voraussetzungen im Holzbau geschaffen werden. Einige Bundesländer haben die Anforderungen angepasst, sodass sich der Holzbau an diesem Markt besser beteiligen kann. Wir haben durch die Vorfertigung die Möglichkeit, entsprechende Mengen zu produzieren – trotz der vielen kleinen Unternehmen, weil wir bei der Vorfertigung über ein sehr hohes Potential an digitaler Vernetzung verfügen. Elemente müssen nicht von einem Unternehmen allein kommen. Wir haben Beispiele, bei denen sich Betriebe zu einer Gemeinschaft zusammenschließen, um größere Projekte zu stemmen. Man darf den Holzbau nicht auf Pilot- oder Prestigeprojekte reduzieren, die den mehrgeschossigen Holzbau in der Branche, das steht außer Frage, natürlich angeschoben haben.
Sie haben gerade darüber gesprochen, dass einige Bundesländer weiter sind als andere. Welche übernehmen eine Vorreiterrolle und was machen sie besser?
Kabelitz-Ciré: Baden-Württemberg als ein waldreiches Land war das erste Bundesland, das die Bauordnung angepasst hat, um dort die Voraussetzungen im Wohnungsbau mit Holz und Holzelementen zu forcieren. In Bayern gibt es ähnliche Initiativen, Berlin zieht nach und in Hamburg gibt es auch entsprechende Ansätze. So langsam werden auch andere Bundesländer aktiv. Dazu muss man wissen, dass der größte Waldbesitzer in Deutschland die öffentliche Hand ist. Es macht Sinn, dass die heimischen Ressourcen genutzt werden, um faire Wettbewerbsbedingungen für den Holzbau zu schaffen.
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