Extremismus-Prävention in Gifhorn: So kämpft ein Caritas-Experte gegen Hasskommentare

Mit Dialog für mehr Respekt und gegen Hass: Christopher Pfeiffer ist seit anderthalb Jahren beim Gifhorner Caritasverband als Spezialist für Extremismus-Prävention und politische Bildung tätig. Er macht an Schulen Projekte und hält allgemein Vorträge zum Thema Hasssprache. Dabei kann er Zuhörer durchaus schocken. Drei Aufkleber hat Pfeiffer auf seinem Laptop. Oben rechts einen rosafarbenen „bm bildmachen.net“, in der Mitte „Lass uns reden“ und unten links ein Foto des Gifhorner Boxers Johann „Rukeli“ Trollmann. Er muss auf seinem Desktop etwas suchen unter den vielen Ordnern. „Da haben wir es doch.“ Ein Tipp auf „Enter“, und los geht der Rap. Die mp3-Datei haben neun Schüler der BBS II im Studio des Kultbahnhofs eingespielt. Eine Woche ging das Projekt mit den 15- bis 24-Jährigen. Pfeiffer schwärmt von dem Projekt. „Plötzlich fangen sie an, über ihr Leben zu rappen. Das Stück hat mich echt vom Hocker gehauen.“ An seiner zweiten Partnerschule, der Freiherr-vom-Stein-Schule, will er das auch machen. Dort gibt es eine Rap AG. „Zuhören ist noch wichtiger als sprechen“: Im Dialog will der 38-Jährige Schülern soziale Kompetenzen vermitteln. „Mir ist wichtig, die Schülerinnen und Schüler zu erreichen.“ Wie er das schafft? „Mit Zuhören und Sprechen. Ich glaube, zuhören ist noch wichtiger als sprechen.“ Mach doch mal ’nen Punkt... Aber auch spielen. Zum Beispiel das Rollenspiel mit den auf den Rücken geklebten Punkten. Kein Punkt ist wie der andere, es gibt keine Farbe zweimal. Ohne miteinander zu sprechen sollen die Probanden dennoch Gruppen bilden. Wie das klappt? „Sie sind erst einmal ratlos.“ Und dann versuchten sie herauszufinden, wie sie aus dem System kommen können – notfalls auch mit mogeln. „Das Ziel ist, darüber zu sprechen, was sie gefühlt und festgestellt haben. Es geht bei dem Spiel um Identitäten.“ Deutscher oder Türke – Russe oder Deutscher? Identitätsfragen sind Pfeiffers Alltag. Er hat oft mit Deutschtürken zu tun, die in Deutschland Türken und in der Türkei Deutsche sind – ähnlich gehe es auch Spätaussiedlern. „Identitätsbildung ist gerade in der Jugendzeit ein höchst fragiles Vorgehen.“ „Ich habe Schüler, denen musste ich erst einmal klar machen, dass ,Du Jude’ kein Schimpfwort ist“, berichtet Pfeiffer. Er erinnert sich an ein Gespräch mit einem muslimischen Schüler. „Er war total erstaunt darüber, wie viele Gemeinsamkeiten es zwischen diesen beiden Religionen gibt.“ Wie Gifhorner online hassen können: Pfeiffer sucht wieder auf seinem Desktop. „Da könnte ich auch Hilfe brauchen“, wünscht er sich auf dem Weg zum nächsten Dokument einen Datenbankexperten an seiner Seite. Aber da ist er dann ja, sein Vortrag über Hasssprache im Internet. Er liest Hasskommentare aus Gifhorn vor. Unter anderem von Kopfschüssen ist dort die Rede. Einiges hört sich nach Aufruf zum Umsturz an. „Die Leute hatten versteinerte Mienen“, berichtet Pfeiffer von der Reaktion beim jüngsten Vortrag dazu. „Hatespeech richtet viel an.“ Wer nicht mit dem Internet groß geworden sei, frage ihn, ob es nicht reiche, „die Kiste auszuschalten“. Diese Zeiten seien vorbei, winkt der Demokratiepädagoge ab. Das soziale Leben junger Leute spiele sich im Internet ab. Dort verabreden sie sich mit Freunden, tauschen Fotos und bestellen Pizza. Wer sich daraus verabschiede, weil man sich im eigenen Klassen-Chat mit Mobbing und Austausch von Nacktbildern nicht mehr sicher fühle, verliere sein soziales Netzwerk. „Man muss ein hohes Maß an sozialer Kompetenz erlernen, um sich im Internet zu bewegen“, sagt Pfeiffer. Das will er den Schülern mit auf den Weg geben – und dass es kein Schwarz und Weiß, kein Gut und Böse, sondern Graustufen gibt. An beiden Partnerschulen sei er mit Arbeit gut eingedeckt, er würde dennoch gern noch weitere Schulen besuchen. Bundesweit sei er mit Vorträgen gefragt – neulich beim Bundeselternrat, jetzt hat eine Qualifikationsstelle für Lehrer angefragt. Mobbing und unterlassene Hilfeleistung: Überall im Landkreis Gifhorn ist Mobbing ein Thema an den Schulen – die AZ berichtet. 23. Januar 2020: Carsten Stahl erklärt: Darum ist Mobbing tödlicher als Aids und Unfälle 22. Oktober 2019: Nach Vorwürfen in Wesendorf: Immer mehr Fälle von Mobbing an Gifhorner Schulen 18. Oktober 2019: Landesschulbehörde weist Vorwürfe gegen Oberschule Wesendorf zurück 12. Oktober 2019: Mobbing-Verdacht: Familie zeigt Leitung der Oberschule Wesendorf an 14. November 2018: Zivilcourage-Preis für Gifhorner Stein-Schule 25. Oktober 2018: 400 Schüler bei Jugendtheater über Mobbing Von Dirk Reitmeister

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