Wie Sie eine Blumenuhr im Garten anlegen
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Einige Pflanzen öffnen ihre Blüten immer zu bestimmten Uhrzeiten (Symbolbild).
© Quelle: Jess Bailey/Unsplash
Die Natur als Orientierungshilfe nutzen – für frühere Generationen war das selbstverständlich. Sie führten schließlich ein Leben ohne Handy, WLAN und Dauerempfang. Ein Blick in den Himmel, auf Bäume oder Blumen verriet ihnen zum Beispiel die Himmelsrichtung, wie das Wetter werden würde und sogar die ungefähre Uhrzeit. So wussten Bauern und Bäuerinnen beim Blick auf den Wiesen-Bocksbart genau, wann es Zeit für die Mittagspause war: Schlossen sich die gelben Blüten der Pflanze, war es Mittag. Anhand der Ringelblume lässt sich gut das Wetter vorhersagen: Sie verschließt ihre Blüten – oder öffnet sie erst gar nicht –, wenn ein Unwetter aufzieht.
Von Linné erkannte den Biorhythmus
Auch Carl von Linné ist der Biorhythmus von Pflanzen schon früh aufgefallen. Linné, schwedischer Naturforscher im 18. Jahrhundert, schuf unter anderem die binäre Nomenklatur, ein Ordnungs- und Benennungssystem für Fauna und Flora. Ein zweiteiliger lateinischer Name bezeichnet die jeweilige Art, der aus einem Gattungsnamen und einem beschreibenden Zusatz besteht. Die Gewöhnliche Ringelblume heißt demnach Calendula officinalis.
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Bereits von klein auf streifte Linné mit seinem Vater durch die Natur, um Pflanzen zu sammeln und zu bestimmen. Dabei ist ihm nicht entgangen, dass sich Pflanzenblüten zeitversetzt am Tag, einer scheinbar inneren Uhr folgend, öffnen. Um das besser untersuchen zu können, ließ er 1745 im Botanischen Garten von Uppsala eine Blumenuhr (Horologium florae) anlegen – die erste ihrer Art. Unterteilt in zwölf Segmente wie bei einem Ziffernblatt, fanden in dem Beet mehr als 70 Blütenpflanzen Platz, die zur entsprechenden Tageszeit ihre Blüten öffnen oder schließen. Man sagt Linné nach, dass er täglich bis auf fünf Minuten genau seinen Nachmittagstee eingenommen habe – nur dank eines Blickes auf die Blumen in seinem Garten.
Heute weiß man, dass jede Pflanzen einen eigenen Biorhythmus hat. Die jeweiligen Blühphasen sind abgestimmt auf die Insekten, die den Nektar sammeln und dabei die Blüten bestäuben. Würden sich alle Blüten gleichzeitig präsentieren, wäre die Konkurrenz um die Bestäuber zu groß. Einige Blumen würden mehrfach, andere gar nicht bestäubt. Ebenso haben sich Hummeln, Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten auf unterschiedliche Blumen spezialisiert, sodass es weder Nahrungsknappheit noch -überangebot gibt. Damit ist auch den Insekten geholfen, die das Angebot besser sammeln und so mehr Vorräte in ihrem Stock oder in ihren Nestern einlagern können – ideal, um mehr Nachwuchs zu versorgen, der wiederum für höhere Bestäubungschancen bei den Pflanzen sorgt. Perfekte Teamarbeit zwischen Blumen und Insekten.
Pflanzenuhren können schon mal nachgehen
Ganz so genau wie digitale Uhren nehmen es die Blumen aber nicht mit der Zeit. Einige Pflanzen blühen sogar ausgesprochen unpünktlich, denn die Blütenöffnung ist von der Klimazone, der Jahreszeit, dem damit verbundenen Sonnenstand und der Temperatur, dem Wetter sowie von der Blumensorte abhängig. Mehr noch: Agrarwissenschaftler der Universität Göttingen haben beobachtet, dass für das zeitgenaue Schließen der Blüten bei einigen Pflanzen in Linnés Blumenuhr die bestäubenden Insekten verantwortlich sind.
„Bestimmte Pflanzen schließen nur dann zu der üblichen Uhrzeit am Mittag oder frühen Nachmittag ihre Blüten, wenn diese rechtzeitig bestäubt werden. Geschieht dies nicht, schließen sich die Blüten erst gegen Abend – die Blumenuhr geht dann nach“, sagt Agrarökologe Jochen Fründ. Sie haben erstmals nachgewiesen, „dass ein Rückgang der Bienen zu verspätetem Blütenschluss und damit auch zu starken, bisher nicht beachteten Verschiebungen bei den Pflanzen-Bestäuber-Nahrungsnetzen führt“, erläutert Prof. Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung Agrarökologie an der Universität Göttingen.
Das bedeutet für den eigenen Garten: Weichen die Blumen stark von dem normalen Rhythmus der Blumenuhr ab, kann es daran liegen, dass es an Insekten mangelt. Ein Insektenhotel aufzustellen oder gleich ein ganzes Bienenvolk im Garten anzusiedeln kann Abhilfe schaffen.
Wann sich die Blüten öffnen:
3 bis 5 Uhr – Wiesen-Bocksbart
4 bis 5 Uhr – Wegwarte, Heckenrose
5 Uhr – Mohnblume, Löwenzahn
6 Uhr – Zaunwinde, Roter Pippau
7 Uhr – Huflattich, Johanniskraut, Frauenmantel
8 Uhr – echte Schlüsselblume, Habichtskraut, Sumpfdotterblume
9 Uhr – Gänseblume, Pfingstnelke, Ringelblume, Margerite
10 Uhr – Sauerampfer, kleine Käsepappel
11 Uhr – Gemüse-Gänsedistel
12 Uhr – Eisblume, Sprossende Felsennelke, Mittagsblume
13 Uhr – Tigerlilie 1
16 Uhr – Wunderblume
20 Uhr – Nachtkerze
23 Uhr – Königin der Nacht
Wann sich die Blüten schließen:
14 Uhr – Endivien, Wegwarte
15 Uhr – Kürbis
16 Uhr – Huflattich, Sauerampfer
18 Uhr – Mohnblume
21 Uhr – echte Schlüsselblume, Sumpfdotterblume
Ein erhöhtes Beet ist ideal
Doch wie legt man eine Blumenuhr überhaupt an? Generell muss man von Linnés Vorgaben etwas abrücken, denn zum einen sind seine Pflanzen auf die schwedische Klimazone ausgerichtet. Zum anderen sind viele der darin vorkommenden Blumen inzwischen geschützt oder gelten schlichtweg als Unkraut. Empfehlenswerter ist es daher, sich die vorhandene Flora im eigenen Garten anzuschauen, sich deren Blühablauf zu notieren – und die Pflanzen anschließend zu einer Uhr in einem Beet zusammenzustellen.
Dazu ist ein erhöhtes Beet ideal, das nach Süden ausgerichtet ist und nicht im Schatten liegt. Um mehr Insekten anzulocken, ist die Nähe einer Wasserstelle oder eines Teiches von Vorteil. Das Beet kann dann entweder in vier oder in zwölf kleinere Segmente eingeteilt und mit Blumen und Kräutern bepflanzt werden, die zur entsprechenden Zeit ihre Blüte öffnen beziehungsweise schließen. Wer mag, kann die einzelnen Abteilungen mit Ziergräsern, immergrünen Hecken, Stauden, Bodendeckern oder Sukkulenten voneinander trennen.
Ein Holzstab für die Beetmitte
Ratsam ist es, mit nur einer Blumenart zu pro Segment zu beginnen, statt mehrere zu kombinieren. Denn manche Pflanzen haben unterschiedliche Anforderungen an ihren Standort, vertragen sich im Zweifel sogar nicht. In die Beetmitte kann man einen Holzstab stecken, sodass sein Schatten auf das jeweilige Blühfeld in der Sonnenuhr zeigt. Folglich lässt sich die Blumenuhr am besten im Sommersonnenschein ablesen. Und auch wenn eine Blumenuhr nie hundertprozentig genau die Zeit angeben kann, gibt sie dennoch einen Richtwert und kann obendrein ein einzigartiger Blickfang im Garten sein.